Donnerstag, 02. Mai 2024

28. Dezember 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden unter anderem die von der Ampelkoalition genehmigten Rüstungsexporte. Weiteres Thema ist der bundesweite Streik der Haus- und Fachärzte. Doch zunächst widmen sich die Zeitungen dem verstorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble.

28.12.2023
Wolfgang Schäuble (CDU), spricht bei der Festveranstaltung aus Anlass seiner 50 Jährigen Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag.
Viele Zeitungen äußern sich zum Tod des CDU-Politikers Wolfgang Schäuble (Archivbild). (picture alliance/dpa/Michael Kappeler)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt: "Demokratien brauchen Politiker, die ihre Institutionen verkörpern. Schäuble war gerade deshalb, nicht nur wegen seiner langen Zeit als Bundestagsabgeordneter und nicht nur wegen seiner tragischen Verletzlichkeit nach einem Attentat, ein Phänomen. Er konnte wie kaum ein anderer beides verbinden: Welches Amt ihm auch übertragen wurde, man wusste, dass er daraus kein Schaustück zur Profilierung machen würde, sondern hinter Größe und Zweck seiner Aufgabe im Sinne der Verfassungstraditionen zurücktreten würde. Das allerdings nicht ohne den Ehrgeiz, brillieren zu wollen. Der Bundestag war Anfang und Ende der Karriere des CDU-Politikers. Dient es vielen Politikern gern als Sprungbrett für die Exekutive, blieb das Parlament für Schäuble die Herzkammer der Demokratie", notiert die F.A.Z.
"Ein Statiker der Macht war er, was zu seinem Ehrentitel 'Architekt der Einheit' passt", lesen wir im Berliner TAGESSPIEGEL: "Die erste Lehre aus seinem Wirken lautet deshalb, stets darauf zu achten, dass das Kräfteparallelogramm der Politik austariert ist. Was nach innen wie nach außen gilt, in der Partei, in der Innenpolitik, der Außenpolitik, besonders in Europa. Wer etwas von den anderen will, Parteifreunden, Koalitionären, Staaten, muss zu geben bereit sein. Kompromisse sind von Wert. Die Mitte, das war sein Lebensthema. Die CDU, Nachfahrin der Zentrumspartei früherer Zeiten, sollte immer das sein: Zentrum, nicht Rand. Wer heute zum Beispiel seine Reformrede auf dem CDU-Bundesparteitag in Berlin 1993 nachliest, wird erstaunt sein, wie aktuell sie klingt, von der Finanz- über die Sozial- bis hin zur Sicherheitspolitik im Zusammenspiel mit den Verbündeten. Mut zu Zumutungen – und dann kann man die Menschen in der Mitte gewinnen, wenn man ihnen das Notwendige nur gut genug erklärt", erläutert der TAGESSPIEGEL.
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz stellt fest: "Ein Politiker, der es allen recht machen wollte, war Schäuble nie. Am Rednerpult im Bundestag konnte er polemisch und verletzend sein - auch deshalb war er ein blendender Oppositionsführer. In seinen späten Jahren betonte Schäuble dann eher das Verbindende der Demokraten, als Bundestagspräsident setzte er den Ton für den Umgang mit den Abgeordneten der AfD. Mit einer eher leisen Rede hatte Schäuble 1991 bewiesen, was Worte bewirken können: Als es um die Frage ging, ob der Sitz des Bundestags von Bonn nach Berlin verlegt werden soll, war er es, der mit seinem Debattenbeitrag das Blatt zugunsten Berlins wendete. Als Verhandler agierte Schäuble hartnäckig bis unerbittlich - und damit meist höchst erfolgreich. Der Vertrag zur deutschen Einheit bleibt sein Meisterstück und Vermächtnis", betont die ALLGEMEINE ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG nennt Schäuble einen Staatsdiener im Wortsinn, einen Demokraten, der... "...sein Talent nicht nur in Taten, sondern immer wieder in glänzender Rhetorik bewies. Schäuble war nicht auf Sympathien aus, konnte poltern, war kein zurückhaltender Mensch. Aber er hielt sich an die Prinzipien, die für jeden Abgeordneten Richtschnur sein sollten: Loyalität, Respekt und Pflichtbewusstsein, geprägt vom starken Bewusstsein für die Würde des Parlaments und der Demokratie. Eben deswegen galt er vielen als Autorität", argumentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Gerade das, was nach persönlichen und beruflichen Rückschlägen folgte, machte den Menschen und Politiker Wolfgang Schäuble so herausragend, unterstreicht der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Nach dem Attentat und der folgenden Querschnittslähmung ließ er sich nicht hängen und kämpfte sich zurück. Ein Vorbild an Kampfgeist und Durchhaltewillen. Nicht ohne Dankbarkeit und Demut. Wenn andere in einer ähnlichen Situation das nicht geschafft hätten, liege das vielleicht auch daran, dass er sich in einer privilegierten Situation befinde und besonders gute Freunde habe, sagte er. Hochachtung, Wolfgang Schäuble."
Themenwechsel. Die TAGESZEITUNG äußert sich zur Ampelkoalition, die in diesem Jahr so viele Waffenausfuhren wie noch nie genehmigt habe: "Wirklich freuen kann sich darüber wohl nur die hiesige Rüstungsindustrie. Ansonsten ist der Rekord zwar ein außenpolitischer Offenbarungseid der Bundesregierung – aber in Anbetracht der 'Zeitenwende', Russlands Krieg gegen die Ukraine, absolut notwendig. Leider. Mehr als ein Drittel der genehmigten Ausfuhren ging an die Ukraine. Und möglicherweise müssen Berlin und Europa im kommenden Jahr sogar noch eine Schippe drauflegen, falls die USA sich wegen innenpolitischer Scharmützel zwischen Demokraten und Republikanern weiter als Sheriff der Weltpolitik zurückziehen", vermutet die TAZ.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz rechnet vor: "Insgesamt handelte es sich um Exporte im Wert von mehr als 11,7 Milliarden Euro. Mehr als 4 Milliarden Euro davon gingen an die Ukraine – das ist rund ein Drittel. Ohnehin betrafen 90 Prozent des Gesamtwerts Exporte an Staaten, mit denen Deutschland auch sonst zusammenarbeitet. Mitglieder der EU oder der NATO, Länder wie Japan oder Australien, die der NATO gleichgestellt gelten - und eben die Ukraine. Es ist somit logisch, dass die Rüstungsexporte aktuell auf einem Höchststand liegen. Auch wenn es kein gutes Zeichen ist, sondern Ausdruck einer herausfordernden Welt", unterstreicht die FREIE PRESSE.
Die deutschen Rüstungslieferungen dürften noch zunehmen, erwartet die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Denn wenn Russland die Ukraine unter seine Kontrolle bringt, dann grenzt das russische Einflussgebiet noch umfassender an NATO-Territorium. Zugleich könnten sich die USA im Zuge einer Wiederwahl Donald Trumps aus Europa zurückziehen. Der alte Kontinent müsste für seine Sicherheit selbst sorgen. Dagegen hilft keine diffuse Friedenssehnsucht. Hinter wenngleich geringfügige Rüstungslieferungen auf die arabische Halbinsel muss man hingegen große Fragezeichen setzen. Es mag in Staaten wie Saudi-Arabien und Katar Fortschritte in Richtung Liberalisierung geben. Gleichwohl können sie nicht unsere Verbündeten sein, so wie eigentlich auch die Türkei nicht unser Verbündeter sein kann. Es kann auch nicht die Devise gelten: Die Feinde unserer Feinde sind unsere Freunde", gibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU zu bedenken.
Nun noch Stimmen zu den Haus- und Fachärzten, die aus Protest gegen die Gesundheitspolitik des Bundes aufgerufen wurden, ihre Praxen zwischen den Jahren geschlossen zu halten. Die WIRTSCHAFTSWOCHE stellt fest: "Damit trifft die Wut der Ärzteschaft vor allem die Älteren und die Schwachen, die krank und auf ärztliche Hilfe angewiesen sind. Dass gegen die Gesundheitspolitik protestiert wird, ist verständlich. Denn der bürokratische Aufwand und die Suche nach Mitarbeitenden erschweren den Alltag der Ärzte – ebenso wie in vielen anderen Betrieben. Wir alle sind auf Ärztinnen, Pflegekräfte und Arzthelfer angewiesen. Früher oder später braucht jeder mal medizinische Hilfe oder Pflege. Doch der Protestzeitpunkt kurz nach den Weihnachtsfeiertagen ist denkbar ungünstig", findet die WIRTSCHAFTSWOCHE.
Für Bundesgesundheitsminister Lauterbach werde es gerade zur Gewohnheit, analysiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, dass... "...sich kaum jemand um seine Appelle schert. So war es zuletzt mit der Warnung, wegen Corona wieder Masken zu tragen und Weihnachtsfeiern zu meiden. Und nun ignorieren die Hausärzte seinen Aufruf, bitte nicht mitten in der Erkältungszeit zu streiken. Zumindest daran ist Karl Lauterbach nicht ganz unschuldig. Seine Vorliebe sind die großen Projekte. Nach dem Ende der Pandemie ist das vor allem die geplante Krankenhausreform – die tatsächlich ein Meilenstein wäre, wenn sie denn gelingt. Weniger Bereitschaft hat er erkennen lassen, sich mit den alltäglichen Sorgen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu befassen", wendet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zum Ende der Presseschau ein.