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Die Passion Christi mit Leichtigkeit gesungen

Das Vokalensemble "stile antico" widmet der Passion und Auferstehung Jesu ein Album. Im Mittelpunkt stehen zwei musikalische Umsetzungen des Gedichts "Woefully arrayed". Ihre geistliche Renaissance-Musik präsentieren die Sänger mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht.

Von Christiane Lehnigk |
    In diesem Programm sind Texte der dramatischen Ereignisse der Karwoche und zu Ostern zusammengestellt, wie sie die bedeutendsten englischen und europäischen Komponisten der Renaissance vertont haben. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei musikalische Umsetzungen des Gedichtes "Woefully arrrayed", (Erbärmlich gekleidet), einmal von William Cornysh Junior zu Anfang des 16. Jahrhunderts und dann in der 2009 für "stile antico" entstandenen Fassung von John McCabe. Der zugrunde liegende Text gilt als anonym, wird aber auch John Skelton zugeschrieben, dessen Ruhm sich vor allem auf seine brillanten kritischen und satirischen Texte gründete.

    William Cornysh gehörte zu den führenden Komponisten seiner Zeit, von ihm sind vor allem geistliche Werke wie kunstvolle Antiphonen erhalten. "Woefully arrayed" ist allerdings eher ein schlichtes, frommes Lied in englischer Sprache, mit einer sorgfältig ausgestalteten Textbehandlung und Wortmalereien, in denen die Gedanken des ans Kreuz genagelten Jesus auf sehr eindringliche Weise beschrieben werden: "Erbärmlich gekleidet, mein Blut, Mensch für Dich geflossen":

    William Cornysh
    Woefully arrayed (Erbärmlich gekleidet)

    So nackt hat man mich angenagelt, o Mensch, um deinetwillen.
    Ich liebe dich, dann liebe auch du mich. Warum schläfst du?
    Erwache, denke daran, dass mein Herz für dich brach.

    So geschlagen, so beraubt, so tot um deinetwillen.
    Wahrhaftig nicht geneigt, mein Blut zu vergießen.

    Wie könnte ich noch mehr leiden,
    als ich schon litt, o Mensch für dich?


    William Cornysh, Woefully arrayed (Ausschnitt), stile antico

    Für den englischen Komponisten und Pianisten McCabe ist "Woefully arrayed" eine "tiefsinnige, eindrucksvolle Meditation über Christus am Kreuz", eine Vertonung von "beachtlicher Intensität und kontrapunktischer Kunst". Aber McCabe hatte dennoch den Wunsch, eine "eigene Antwort auf diesen wunderbaren Text beizutragen", eine eigene Adaption der modernisierten Wörter unter Einbeziehung einiger "Archaismen". Das vor vier Jahren für das Vokalensemble "stile antico" komponierte Stück wurde auf dieser CD zum ersten Mal veröffentlicht und es ist gut platziert zwischen den übrigen Renaissance-Kompositionen.

    Das, was "stile antico" auszeichnet, ist der homogene Klang der jungen Stimmen, die oft gerühmte Präzision der musikalischen Gestaltung und die Makellosigkeit des Zusammenklangs. Das alles wird mit einer Leichtigkeit präsentiert, die wirklich umwerfend ist und seinesgleichen sucht. Dass die hier insgesamt 15 Sängerinnen und Sänger dabei auch kraftvoll deklamieren können, beweist diese Komposition von McCabe, und es ist die Frage, ob nicht auch die frühe Musik insgesamt ein wenig mehr Inbrunst verträgt, wie sie damals, einer Reihe von Quellen nach, auch in sakralen Räumen vorgetragen wurde. Das Ensemble Graindelavoix zum Beispiel hat hier für ganz neue Hörerlebnisse gesorgt.

    John McCabe, Woefully arrayed (Ausschnitt), stile antico

    Neben den Vertonungen des Gedichtes "Woefully arrayed" von Cornysh und McCabe hat das Ensemble "stile antico" seinen Querschnitt von geistlicher Renaissance-Musik in England und dem europäischen Festland in der zeitlichen Abfolge der "Heiligen Woche" angeordnet. Es beginnt mit dem triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag, es folgt das Geschehen am Gründonnerstag und beim Letzten Abendmahl, die Kreuzigung am Karfreitag und es endet schließlich mit der Auferstehung am Ostersonntag.

    Interessant ist hier die Gegenüberstellung der verschiedenen Stile. So hatte zwar der Engländer John Dunstable die Grundlage geschaffen für den Stil der Renaissancemusik diesseits und jenseits des Kanals. Aber während die reisenden Musiker auf dem Kontinent vielerlei Einflüsse aufnahmen, kapselte man sich in England noch bis ins 17. Jahrhundert hinein weitgehend ab und entwickelte eine eigene Klangsprache.

    Zu einem der größten Kirchenmusiker seines Landes zählte Thomas Tallis. Er hatte während seiner Zeit als "Gentleman of the Chapel Royal" insgesamt vier verschiedene Monarchen erlebt und komponierte sowohl für die katholische Liturgie wie auch den protestantischen Gottesdienst, auch nach der Reformation noch nach lateinischen Texten. "O sacrum convivium" zum Beispiel stammt aus einer Sammlung von 34 lateinischen Motetten, die Tallis und sein Schüler William Byrd 1575 zusammen veröffentlichten, da sie von Königin Elisabeth ein Druckmonopol erhielten. Es ist eines der schönsten Stücke von Tallis und durch die Verwendung eines Textes von Thomas von Aquin aus der Fronleichnamsliturgie auch ein erstaunlich katholisches Werk.

    Thomas Tallis,
    O sacrum convivium (Thomas von Aquin)

    O heiliges Abendmahl, durch das Christus empfangen wird,
    die Erinnerung an sein Leiden wird erneuert,
    die Seele mit Gnade erfüllt
    und uns ein Versprechen zukünftiger Herrlichkeit gegeben.


    Thomas Tallis, O sacrum convivium (Ausschnitt), stile antico

    Neben den englischen Komponisten Cornysh, Tavener, Tallis, Byrd und Gibbons werden auf der neuesten CD des seit 2005 bestehenden englischen Vokalsembles "stile antico" auch drei flämische sowie drei spanische Komponisten vorgestellt, deren Intensität sich in der Musik von der Klangpracht der Flamen abhebt.

    Hören Sie hier "stile antico" zum Abschluss mit einem Ausschnitt aus der sehr emotional gestalteten Andachtsmotette "O crux ave" von Cristóbal de Morales, der zehn Jahre als Sänger in der päpstlichen Kapelle in Rom verbrachte und viel unterwegs war.

    Cristóbal de Morales
    O crux ave

    O Kreuz, sei gegrüßt, unsere einzige Hoffnung,
    o Herrlichkeit des Erlösers, gewährte Gerechtigkeit den Gläubigen und Gnade denen,
    die das Gericht erwarten.


    Cristóbal de Morales, O crux ave (Schluss), stile antico

    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die neue CD des englischen Vokalensembles "stile antico" vor, die jetzt unter dem Titel "Passion & Resurrection" bei "harmonia mundi" USA erschien.