Sie habe jetzt einen anderen Fahrersitz eingenommen, so die vierundsiebzigjährige Choreografin Trisha Brown in Amsterdam, wenige Stunden vor der Premiere ihres Rameau-Abends im Königlichen Theater Carré. Diese scherzhaft formulierte Bemerkung bezieht sich auf die wohl schmerzhaft empfundene Tatsache, dass sie, die bis vor wenigen Jahren noch in seltenen, aber wundervollen Soloauftritten zu erleben war, längst nicht mehr auf der Bühne zwischen den Tänzern ihrer 1970 gegründeten Trisha Brown Dance Company erscheint. Im Ballettsaal aber ist sie natürlich täglich mitten unter ihnen um neue Bewegungen zu erfinden. Brown, einst als Rebellin der New Yorker Judson Church Theaterkreise tanzend an den Häuserwänden und über den Dächern von Soho zu erleben, hasst es, sich zu wiederholen. Und sie hat es geschafft, das in vierzig Jahren als Choreografin zu vermeiden. Schon immer allerdings – wenn es sich nicht um Werke ohne Musik handelte – studierte sie die Kompositionen vor dem ersten Probentag sehr genau. Seit einigen Jahren nun ist sie dabei, ohne großes Aufhebens, aber nachhaltig unser Verständnis von der Inszenierung musiktheatralischer Werke zu revolutionieren.
In den ihrer Rameau- Premiere beim Holland Festival vorangegangenen Wochen erfand sie neue Schritte, ungewöhnliche aber sprechende Gesten für Sänger und Tänzer von Figuren wie Hippolyte und Aricie, Phädra und Theseus. Diese Gestalten der griechischen Antike, aus deren verhängnisvoller Begegnung Jean-Philippe Rameau 1733 seine erste Oper schuf, erwecken die Sängersolisten Karolina Blixt, Sophie Karthäuser, Ed Lyon und Emmanuelle de Negri gemeinsam mit acht Tänzern zu neuem Leben. Und das ganz Unwahrscheinliche gelingt. Die Sänger haben von den Tänzern wirklich gelernt, mit zarten körperlichen Gesten zu kommunizieren, sich unter den Tänzern zu bewegen, ohne in Bühnen-Stereotypen zu verfallen.
Begleitet werden sie von Chor und Orchester von William Christie's Ensemble "Les Arts Florissants", deren Musizieren wirklich einzigartig präzise und klangschön ist. Mit Christie hat Trisha Brown diesen Rameau-Abend zusammengestellt, bei dem auf Auszüge von "Hippolyte et Aricie" die eigentliche Uraufführung folgt, Rameau's "acte de ballet" Pygmalion. Kaum ein Sujet mag dem französischen Komponisten damals geeigneter erschienen sein für sein einaktiges Handlungsballett als die Geschichte von einer Statue, die lebendig wird.
Fatale Liebe, grausame Eroberin: Hier trifft sie Pygmalion
den Bildhauer. Der schickt seine Geliebte Céphise fort, weil er sich
in die weibliche Statue, die eben unter seinen Händen entstanden ist, verliebt hat. Die grausamen Götter, als deren Spielball er sich begreift und die er gegenüber der verstoßenen Geliebten auch haftbar für seine Untreue macht, zeigen sich dann mitleidig. Die Statue erhebt sich tastend und lauschend, ungläubig von ihrem Marmorbett.
In das nun anhebende Fest mischen sich die Tänzer. Zwei von ihnen fliegen an beinahe unsichtbaren Seilen wie Elfen über die Bühne. Aber ihre unten tanzenden Kollegen verströmen nicht weniger Leichtigkeit.
Brown erreicht nichts Geringeres als eine zeitgenössische Symbiose von Musik und Tanz. Um ihre Bühne zum Leuchten zu bringen, setzt die amerikanische Ikone des Lichtdesigns, Jennifer Tipton, Browns bühnenfüllende abstrakte Zeichnungen in wechselnde Blautöne oder lässt sie vom Negativ ins Positiv umschlagen – ein magischer Effekt. In den Kurven, Kreisen und Linien von Browns Skizzen kann man die gleiche Logik entdecken wie in ihrem Tanz – eines muss aus dem anderen folgen. So entsteht dieser unnachahmliche, unstopp-bare Fluß, dieses Einschwingen in die Musik, den Rhythmus des Lebens.
In den ihrer Rameau- Premiere beim Holland Festival vorangegangenen Wochen erfand sie neue Schritte, ungewöhnliche aber sprechende Gesten für Sänger und Tänzer von Figuren wie Hippolyte und Aricie, Phädra und Theseus. Diese Gestalten der griechischen Antike, aus deren verhängnisvoller Begegnung Jean-Philippe Rameau 1733 seine erste Oper schuf, erwecken die Sängersolisten Karolina Blixt, Sophie Karthäuser, Ed Lyon und Emmanuelle de Negri gemeinsam mit acht Tänzern zu neuem Leben. Und das ganz Unwahrscheinliche gelingt. Die Sänger haben von den Tänzern wirklich gelernt, mit zarten körperlichen Gesten zu kommunizieren, sich unter den Tänzern zu bewegen, ohne in Bühnen-Stereotypen zu verfallen.
Begleitet werden sie von Chor und Orchester von William Christie's Ensemble "Les Arts Florissants", deren Musizieren wirklich einzigartig präzise und klangschön ist. Mit Christie hat Trisha Brown diesen Rameau-Abend zusammengestellt, bei dem auf Auszüge von "Hippolyte et Aricie" die eigentliche Uraufführung folgt, Rameau's "acte de ballet" Pygmalion. Kaum ein Sujet mag dem französischen Komponisten damals geeigneter erschienen sein für sein einaktiges Handlungsballett als die Geschichte von einer Statue, die lebendig wird.
Fatale Liebe, grausame Eroberin: Hier trifft sie Pygmalion
den Bildhauer. Der schickt seine Geliebte Céphise fort, weil er sich
in die weibliche Statue, die eben unter seinen Händen entstanden ist, verliebt hat. Die grausamen Götter, als deren Spielball er sich begreift und die er gegenüber der verstoßenen Geliebten auch haftbar für seine Untreue macht, zeigen sich dann mitleidig. Die Statue erhebt sich tastend und lauschend, ungläubig von ihrem Marmorbett.
In das nun anhebende Fest mischen sich die Tänzer. Zwei von ihnen fliegen an beinahe unsichtbaren Seilen wie Elfen über die Bühne. Aber ihre unten tanzenden Kollegen verströmen nicht weniger Leichtigkeit.
Brown erreicht nichts Geringeres als eine zeitgenössische Symbiose von Musik und Tanz. Um ihre Bühne zum Leuchten zu bringen, setzt die amerikanische Ikone des Lichtdesigns, Jennifer Tipton, Browns bühnenfüllende abstrakte Zeichnungen in wechselnde Blautöne oder lässt sie vom Negativ ins Positiv umschlagen – ein magischer Effekt. In den Kurven, Kreisen und Linien von Browns Skizzen kann man die gleiche Logik entdecken wie in ihrem Tanz – eines muss aus dem anderen folgen. So entsteht dieser unnachahmliche, unstopp-bare Fluß, dieses Einschwingen in die Musik, den Rhythmus des Lebens.