Stefan Heinlein: Die Briten und die Niederländer haben ihr Kreuz bereits gemacht, andere sieben EU-Staaten werden heute und morgen folgen und am Sonntag dann der große europäische Wahltag in den restlichen EU-Mitgliedsländern. Es geht um die künftige Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes.
Übermorgen also wird auch in Deutschland gewählt, aber weniger als die Hälfte aller Bürger wird wohl tatsächlich zur Urne schreiten. Die Spitzenkandidaten der Parteien sind weitgehend unbekannt, müde und inhaltsleer kam der Wahlkampf nicht so recht in Gang. Dennoch: die Zustimmung für die Europäische Union ist nach wie vor ungebrochen, doch kaum jemand hat Zeit und Lust, sich nachhaltig mit den europäischen Institutionen zu beschäftigen. Die Wahl wird also zur politischen Nebensache. Darüber möchte ich jetzt reden mit dem Journalisten und Publizisten Ulrich Wickert, lange Jahre "Mr. Tagesthemen" in der ARD. Guten Morgen nach Hamburg.
Ulrich Wickert: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Warum werden Sie am Sonntag wählen gehen?
Wickert: Sie haben mich ja als einen überzeugten Europäer angekündigt, und der bin ich auch. Ich gehöre zu den Leuten, die sagen: Wer nicht wählt, darf auch nicht meckern. Also gehe ich natürlich wählen.
Heinlein: Teilen denn die meisten Bundesbürger Ihre Begeisterung für Europa? Was ist Ihr Eindruck?
Wickert: Ich glaube nicht, aber das hat auch damit zu tun, dass Europa für viele Leute sehr weit weg ist und keine Emotionen auslöst. Da liegt sicherlich eine der großen Schwierigkeiten bei uns bei der Wahl - nicht nur bei uns, sondern auch in den anderen Ländern in Europa -, dass die Leute gar nicht so richtig wissen, was machen wir da, warum machen wir da irgendwo ein Kreuz. Man hat ja Umfragen gemacht und bei den Umfragen kommt heraus, es gehen die Älteren wählen, die noch mitbekommen haben, warum Europa eines Tages sich eine Union gegeben hat, damit es nämlich keinen Krieg mehr gibt. Aber heute sagt man, na ja, Gott, da kommen nur verrückte bürokratische Geschichten heraus. Das Schlimme dabei ist - und das ist auch etwas, worüber ich mich manchmal ärgere -, dass Politiker da mitmachen, indem sie Europa schlecht machen. Also zum Beispiel hat Herr Westerwelle - und das hat dann auch seine Hauptkandidatin mit übernommen - dieses berühmte Gurkenbeispiel immer wieder gegen die Europäische Union angeführt: Die Europäische Union legt fest, warum eine Gurke wie krumm sein soll. Das ist zwar witzig, aber wenn man das mal recherchiert stellt man fest, die Gurkenproduzenten und diejenigen, die mit Gurken handeln, haben darum gebeten, eine Norm zu haben, was Güteklasse A, B, C ist, also sozusagen was in der Industrie die DIN-Norm ist. Danach ist festgelegt worden, Güteklasse C ist so und A und B sind so und so geformt. Das bedeutet nicht, dass eine Gurke krumm sein muss, sondern dass sie, wenn sie in den Handel kommt, eine gewisse Krümmung hat und dann eine Güteklasse hat. Wenn aber die Politiker damit anfangen, sich selber lustig zu machen über das, was die Europäische Union entscheidet, dann ist es natürlich logisch, dass die Bürger, die sich mit der Europäischen Union auseinandersetzen wollen, dann sagen, wenn die Politiker, führende Politiker sich schon damit auseinandersetzen und es komisch finden, dann brauchen wir da ja auch nicht hinzugehen.
Heinlein: Aber in der Tat, Sie haben es selber angesprochen, europäische Themen, europäische Politik ist komplex und schwierig, und niemand weiß so recht, wo er dann sein Kreuz machen soll, wenn er etwa die Glühbirne retten will.
Wickert: Die Glühbirne ist genauso wieder so eine Geschichte. Auf der einen Seite wirft man der Europäischen Union vor, sie sei nicht grün genug, auf der anderen Seite trifft sie eine Umweltentscheidung, nämlich die Glühbirne ist in der heutigen Form einfach altmodisch, verbraucht viel zu viel Energie, also gibt es diese andere Birne, die soll nun durchgeführt werden. Da gibt es dann in Deutschland diejenigen, die sagen: Wir hängen doch an unserer alten Osram-Birne, die wollen wir bitteschön behalten. Da ist wirklich ein ganz, ganz großes Problem. Man hat nicht das Gefühl, wir entscheiden uns für etwas Wichtiges.
Für mich selbst ist zum Beispiel die Einführung des Euro eine der Großtaten der Geschichte. Wir würden heute die Finanzkrise überhaupt nicht gesund überleben - so gesund wie wir sie überleben können im Augenblick -, wenn es den Euro nicht gäbe. Es wäre ganz fürchterlich für Europa; und das muss man doch anerkennen. Ich darf nicht in Kleinigkeiten mich verzetteln.
Heinlein: Haben sich, Herr Wickert, die Menschen einfach in Europa daran gewöhnt, dass es eben diesen Euro gibt, dass es keine Grenzkontrollen mehr gibt und man überall in Europa leben und arbeiten kann, und deshalb weckt Europa und diese Europawahl keine Emotionen mehr?
Wickert: Ja. Es fehlt aber der direkte Bezug, und ich komme noch mal zurück auf die Politiker. Ich glaube, dass die Politiker mit daran schuld sind. Als der Maastricht-Vertrag, der ja nun gescheitert ist an Frankreich und an Irland, in Deutschland im Bundestag zur Abstimmung stand, hat die Sendung "Panorama" eine Umfrage gemacht am Tag selbst der Abstimmung und ist zu den außenpolitischen Sprechern der großen Parteien gegangen und hat gesagt, ist da eigentlich das Recht auf Referendum drin, und all die außenpolitischen Sprecher der großen Parteien wussten nicht, was in diesem Vertrag an wichtigen Dingen drinstand. Das ist ja eine Blamage! Wie soll denn dann das Volk sich dafür interessieren? - Ich habe immer wieder gedacht, wahrscheinlich wäre es sehr viel besser, wenn wir zumindest bei der Europawahl eine Direktwahl hätten. Ja, das sind riesengroße Wahlkreise, weil wir in Deutschland ja nur 99 Abgeordnete stellen. Aber die Abgeordneten würden zum Volk gehen und mit dem Volk reden.
Heinlein: Fehlt es auch, wie Sie sagen, an europäischen Köpfen? Sie kennen den Spruch: Hast du einen Opa, dann schicke ihn nach Europa.
Wickert: Sicherlich hängt das auch damit zusammen, und da gehe ich auch wieder zurück auf Umfragen. Die bekannteste Kandidatin und Europaabgeordnete im Augenblick ist die von der FDP, aber sie ist es nicht, weil sie vielleicht irgendwas Schlaues gesagt hat. Nach dem, was die FAZ recherchiert hat, ist es diejenige, die am allerwenigsten tut.
Heinlein: Silvana Koch-Mehrin von der FDP meinen Sie?
Wickert: Ja. Und warum ist sie so bekannt geworden? - Weil sie sich im "Stern" mit nacktem Bauch als Schwangere hat fotografieren lassen. Das ist natürlich ein Armutszeugnis.
Heinlein: Aber das weckt vielleicht Emotionen?
Wickert: Das weckt Emotionen, klar, und dann kennt man die und sagt, ach die Blonde da, die mit dem dicken Babybauch.
Heinlein: Aber Schulz, Pöttering sind seit Jahrzehnten oder seit Jahren im Parlament und niemand kennt sie auf der Straße.
Wickert: Ja, gut. Das ist natürlich auch schade, weil das zwei Politiker sind, die sehr engagiert sind und sehr arbeiten. Aber wir müssen wahrscheinlich wieder auf zwei Dinge zurückkommen: Erstens, dass die Europäische Union, das Europäische Parlament auch von den Politikern in der Bevölkerung ernst genommen wird, gegenüber der Bevölkerung ernst genommen wird. Da haben wir nun Herrn Stoiber als den Anti-Bürokratie-Beauftragten bei der Europäischen Union sitzen. Ich weiß nicht, haben Sie schon mal gehört, was der macht? Hat der schon irgendetwas Bürokratisches abgeschafft?
Heinlein: Wir wollten ihn fragen, er hat nie geantwortet.
Wickert: Wahrscheinlich ist da nichts passiert, und das sind die Dinge. Es wäre doch ganz spannend, wenn der mal sagen würde, ich habe das und das und das verändert. Dann würden wir einen Bezug dazu bekommen. Ich glaube, da liegt es, dass die Ernsthaftigkeit von den Politikern uns auch nicht vermittelt wird. Wenn Sie sich die Wahlplakate jetzt angucken, auf manchen Wahlplakaten ist Frau Merkel drauf zu sehen. Frau Merkel wird gar nicht gewählt, man kann die gar nicht wählen. Das heißt, es wird dann wieder reduziert auf Innenpolitik, dann steht der Bundestagswahlkampf voran, aber Innenpolitik ist es auch in London. Das haben wir jetzt gestern bei den Wahlen gesehen. In all den Ländern, in Holland auch natürlich, wo die Leute sagen, da wische ich mal meiner Regierung einen aus oder belohne ich die. Das sehen Sie in Frankreich. Ich war gerade ein paar Tage in Frankreich und habe dort den Europawahlkampf mir angeguckt. Dort engagieren sich die Medien sehr viel stärker übrigens. Bei uns hat das ja eigentlich erst so seit fünf, sechs, sieben, acht Tagen angefangen, dass es in den Medien sehr viel stärker vorhanden ist. Aber trotzdem wird die Wahlbeteiligung auch dort nicht größer sein.
Heinlein: Sie haben die Wahlplakate angesprochen, Angela Merkel für die CDU und auch ansonsten viele innenpolitische Aspekte, die bei dieser Wahl eine Rolle spielen. Ist das für die Parteien tatsächlich nur eine Art Aufwärmübung für das, was dann im September stattfinden wird?
Wickert: Diesen Eindruck habe ich, denn man vergleicht ja immer wieder diese Wahl mit der letzten Wahl, und auch die letzte Wahl ist ja ganz stark geprägt worden durch damals Schröders Agenda 2010. Deswegen ist die SPD damals unglaublich abgestürzt. Und jetzt sagt man sich, okay, jetzt wollen wir mal gucken, wie wir hier rauskommen. Die CDU wird ein bisschen verlieren, die SPD wird ein bisschen gewinnen, die FDP kriegt vielleicht auch ein bisschen mehr, also was bedeutet das dann für uns für den September.
Heinlein: Ulrich Wickert heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und ich wünsche Ihnen einen geruhsamen Tag.
Wickert: Danke Ihnen!
Übermorgen also wird auch in Deutschland gewählt, aber weniger als die Hälfte aller Bürger wird wohl tatsächlich zur Urne schreiten. Die Spitzenkandidaten der Parteien sind weitgehend unbekannt, müde und inhaltsleer kam der Wahlkampf nicht so recht in Gang. Dennoch: die Zustimmung für die Europäische Union ist nach wie vor ungebrochen, doch kaum jemand hat Zeit und Lust, sich nachhaltig mit den europäischen Institutionen zu beschäftigen. Die Wahl wird also zur politischen Nebensache. Darüber möchte ich jetzt reden mit dem Journalisten und Publizisten Ulrich Wickert, lange Jahre "Mr. Tagesthemen" in der ARD. Guten Morgen nach Hamburg.
Ulrich Wickert: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Warum werden Sie am Sonntag wählen gehen?
Wickert: Sie haben mich ja als einen überzeugten Europäer angekündigt, und der bin ich auch. Ich gehöre zu den Leuten, die sagen: Wer nicht wählt, darf auch nicht meckern. Also gehe ich natürlich wählen.
Heinlein: Teilen denn die meisten Bundesbürger Ihre Begeisterung für Europa? Was ist Ihr Eindruck?
Wickert: Ich glaube nicht, aber das hat auch damit zu tun, dass Europa für viele Leute sehr weit weg ist und keine Emotionen auslöst. Da liegt sicherlich eine der großen Schwierigkeiten bei uns bei der Wahl - nicht nur bei uns, sondern auch in den anderen Ländern in Europa -, dass die Leute gar nicht so richtig wissen, was machen wir da, warum machen wir da irgendwo ein Kreuz. Man hat ja Umfragen gemacht und bei den Umfragen kommt heraus, es gehen die Älteren wählen, die noch mitbekommen haben, warum Europa eines Tages sich eine Union gegeben hat, damit es nämlich keinen Krieg mehr gibt. Aber heute sagt man, na ja, Gott, da kommen nur verrückte bürokratische Geschichten heraus. Das Schlimme dabei ist - und das ist auch etwas, worüber ich mich manchmal ärgere -, dass Politiker da mitmachen, indem sie Europa schlecht machen. Also zum Beispiel hat Herr Westerwelle - und das hat dann auch seine Hauptkandidatin mit übernommen - dieses berühmte Gurkenbeispiel immer wieder gegen die Europäische Union angeführt: Die Europäische Union legt fest, warum eine Gurke wie krumm sein soll. Das ist zwar witzig, aber wenn man das mal recherchiert stellt man fest, die Gurkenproduzenten und diejenigen, die mit Gurken handeln, haben darum gebeten, eine Norm zu haben, was Güteklasse A, B, C ist, also sozusagen was in der Industrie die DIN-Norm ist. Danach ist festgelegt worden, Güteklasse C ist so und A und B sind so und so geformt. Das bedeutet nicht, dass eine Gurke krumm sein muss, sondern dass sie, wenn sie in den Handel kommt, eine gewisse Krümmung hat und dann eine Güteklasse hat. Wenn aber die Politiker damit anfangen, sich selber lustig zu machen über das, was die Europäische Union entscheidet, dann ist es natürlich logisch, dass die Bürger, die sich mit der Europäischen Union auseinandersetzen wollen, dann sagen, wenn die Politiker, führende Politiker sich schon damit auseinandersetzen und es komisch finden, dann brauchen wir da ja auch nicht hinzugehen.
Heinlein: Aber in der Tat, Sie haben es selber angesprochen, europäische Themen, europäische Politik ist komplex und schwierig, und niemand weiß so recht, wo er dann sein Kreuz machen soll, wenn er etwa die Glühbirne retten will.
Wickert: Die Glühbirne ist genauso wieder so eine Geschichte. Auf der einen Seite wirft man der Europäischen Union vor, sie sei nicht grün genug, auf der anderen Seite trifft sie eine Umweltentscheidung, nämlich die Glühbirne ist in der heutigen Form einfach altmodisch, verbraucht viel zu viel Energie, also gibt es diese andere Birne, die soll nun durchgeführt werden. Da gibt es dann in Deutschland diejenigen, die sagen: Wir hängen doch an unserer alten Osram-Birne, die wollen wir bitteschön behalten. Da ist wirklich ein ganz, ganz großes Problem. Man hat nicht das Gefühl, wir entscheiden uns für etwas Wichtiges.
Für mich selbst ist zum Beispiel die Einführung des Euro eine der Großtaten der Geschichte. Wir würden heute die Finanzkrise überhaupt nicht gesund überleben - so gesund wie wir sie überleben können im Augenblick -, wenn es den Euro nicht gäbe. Es wäre ganz fürchterlich für Europa; und das muss man doch anerkennen. Ich darf nicht in Kleinigkeiten mich verzetteln.
Heinlein: Haben sich, Herr Wickert, die Menschen einfach in Europa daran gewöhnt, dass es eben diesen Euro gibt, dass es keine Grenzkontrollen mehr gibt und man überall in Europa leben und arbeiten kann, und deshalb weckt Europa und diese Europawahl keine Emotionen mehr?
Wickert: Ja. Es fehlt aber der direkte Bezug, und ich komme noch mal zurück auf die Politiker. Ich glaube, dass die Politiker mit daran schuld sind. Als der Maastricht-Vertrag, der ja nun gescheitert ist an Frankreich und an Irland, in Deutschland im Bundestag zur Abstimmung stand, hat die Sendung "Panorama" eine Umfrage gemacht am Tag selbst der Abstimmung und ist zu den außenpolitischen Sprechern der großen Parteien gegangen und hat gesagt, ist da eigentlich das Recht auf Referendum drin, und all die außenpolitischen Sprecher der großen Parteien wussten nicht, was in diesem Vertrag an wichtigen Dingen drinstand. Das ist ja eine Blamage! Wie soll denn dann das Volk sich dafür interessieren? - Ich habe immer wieder gedacht, wahrscheinlich wäre es sehr viel besser, wenn wir zumindest bei der Europawahl eine Direktwahl hätten. Ja, das sind riesengroße Wahlkreise, weil wir in Deutschland ja nur 99 Abgeordnete stellen. Aber die Abgeordneten würden zum Volk gehen und mit dem Volk reden.
Heinlein: Fehlt es auch, wie Sie sagen, an europäischen Köpfen? Sie kennen den Spruch: Hast du einen Opa, dann schicke ihn nach Europa.
Wickert: Sicherlich hängt das auch damit zusammen, und da gehe ich auch wieder zurück auf Umfragen. Die bekannteste Kandidatin und Europaabgeordnete im Augenblick ist die von der FDP, aber sie ist es nicht, weil sie vielleicht irgendwas Schlaues gesagt hat. Nach dem, was die FAZ recherchiert hat, ist es diejenige, die am allerwenigsten tut.
Heinlein: Silvana Koch-Mehrin von der FDP meinen Sie?
Wickert: Ja. Und warum ist sie so bekannt geworden? - Weil sie sich im "Stern" mit nacktem Bauch als Schwangere hat fotografieren lassen. Das ist natürlich ein Armutszeugnis.
Heinlein: Aber das weckt vielleicht Emotionen?
Wickert: Das weckt Emotionen, klar, und dann kennt man die und sagt, ach die Blonde da, die mit dem dicken Babybauch.
Heinlein: Aber Schulz, Pöttering sind seit Jahrzehnten oder seit Jahren im Parlament und niemand kennt sie auf der Straße.
Wickert: Ja, gut. Das ist natürlich auch schade, weil das zwei Politiker sind, die sehr engagiert sind und sehr arbeiten. Aber wir müssen wahrscheinlich wieder auf zwei Dinge zurückkommen: Erstens, dass die Europäische Union, das Europäische Parlament auch von den Politikern in der Bevölkerung ernst genommen wird, gegenüber der Bevölkerung ernst genommen wird. Da haben wir nun Herrn Stoiber als den Anti-Bürokratie-Beauftragten bei der Europäischen Union sitzen. Ich weiß nicht, haben Sie schon mal gehört, was der macht? Hat der schon irgendetwas Bürokratisches abgeschafft?
Heinlein: Wir wollten ihn fragen, er hat nie geantwortet.
Wickert: Wahrscheinlich ist da nichts passiert, und das sind die Dinge. Es wäre doch ganz spannend, wenn der mal sagen würde, ich habe das und das und das verändert. Dann würden wir einen Bezug dazu bekommen. Ich glaube, da liegt es, dass die Ernsthaftigkeit von den Politikern uns auch nicht vermittelt wird. Wenn Sie sich die Wahlplakate jetzt angucken, auf manchen Wahlplakaten ist Frau Merkel drauf zu sehen. Frau Merkel wird gar nicht gewählt, man kann die gar nicht wählen. Das heißt, es wird dann wieder reduziert auf Innenpolitik, dann steht der Bundestagswahlkampf voran, aber Innenpolitik ist es auch in London. Das haben wir jetzt gestern bei den Wahlen gesehen. In all den Ländern, in Holland auch natürlich, wo die Leute sagen, da wische ich mal meiner Regierung einen aus oder belohne ich die. Das sehen Sie in Frankreich. Ich war gerade ein paar Tage in Frankreich und habe dort den Europawahlkampf mir angeguckt. Dort engagieren sich die Medien sehr viel stärker übrigens. Bei uns hat das ja eigentlich erst so seit fünf, sechs, sieben, acht Tagen angefangen, dass es in den Medien sehr viel stärker vorhanden ist. Aber trotzdem wird die Wahlbeteiligung auch dort nicht größer sein.
Heinlein: Sie haben die Wahlplakate angesprochen, Angela Merkel für die CDU und auch ansonsten viele innenpolitische Aspekte, die bei dieser Wahl eine Rolle spielen. Ist das für die Parteien tatsächlich nur eine Art Aufwärmübung für das, was dann im September stattfinden wird?
Wickert: Diesen Eindruck habe ich, denn man vergleicht ja immer wieder diese Wahl mit der letzten Wahl, und auch die letzte Wahl ist ja ganz stark geprägt worden durch damals Schröders Agenda 2010. Deswegen ist die SPD damals unglaublich abgestürzt. Und jetzt sagt man sich, okay, jetzt wollen wir mal gucken, wie wir hier rauskommen. Die CDU wird ein bisschen verlieren, die SPD wird ein bisschen gewinnen, die FDP kriegt vielleicht auch ein bisschen mehr, also was bedeutet das dann für uns für den September.
Heinlein: Ulrich Wickert heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und ich wünsche Ihnen einen geruhsamen Tag.
Wickert: Danke Ihnen!