Luther: Schönen guten Morgen Herr Heinlein!
Heinlein: Herr Luther, ist die Einbindung der PDS in die Regierungsverantwortung auf Landesebene ein Stück politischer Normalisierung acht Jahre nach der Wiedervereinigung?
Luther: Es scheint ein Stück politische Normalisierung zu sein, wobei ich ehrlich gestehe, ich war im Herbst 1989 - und das war vor neun Jahren - auf der Straße gewesen. Ich hätte das nie geglaubt, daß demokratische Parteien in diesem Land, in dieser Bundesrepublik Deutschland sich dazu hergeben.
Heinlein: Sie schließen sich also Ihrem scheidenden Generalsekretär Peter Hintze an, der gestern in Bonn ja starke Worte wählte und von einem "roten Händedruck" sprach und das einen "Verrat an der Freiheitsbewegung in der DDR" nannte?
Luther: Dieses Bild drängt sich einem natürlich auf, dieser Händedruck. Uns in der DDR ist er noch sehr im Gedächtnis. Er war ja schließlich als Symbol auf dem Bild der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gezeichnet. Ich finde es traurig, daß es so weit gekommen ist.
Heinlein: Aber Herr Luther, die Wahlergebnisse vom September zeigen doch, daß die CDU allein mit der Diffamierung, mit der Ablehnung der PDS keine Punkte beim Wähler machen kann?
Luther: Ich glaube auch, daß dort nicht der allerklügste Weg immer gewählt worden ist. Ich habe diesen Weg auch immer kritisiert. Wir haben zum Beispiel bei uns in Sachsen auch das Rote-Hände-Plakat nie verwandt. Aber das ist die eine Sache. Die andere Frage ist natürlich, wie schaffen es die neuen Bundesländer, auch einen demokratischen Weg zu führen, wie schaffen wir den Aufbau Ost und ist es dazu notwendig, daß wir mit den ehemaligen Führern der DDR gemeinsame Sache machen müssen. Das ist, denke ich, die entscheidende Frage.
Heinlein: Muß die PDS, Herr Luther, aus Ihrer Sicht auf Dauer aus der politischen Verantwortung auf Landes- und Bundesebene ausgegrenzt werden?
Luther: Sie wird gewählt. Sie ist im deutschen Bundestag gewählt. Sie hat auch dort Fraktionsstärke. Das ist so. Ich halte nichts davon, Parteien, die von Leuten gewählt werden, dann zu diffamieren, sondern man sollte sich mit ihnen in einer demokratischen Auseinandersetzung beschäftigen. Das werden wir im deutschen Bundestag tun, das wird in Sachsen getan, das wird in anderen Bundesländern getan. Nur glaube ich gibt das noch lange nicht die Erlaubnis dafür, daß man mit ihnen eine gemeinsame Koalition eingeht.
Heinlein: Herr Luther, ein Vorschlag Ihres künftigen Parteichefs Schäuble lautet: stärkere Öffnung der CDU für ehemalige SED-Mitglieder. Findet dies Ihre Unterstützung?
Luther: So wie das in den letzten Tagen in den Medien verbreitet worden ist, soll es wohl nicht ganz gewesen sein. Herr Schäuble hat dies auch noch einmal versucht klarzustellen. Ich denke, der Weg, den wir gewählt haben, war richtig. 1990 mußten wir aus der Revolution heraus die Aufnahme von SED-Mitgliedern in die CDU verbieten. Wir wissen aber auch, daß die DDR eine Besonderheit war und daß es keine demokratischen Parteien in der DDR gab. Viele hatten das Übel in kauf genommen, um sich persönlich zu etablieren, in die SED einzutreten. Sie sind zur Wende ausgetreten. Und gerade vor Ort in den Kreisverbänden stellen nun unsere Mitglieder fest, daß es den einen oder anderen gibt, der durchaus in der Lage ist, demokratische Verhaltensweisen zu dokumentieren, die konservativ denken, die also zur CDU dazupassen. Wenn das der Fall ist, dann können die auch in die CDU aufgenommen werden. Ich halte nichts davon, alte Kader in die CDU aufzunehmen.
Heinlein: Herr Luther, wie wollen Sie das denn differenzieren, welches ehemalige SED-Mitglied geläutert ist oder nicht und dann seine neue politische Heimat in der CDU finden kann? Wie soll das denn praktisch vor sich gehen?
Luther: Die Ortsverbände - stellen Sie sich ein Dorf vor - die kennen ganz genau die Leute, die dort leben, und sie wissen auch ganz genau, was in den letzten acht Jahren beispielsweise der eine oder andere dann geleistet hat. Die Öffnung von Kadern, muß man einfach wissen, ist doch eine Zeitfrage, die dazwischensteht. Wir sind jetzt acht Jahre nach der deutschen Einheit. Leute, die 1950 beispielsweise als Kader in der DDR etabliert waren, die sind heute 58 Jahre alt. Ich denke, um die Leute geht es nicht, sondern es geht um junge Leute, die ihren Lebensweg noch vor sich haben. Und wenn die sich zur CDU gebunden fühlen und das vor Ort festgestellt werden kann, warum sollte man diesen Weg nicht gehen. Massenweise passiert das sowieso nicht. Die meisten Mitglieder kommen für die CDU aus kirchlichen Kreisen oder aus Bürgerbewegungen oder aus Basisgruppen, also andere Gruppen, also nicht aus den Bereichen der ehemaligen SED.
Heinlein: Herr Luther, die SPD und andere Parteien werfen Ihnen genau in diesem Punkt Heuchelei vor, wenn Sie einerseits ablehnen, mit der SED-Nachfolgepartei PDS zusammenzuarbeiten, und andererseits nun um ehemalige SED-Mitglieder werben?
Luther: Wir lehnen es ab, mit der SED-Nachfolgepartei zusammenzuarbeiten, weil diejenigen, die heute Mitglied in der PDS sind, das akzeptieren, was die SED in der DDR war. Diejenigen, die aus persönlichen Gründen, auch weil man in der DDR leben mußte, mal Mitglied in der SED waren, wieder ausgetreten sind und mittlerweile gezeigt haben, daß sie einen anderen Weg gehen können, bei denen handelt es sich um andere Personen. Ich denke, man muß jedem Menschen zugestehen, daß er lernfähig ist oder dazulernen kann und daß er auch demokratische Verhaltensweisen lernt.
Heinlein: Herr Luther, die PDS erreicht in den meisten neuen Bundesländern deutlich zweistellige Wahlergebnisse. Gibt es denn für die CDU eine Chance zur Rückkehr an die Macht, in die politische Verantwortung ohne eine Zusammenarbeit mit der PDS?
Luther: Die Chance der CDU in den neuen Bundesländern wird darin bestehen, sich an der Basis zu etablieren, auf die Leute zuzugehen und ein ganzes Stück zuzuhören. Wir waren diejenigen gewesen, die den Einigungsprozeß vorangebracht haben und die ihn in den letzten acht Jahren gestaltet haben. Viele von uns hatten das auch erwartet, daß ein sehr schwieriger Weg natürlich vor uns liegt und der sehr schwierige Weg von vielen Leuten nicht so einfach zu verstehen ist. Wir haben den Menschen in den neuen Bundesländern sehr viel zugemutet. Letztendlich war das auch ein Stück durch das Wahlergebnis gegeben, was wir erlebt haben. Jetzt haben andere die politische Verantwortung in diesem Land. Sie werden zeigen, was dabei herauskommt. In dieser Zeit werden wir unsere Chance nutzen, uns bei den Menschen wieder zu etablieren.
Heinlein: Also setzen Sie ähnlich wie in Sachsen auf absolute Mehrheiten, oder wie soll das praktisch funktionieren, denn Ihr potentieller Koalitionspartner, die Liberalen, spielen ja in den neuen Bundesländern überhaupt keine Rolle?
Luther: Wenn ich jetzt mal für Sachsen sprechen darf? In Sachsen, denke ich, muß es uns ganz klar sein, daß wir absolute Mehrheiten benötigen, denn das Modell, was in Mecklenburg-Vorpommern jetzt praktiziert wird, das wird auch in anderen Bundesländern möglich werden. Die Schamfrist ist für die SPD offensichtlich vorbei, und demzufolge müssen wir mit diesem Modell rechnen. Deswegen sage ich ganz klar, in Sachsen werden wir die absolute Mehrheit anstreben müssen. Möglicherweise wird das dann auch in den anderen Bundesländern als Ziel der Fall sein müssen. Vielleicht ergeben sich natürlich auch andere Koalitionspartner. Ich kann das heute noch nicht sagen.
Heinlein: Michael Luther war das, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender und Sprecher der ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten. Vielen Dank und auf Wiederhören
Heinlein: Herr Luther, ist die Einbindung der PDS in die Regierungsverantwortung auf Landesebene ein Stück politischer Normalisierung acht Jahre nach der Wiedervereinigung?
Luther: Es scheint ein Stück politische Normalisierung zu sein, wobei ich ehrlich gestehe, ich war im Herbst 1989 - und das war vor neun Jahren - auf der Straße gewesen. Ich hätte das nie geglaubt, daß demokratische Parteien in diesem Land, in dieser Bundesrepublik Deutschland sich dazu hergeben.
Heinlein: Sie schließen sich also Ihrem scheidenden Generalsekretär Peter Hintze an, der gestern in Bonn ja starke Worte wählte und von einem "roten Händedruck" sprach und das einen "Verrat an der Freiheitsbewegung in der DDR" nannte?
Luther: Dieses Bild drängt sich einem natürlich auf, dieser Händedruck. Uns in der DDR ist er noch sehr im Gedächtnis. Er war ja schließlich als Symbol auf dem Bild der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gezeichnet. Ich finde es traurig, daß es so weit gekommen ist.
Heinlein: Aber Herr Luther, die Wahlergebnisse vom September zeigen doch, daß die CDU allein mit der Diffamierung, mit der Ablehnung der PDS keine Punkte beim Wähler machen kann?
Luther: Ich glaube auch, daß dort nicht der allerklügste Weg immer gewählt worden ist. Ich habe diesen Weg auch immer kritisiert. Wir haben zum Beispiel bei uns in Sachsen auch das Rote-Hände-Plakat nie verwandt. Aber das ist die eine Sache. Die andere Frage ist natürlich, wie schaffen es die neuen Bundesländer, auch einen demokratischen Weg zu führen, wie schaffen wir den Aufbau Ost und ist es dazu notwendig, daß wir mit den ehemaligen Führern der DDR gemeinsame Sache machen müssen. Das ist, denke ich, die entscheidende Frage.
Heinlein: Muß die PDS, Herr Luther, aus Ihrer Sicht auf Dauer aus der politischen Verantwortung auf Landes- und Bundesebene ausgegrenzt werden?
Luther: Sie wird gewählt. Sie ist im deutschen Bundestag gewählt. Sie hat auch dort Fraktionsstärke. Das ist so. Ich halte nichts davon, Parteien, die von Leuten gewählt werden, dann zu diffamieren, sondern man sollte sich mit ihnen in einer demokratischen Auseinandersetzung beschäftigen. Das werden wir im deutschen Bundestag tun, das wird in Sachsen getan, das wird in anderen Bundesländern getan. Nur glaube ich gibt das noch lange nicht die Erlaubnis dafür, daß man mit ihnen eine gemeinsame Koalition eingeht.
Heinlein: Herr Luther, ein Vorschlag Ihres künftigen Parteichefs Schäuble lautet: stärkere Öffnung der CDU für ehemalige SED-Mitglieder. Findet dies Ihre Unterstützung?
Luther: So wie das in den letzten Tagen in den Medien verbreitet worden ist, soll es wohl nicht ganz gewesen sein. Herr Schäuble hat dies auch noch einmal versucht klarzustellen. Ich denke, der Weg, den wir gewählt haben, war richtig. 1990 mußten wir aus der Revolution heraus die Aufnahme von SED-Mitgliedern in die CDU verbieten. Wir wissen aber auch, daß die DDR eine Besonderheit war und daß es keine demokratischen Parteien in der DDR gab. Viele hatten das Übel in kauf genommen, um sich persönlich zu etablieren, in die SED einzutreten. Sie sind zur Wende ausgetreten. Und gerade vor Ort in den Kreisverbänden stellen nun unsere Mitglieder fest, daß es den einen oder anderen gibt, der durchaus in der Lage ist, demokratische Verhaltensweisen zu dokumentieren, die konservativ denken, die also zur CDU dazupassen. Wenn das der Fall ist, dann können die auch in die CDU aufgenommen werden. Ich halte nichts davon, alte Kader in die CDU aufzunehmen.
Heinlein: Herr Luther, wie wollen Sie das denn differenzieren, welches ehemalige SED-Mitglied geläutert ist oder nicht und dann seine neue politische Heimat in der CDU finden kann? Wie soll das denn praktisch vor sich gehen?
Luther: Die Ortsverbände - stellen Sie sich ein Dorf vor - die kennen ganz genau die Leute, die dort leben, und sie wissen auch ganz genau, was in den letzten acht Jahren beispielsweise der eine oder andere dann geleistet hat. Die Öffnung von Kadern, muß man einfach wissen, ist doch eine Zeitfrage, die dazwischensteht. Wir sind jetzt acht Jahre nach der deutschen Einheit. Leute, die 1950 beispielsweise als Kader in der DDR etabliert waren, die sind heute 58 Jahre alt. Ich denke, um die Leute geht es nicht, sondern es geht um junge Leute, die ihren Lebensweg noch vor sich haben. Und wenn die sich zur CDU gebunden fühlen und das vor Ort festgestellt werden kann, warum sollte man diesen Weg nicht gehen. Massenweise passiert das sowieso nicht. Die meisten Mitglieder kommen für die CDU aus kirchlichen Kreisen oder aus Bürgerbewegungen oder aus Basisgruppen, also andere Gruppen, also nicht aus den Bereichen der ehemaligen SED.
Heinlein: Herr Luther, die SPD und andere Parteien werfen Ihnen genau in diesem Punkt Heuchelei vor, wenn Sie einerseits ablehnen, mit der SED-Nachfolgepartei PDS zusammenzuarbeiten, und andererseits nun um ehemalige SED-Mitglieder werben?
Luther: Wir lehnen es ab, mit der SED-Nachfolgepartei zusammenzuarbeiten, weil diejenigen, die heute Mitglied in der PDS sind, das akzeptieren, was die SED in der DDR war. Diejenigen, die aus persönlichen Gründen, auch weil man in der DDR leben mußte, mal Mitglied in der SED waren, wieder ausgetreten sind und mittlerweile gezeigt haben, daß sie einen anderen Weg gehen können, bei denen handelt es sich um andere Personen. Ich denke, man muß jedem Menschen zugestehen, daß er lernfähig ist oder dazulernen kann und daß er auch demokratische Verhaltensweisen lernt.
Heinlein: Herr Luther, die PDS erreicht in den meisten neuen Bundesländern deutlich zweistellige Wahlergebnisse. Gibt es denn für die CDU eine Chance zur Rückkehr an die Macht, in die politische Verantwortung ohne eine Zusammenarbeit mit der PDS?
Luther: Die Chance der CDU in den neuen Bundesländern wird darin bestehen, sich an der Basis zu etablieren, auf die Leute zuzugehen und ein ganzes Stück zuzuhören. Wir waren diejenigen gewesen, die den Einigungsprozeß vorangebracht haben und die ihn in den letzten acht Jahren gestaltet haben. Viele von uns hatten das auch erwartet, daß ein sehr schwieriger Weg natürlich vor uns liegt und der sehr schwierige Weg von vielen Leuten nicht so einfach zu verstehen ist. Wir haben den Menschen in den neuen Bundesländern sehr viel zugemutet. Letztendlich war das auch ein Stück durch das Wahlergebnis gegeben, was wir erlebt haben. Jetzt haben andere die politische Verantwortung in diesem Land. Sie werden zeigen, was dabei herauskommt. In dieser Zeit werden wir unsere Chance nutzen, uns bei den Menschen wieder zu etablieren.
Heinlein: Also setzen Sie ähnlich wie in Sachsen auf absolute Mehrheiten, oder wie soll das praktisch funktionieren, denn Ihr potentieller Koalitionspartner, die Liberalen, spielen ja in den neuen Bundesländern überhaupt keine Rolle?
Luther: Wenn ich jetzt mal für Sachsen sprechen darf? In Sachsen, denke ich, muß es uns ganz klar sein, daß wir absolute Mehrheiten benötigen, denn das Modell, was in Mecklenburg-Vorpommern jetzt praktiziert wird, das wird auch in anderen Bundesländern möglich werden. Die Schamfrist ist für die SPD offensichtlich vorbei, und demzufolge müssen wir mit diesem Modell rechnen. Deswegen sage ich ganz klar, in Sachsen werden wir die absolute Mehrheit anstreben müssen. Möglicherweise wird das dann auch in den anderen Bundesländern als Ziel der Fall sein müssen. Vielleicht ergeben sich natürlich auch andere Koalitionspartner. Ich kann das heute noch nicht sagen.
Heinlein: Michael Luther war das, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender und Sprecher der ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten. Vielen Dank und auf Wiederhören