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Die Partnachklamm in Garmisch-Partenkirchen
Berauschende Schlucht

In Garmisch-Partenkirchen findet Jahr für Jahr zu Neujahr die "Vierschanzentournee" statt. Doch auch Naturgewalten kann der Besucher hier erleben, beispielsweise begehbare Schluchten, die einen ganz besonderen Reiz haben.

Von Beatrice Zajda | 16.07.2017
    Wanderer gehen in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) durch die Partnachklamm.
    Wanderer gehen in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) durch die Partnachklamm. (dpa / Angelika Warmuth)
    Der Fluss Partnach schlängelt sich seinen Weg durch enge Felsen und Klippen. Die Felsen ragen zum Himmel und thronen über uns. Sehr lange vor unserer Zeit waren gewaltige Kräfte am Werk und schufen diese zerklüfteten Felsvorsprünge. Ich habe mich mit Rudolf Achtner verabredet. Er betreut die Klamm – also das eingeschnittene schmale Tal, in dem der Fluss, die Partnach, fließt. 17 Jahre darf Rudolf Achtner nun schon diese Klamm betreuen.
    "Und die Klamm ist zu jeder Tageszeit wirklich anders. Man kann sie zu jeder Tageszeit anders erleben, bei jedem Wetter anders erleben. Also ist jeden Tag ein neues Erlebnis und ist mit neuen Entdeckungen verbunden."
    Auf dieses Erleben sind wir gespannt und folgen den schmalen Pfaden entlang des herabstürzenden Wassers. Der Fluss hat auch etwas mit dem Namen Partenkirchen gemeinsam.
    "Die Partnach entspringt dem Rheintal unterhalb des Zugspitzgletschers. Und der Ort Partenkirchen kommt ja auch von dem Fluss Partnach. Die Römer waren faul. Haben sich immer ein bisschen angeglichen, da wo sie hingekommen sind. Partenkirchen hieß zur Römerzeit partanum. Und der Name leitet sich auch von der Partnach her. Partnach ist ein keltisches Wort aus parta, das heißt Pforte und aha das heißt Ache, also 'der Fluss, der aus der Pforte kommt'."
    Höhlen im Partnachschiefer-Gestein
    Der Fluss, der aus der Pforte kommt, schlängelt sich 699 Meter den Felstiefen entlang. Auf einem schmalen Pfad - das Wasser nur ein paar Meter entfernt - nehme ich den Sog durch die gewaltigen Wassermassen auf. Wir schlängeln uns an einem Geländer entlang - hintereinander - und sind den Felsen über uns ergeben. Durch zwei Höhlen haben wir uns gedrängt und schauen jetzt nach oben in den Himmel.
    "Über die ein Wanderweg drüber führt, und dann kann man schön da runterschauen. Wenn einer grundsätzlich Höhenangst hat, wird er nicht auf die Brücke gehen. Aber das ist 'ne ganz normale Brücke mit Holzbohlenbelag und hohem Geländer, da kann nichts passieren. Aber man muss natürlich 70 Meter in die Tiefe schauen können."
    Der dritte Tunnel baut sich vor uns auf. Wir können das Ende sehen. Es sind nur ein paar Meter. Groß geratene Erwachsene ziehen besser den Kopf ein.
    "Das ist jetzt schon der dritte Weg, also ein dunkler Weg, also die dritte Höhle. Ja. Es gab schon mal Bewegungen, ob man hier 'ne kleine Beleuchtung anbringt. Wir sind ein Naturdenkmal und unterliegen dem Bundesnaturschutzgesetz. Da war der Naturschutz nicht unbedingt begeistert und hat des abgelehnt. Ist natürlich immer 'ne gewisse Gratwanderung zwischen den vielen Besuchern und der Natur und dass wir halt schauen, dass die Natur zu ihrem Recht kommt und geschützt wird."
    Je nach Stelle bis zu 100 Dezibel
    Vor uns liegt der vierte Tunnel. Wasser rauscht rechts an uns vorbei. Je enger sich der Fluss durch die Felsen schlängeln muss, um so näher sind wir am Wasser, um so höher steigt der Pegel, um so lauter wird es um uns herum.
    "Wir haben an einer Engstelle teilweise je nach Wasserstand, was die Partnach an Wasser bringt, teilweise bis zu 100 Dezibel. Da sieht man dann schon, was die Natur alles so bewegen kann."
    Der Natur nah sein zwischen Felsen und Wasser - das schafft der Besucher hier. Es gibt besondere Lieblingsplätze.
    "Man sieht in nördlicher Richtung den Klammteil, wo die eiserne Brücke drüberführt und wenn man sich umdreht, sieht man hier Richtung Süden die höchsten Felswände mit siebzig Metern. Besonders stolz sind wir, dass wir zwei Nester haben, aber ich verrat’ nicht, wo die sind, der Wasseramsel, die auf der Roten Liste steht. Wir haben verschiedene Greifvögel, die hier ihre Nester haben, ihr Jagdgebiet, alles, was man sich so verstellen kann, Bachstelzen, im Wasser sind Bachforellen, und hier oben geht’s rauf, da können Sie Hirsche, Rehe alles beobachten, weiter oben teilweise sogar Gämsen."
    Buntes Schimmern im grünen Wasser
    An fast jedem Tag spiegeln sich im Licht zwischen den Felsen bei Sonnenschein Regenbogen oberhalb des herabstürzenden grünen Wassers. Ein Naturschauspiel.
    "Die Klamm stellt sich zu jeder Tageszeit anders dar. Die Klamm selber ist in Nord-Süd ausgerichtet, und wir haben nur zu bestimmten Zeiten direkte Sonneneinstrahlung, aber durch das Lichtspiel und den Schattenwurf stellen sich die Felsen und der Bewuchs immer in einem ganz anderen Licht dar."
    Rudolf Achtner mag den Weg durch die Schlucht zu bestimmten Zeiten, beispielsweise am frühen Morgen - wenn sich die Natur in der Nacht erholt, erwacht und sich langsam alles dem Tag entgegenrekelt.
    "Am liebsten gehe ich durch die Klamm, entweder ganz in der Früh also gleich zu Dienstbeginn 6.45 Uhr, und am allerliebsten gehe ich durch die Klamm, wenn wir kurz vorm Hochwasser sind, weil da ist sie wirklich wild, und das ist Natur pur."
    Den fünften und sechsten Tunnel haben wir nun auch schon erreicht. Langsam entspannt sich alles um uns herum. Ein friedliches Rauschen klingt wie Musik in den Ohren.
    Eisvorhänge im Winter
    "Mich beruhigt es wahnsinnig. Wenn ich Stresstage im Büro hab’ und muss dann dienstlich hierher, dann ist das wie ein Kurzurlaub. Ich komm' da wieder runter. Der ganze Stress fällt von mir ab. Man ist in der Natur drin. Man hört das Rauschen. Das ist 'ne ganz andere Welt. Sommer wie Winter. Im Winter ist es dann natürlich ganz was anderes. Wir haben teilweise bis zu dreißig Meter hohe Eisvorhänge, weil die Schleierfälle 'aufeisen', sagen wir. Und da schaut es natürlich aus wie in Alaska. Ich war noch nie in Alaska. Aber ich würde mir Alaska so vorstellen."
    Um diese 30 Meter hohen Eisvorhänge zu bestaunen müssten wir sechs Monate warten. Es ist früher Sommer und die Tage sind lang. Seit einhundert Jahren ist der Weg nun rund um die Partnach begehbar. Erschlossen wurde sie vom Deutschen Alpenverein im ersten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts. Wirtschaftsinteressen standen vor dieser Zeit im Vordergrund. Das Holz wurde vom oberen Flusslauf nach unten transportiert.
    Holztransport vor 150 Jahren
    "Ein weiterer Punkt ist, man kann teilweise hier noch den alten Klammweg sehen, der aus dem Jahre 1886 stammt. Triften heißt, man hat oberhalb Holz geschnitten, hat es in ein Meter lange Teile zerlegt, und hat es dann im Frühjahr bei höherem Wasser in die Partnach geschmissen, um das Holz ins Tal bringen zu können. Dann hat man 1886 hier so einen behelfsmäßigen Weg gemacht. Falls sich hier mal Holz verkeilt hatte, dass man das hier weiter nach unten Flößern konnte. Bis Mitte der 60er-Jahre gab’s dieses Triften noch."
    Und das Triften – also der Holztransport auf dem Wasser - wurde dann eingestellt. Zu gefährlich und nicht mehr wirtschaftlich waren die Gründe. Der siebte und letzte Tunnel ist fast geschafft. Noch immer rauschen Wassermassen in grünem Blau an uns vorbei und verschwinden in den Tiefen des Abgrunds. Ich habe nicht gemerkt wie schnell der Weg durch die Klamm führt:
    "Das ist der letzte – der sogenannte Walli-Stollen. Der hat knappe hundert Meter. Ist quasi der Schlussteil der Klamm zum südlichen Ausgang hin. Sind mehrere große Tunnelfenster, wo man direkt den Absturz des Wassers beobachten kann."
    Die Klamm wächst
    Im Tunnel erzählt mir Rudolf Achtner von natürlichen Bewegungen in den Gesteinen der Partnach.
    "Die Klamm ist gar nicht so alt. Ist erst in der letzten Eiszeit entstanden und hat sich in den letzten 10.000 Jahren nach unten gefressen. Wir gewinnen an Höhe. Jedes Jahr im Schnitt einen Zentimeter frisst sich die Partnach tiefer in den Fels. Also die Felsen werden immer höher, das Partnachbett immer tiefer."
    Die Natur nimmt sich ihren Platz. Es waren gefühlte 30 Meter vom Beginn des Weges durch die Partnachklamm bis zum letzten Stollen - so haben mich Wasser und Felsen in Beschlag genommen und rationales Denken von Raum und Zeit ausgeschaltet. Mit den Worten: "Natur pur für die ganze Familie" beschreibt Rudolf Achtner die Partnachklamm in Garmisch-Partenkirchen. Für ihn ist dieses Stück Natur Heimat geworden. Ich hab’ mir sagen lassen, es sei sein zweites Wohnzimmer. Er lächelt darüber. Dann wird es wohl stimmen. Der Weg durch die Partnachklamm ist zu Ende. Am Ausgang treffe ich vereinzelt auf Besucher.
    "Das Rauschen ist einzigartig"
    Und dieses Rauschen bleibt in den Ohren und die Gewissheit, dass der Mensch der Natur ergeben sein sollte – wie an diesem Ort – und nicht eingreift, um sie zu zerstören. Denn nur so funktioniert das Nebeneinanderleben zwischen Mensch und Natur.