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"Die politische Verantwortung trägt natürlich der Minister"

Auch wenn Thomas de Maizière die Verantwortung für das Drohnendebakel trage, könne er diese ebenfalls von den Staatssekretären einfordern, findet Hartmut Bagger, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr. Darüber hinaus fehle dem Minister der sogenannte Planungsstab als Kontroll- und Alarminstrument.

Hartmut Bagger im Gespräch mit Christine Heuer |
    Christiane Kaess: Nach der Befragung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière von der CDU im Drohnen-Untersuchungsausschuss des Bundestages gestern hat die SPD ihre Rücktrittsforderung bekräftigt: Der Minister hat von den Problemen mit der Drohne viel früher gewusst, als er öffentlich gesagt hat, das sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Vermerke aus dem Verteidigungsministerium belegten ihrer Meinung nach, dass de Maizière mehrfach über Zulassungs- und Kostenprobleme informiert wurde und letztendlich darüber gelogen habe.

    Die schwarz-gelbe Regierungskoalition sieht das ganz anders. Meine Kollegin Christine Heuer hat gestern Abend mit Hartmut Bagger gesprochen, er ist ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr. Nachdem Thomas de Maizière gestern im Untersuchungsausschuss zur Drohnenaffäre die Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen hat, ist der Fall damit erledigt, das hat sie ihn zuerst gefragt.

    Hartmut Bagger: Nein, das glaube ich nicht. Man darf nicht vergessen, dass wir Wahlkampf haben, und da werden solche Dinge natürlich ausgeschlachtet, solange es geht.

    Christine Heuer: Und in der Sache, hat er Sie überzeugt?

    Bagger: In der Sache hat er mich durchaus überzeugt, obwohl ich im Detail das nicht mehr überschauen kann. Aber ich denke, er hat durch das Stoppen dieses Vorhabens zunächst mal Geld gespart, auch wenn bereits viel Geld ausgegeben worden ist. Das hat er ja auch selbst gesagt.

    Heuer: Und er hat heute auch gesagt, die Staatssekretäre in seinem Ministerium, die hätten richtig und allein gehandelt. Wäre das nicht eher die Aufgabe eines Ministers?

    Bagger: Nein, dazu hat man Staatssekretäre. Und man hat heute zwei, im Gegensatz zu früher, weil einer das gar nicht mehr schafft. Ich meine, die Staatssekretäre, die beamteten Staatssekretäre, sind die leitenden Beamten, sie gehören zur Leitung, sie sind die unmittelbaren Vertreter des Ministers, und von ihrer Fachkompetenz her und von ihrer Zuständigkeit auch verantwortlich für bestimmte Bereiche. Das kann der Minister gar nicht im Einzelnen übersehen. Dazu hat er die Staatssekretäre, sonst bräuchte er sie nicht.

    Heuer: Herr Bagger, heißt das, die Staatssekretäre tragen die politische Verantwortung für das Debakel, die Informationspolitik auch?

    Bagger: Nein, die politische Verantwortung trägt natürlich der Minister, das ist keine Frage. Aber die Staatssekretäre tragen gegenüber dem Minister Verantwortung. Und die kann er auch einfordern und kann er auch einklagen. Ich persönlich sehe den Fehler an einer anderen Stelle, der ist bisher nie erwähnt worden: Es gab früher den sogenannten Planungsstab, dieser Planungsstab war im Grunde ein Kontroll- und Alarminstrument des Ministers.

    Der Planungsstab war nicht besonders beliebt im Ministerium, und der Leiter dieses Planungsstabes schon gar nicht, weil er eben an allen anderen Instanzen – auch an den Staatssekretären – vorbei zum Minister gehen konnte und sagen konnte: Achtung, hier geht eine rote Lampe an, es herrscht Gefahr.

    Heuer: Und den gibt es nicht mehr, den Planungsstab?

    Bagger: Den Planungsstab gibt es leider nicht mehr. Ich kenne die Gründe nicht …

    Heuer: Wer hat ihn denn abgeschafft?

    Bagger: Der Minister hat ihn abgeschafft.

    Heuer: Thomas de Maizière?

    Bagger: Im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr hat man unter anderem den Planungsstab abgeschafft.

    Heuer: Lassen Sie uns noch mal über den Euro Hawk sprechen: Die Zulassungsprobleme dieser Drohne, die sind ja seit Jahren bekannt. Hätte man das Projekt nicht viel früher stoppen müssen?

    Bagger: Das weiß ich nicht, ich kann das nicht beurteilen. Ich wundere mich darüber, dass dieses Thema nicht früher auf den Tisch gekommen ist, und zwar so, dass es auch der Minister erfahren hätte. Es gibt im Verteidigungsministerium ein ganz wichtiges Instrument, das sind die sogenannten Leitungsgespräche – Sie können das auch Abteilungsleiterrunde nennen. Unter Leitung des Ministers kommen regelmäßig alle Hauptabteilungsleiter zusammen in Anwesenheit der Staatssekretäre, und dort werden alle problematischen Dinge besprochen.

    Heuer: Also da gab es auch Schwierigkeiten in der Kommunikation auch auf dieser Ebene im Ministerium?

    Bagger: Davon muss man ausgehen. Ich befürchte das zumindest, sonst hätte das eigentlich irgendwann den Minister erreichen müssen.

    Heuer: Einer Ihrer Amtsnachfolger im Amt des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Volker Wieker, der beklagt eine empfindliche Sicherheitslücke, die entstanden ist durch das Aus für den Euro Hawk. Wie füllt man eine solche Lücke denn möglichst schnell?

    Bagger: Solange wir nicht selbst über derartige Drohnen verfügen, müssen wir sie bei irgendjemandem mieten, entweder bei den Israelis, wie wir das im Augenblick meines Wissens tun, oder aber bei den Amerikanern oder anderen.

    Heuer: Aber wenn wir Drohnen mieten können, brauchen wir dann überhaupt eine deutsche Aufklärungsdrohne?

    Bagger: Ich denke schon, langfristig kann man sich nicht von anderen abhängig machen, zumindest nicht, wenn man eine Größenordnung hat wie die Bundesrepublik, die davon ausgehen muss, dass sie auch politische und militärische Verantwortung in solchen Fällen in Zukunft übernehmen muss. Und dann können wir nicht jedes Mal zu irgendjemand gehen, anklopfen und sagen, können wir bei euch mal eine Drohne mieten oder drei oder vier oder fünf.

    Also ich denke schon, dass wir selbst darüber verfügen müssen – wir kommen überhaupt nicht darum herum. Das ist ein modernes Kriegsführungsmittel, auf das wir in Zukunft nicht mehr verzichten können.

    Kaess: Sagt Hartmut Bagger, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr. Und die Fragen stellte meine Kollegin Christine Heuer.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.