Samstag, 27. April 2024

28. März 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird der Gesetzentwurf für Änderungen bei Zeitverträgen in der Wissenschaft. Zunächst geht es aber um die Konjunkturprognose der führenden Forschungsinstitute. Statt um 1,3 Prozent, wie noch im Herbst angenommen, wird die deutsche Wirtschaft 2024 demnach nur noch um 0,1 Prozent wachsen.

28.03.2024
Von links nach rechts stehen die Wirtschaftsforscher Timm Bönke, Klaus-Jürgen Gern, Oliver Holtemöller, Stefan Kooths, Torsten Schmidt sowie Timo Wollmershäuser und präsentieren ihre Gemeinschaftsdiagnose.
Die führenden Forschungsinstitute haben ihre aktualisierte Prognose für die deutsche Wirtschaft vorgestellt. Sie rechnen nur noch mit einem marginalen Wirtschaftswachstum um 0,1 Prozent. (picture alliance / Metodi Popow / M. Popow)
"Die erschreckend niedrige Zahl sieht schlimmer aus, als sie ist", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Dahinter steht die Erwartung, dass die Konjunktur im Laufe des Jahres moderat Schwung gewinnen und das wirtschaftlich dunkle Winterhalbjahr hinter sich lassen wird. Die konjunkturelle Tonlage ändere sich von Moll auf Dur, heißt es von den Instituten. Man wird sehen. Einiges spricht für eine leicht aufgehellte konjunkturelle Grundstimmung. Doch die Skepsis bleibt, ob die Verbraucher trotz höherer Löhne tatsächlich schon bereit sind, den Inflationsschock hinter sich zu lassen und wieder mehr zu konsumieren", schreibt die F.A.Z.
"Hausgemachte Probleme", titelt die Zeitung ND DER TAG aus Berlin und bezieht sich dabei auf die Schuldenbremse. "Fairerweise muss man dazusagen, dass die Schuldenbremse nicht nur auf dem Mist der aktuellen Bundesregierung gewachsen ist. Aber dass die Ampel-Koalition sich nicht aktiv für eine weitgehende Reform der Verfassungsregelung einsetzt, grenzt schon an grobe Fahrlässigkeit. Denn stattdessen werden notwendige Investitionen gar nicht oder über dubiose Schattenhaushalte abgewickelt, mit denen wesentliche Grundprinzipien des parlamentarischen Haushaltsrechts außer Kraft gesetzt werden. Die fallen einem dann wie im Fall des Klimatransformationsfonds verfassungsrechtlich auf die Füße und sorgen für weitere ökonomische Verwerfungen", moniert ND DER TAG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER analysiert, dass Deutschland unter schwerwiegenden strukturellen Problemen leide. "Ohne ein grundsätzliches Umsteuern wird die Ökonomie nicht zu alter Stärke zurückfinden. Dazu gehören ein paar unbequeme Wahrheiten. So ist die Produktivität der Industrie deutlich geringer, als es die Ökonomen im vergangenen Jahr noch angenommen hatten. Insbesondere die sogenannten energieintensiven Branchen schwächeln. Ihre Ergebnisse liegen 20 Prozent unter Vorkriegsniveau. Das ist umso alarmierender, da sich die globale Konjunktur gerade erholt. Die Nachfrage nach Made in Germany aber ist gesunken", stellt der KÖLNER STADT-ANZEIGER fest.
"Hilfreich wäre da, wenn sich die Bundesregierung endlich auf eine strategisch ausgerichtete Wirtschafts- und Finanzpolitik einigen könnte", findet die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle. "Deutschland braucht passende Rahmenbedingungen für Firmenansiedlungen, wie eine verlässliche Infrastruktur und bezahlbare Energie. Unstrukturierte Subventionen dagegen sind nicht nachhaltig. Auch die Bürger sind verunsichert. Immer neue Fördertöpfe, die sich zu schnell leeren, sind wenig zielführend. In Verbindung mit einer unsicheren weltpolitischen Lage sparen die Bürger verständlicherweise mehr – dieses Geld fehlt der Wirtschaft", notiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
"Ein Wachstumspaket der Ampel sollte bei den strukturellen Veränderungen anfangen", fordert die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz. "Wenn dann im zweiten Schritt zur Abfederung von Reformen mehr Geld benötigt wird, weisen die Institute wie auch die Bundesbank den Weg für die behutsame Reform der Schuldenbremse: Nach einer Notlage, in der die Schuldenbremse für ein Jahr ausgesetzt wurde, sollte es eine dreijährige Übergangsphase geben, um den abrupten Abbau der Neuverschuldung von einem Jahr auf das andere zu vermeiden."
Mit einer Gesetzesreform will die Bundesregierung die Arbeitsbedingungen für junge Forschende verbessern. "Das Problem ist lange bekannt", unterstreicht die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg. "Wer als junger Wissenschaftler an der Universität arbeiten möchte, muss sich oft von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Mit der bitteren Konsequenz, dass eine echte Lebens- und Familienplanung kaum möglich ist. Durch das Gesetz, das vom Bundeskabinett jetzt auf den Weg gebracht worden ist, lösen sich nicht alle Probleme in Luft auf. Aber es gibt objektive Verbesserungen. Die Politik muss eine Frage im Auge behalten: Kann sie für die Wissenschaft die Besten gewinnen? Fachkräftemangel bedeutet: Junge Menschen können auch woanders Karriere machen", kommentiert die BADISCHE ZEITUNG.
"Was würde wohl passieren, wenn angehende Doktoranden ihre zurückgewiesene Arbeit nach ein paar Monaten kaum verändert erneut vorlegen?", fragt sich die FRANKFURTER RUNDSCHAU. "Das hat das Bildungsministerium mit dem Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz gemacht, das es im Juni nach vernichtender Kritik zurückgezogen hatte. Doch Ministerin Stark-Watzinger nutzte die Zeit nicht, sondern erfüllt erneut die Versprechen des Koalitionsvertrages nicht. Das verdient die Note erstaunlich. Nun müssen andere wie etwa der Bundestag oder der Bundesrat nachbessern, damit die Rahmenbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs spürbar besser werden. Es darf nicht mehr sein, dass Universitäten befristete Stellen halbieren, um so Wissenschaftler maximal auszubeuten, ohne ihnen eine Perspektive zu bieten. Wenn die Hochschulen mit ihren hehren Bildungsansprüchen nicht in der Lage sind, dies freiwillig zu tun, darf die Politik sich nicht wegducken", warnt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG konstatiert, dass im Ausland die Bedingungen oftmals besser seien und Löhne nicht selten höher. "Zehntausende Forscher haben Deutschland in den vergangenen Jahren deshalb insbesondere Richtung USA, Großbritannien oder Schweiz verlassen. Doch die Wirtschaft braucht diese klugen Köpfe mehr denn je. Hochschulen sorgen für Grundlagenforschung, aus denen die Privatwirtschaft dann, auch in Kooperationen mit Unis, innovative Produkte entwickelt. Die Patentanmeldungen und die Innovationskraft deutscher Unternehmen sinken aber seit Jahren kontinuierlich. Deshalb muss die von der Ampel geplante Reform jetzt sitzen – sonst sind von den klügsten deutschen Köpfen bald nicht mehr viele da", befürchtet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Wenn der Gesetzentwurf in den Bundestag kommt, dürfte noch einmal ordentlich gestritten werden", prognostiziert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Dass die Reform enttäuscht, liegt nicht nur daran, dass sie Schwachstellen hat, sondern auch daran, dass die Erwartungen überzogen sind. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt nun einmal Zeitverträge in der Wissenschaft, es schafft keine unbefristeten Stellen. Um die anbieten zu können, bräuchten die Hochschulen Geld. Auch das hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, man wolle darauf hinwirken, dass in der Wissenschaft Dauerstellen für Daueraufgaben geschaffen werden. Ein wirkliches Konzept dafür bleibt die Regierung schuldig", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Zuletzt ein Kommentar zum Wikileaks-Gründer Assange, der vorerst nicht von Großbritannien an die USA ausgeliefert werden darf. Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg kritisiert: "Ursprünglich wegen Vergewaltigung verfolgt, soll es ihm jetzt wegen Spionage an den Kragen gehen. Das ist ein Vorgehen, wie man es vielleicht in Russland erwartet, aber nicht in einer gefestigten Demokratie. Dass Washington den - Zitat - 'Verräter' unbedingt vor Gericht stellen will, ist die eine Seite dieses Falles von Justizwillkür. Dass ihn die britische Justiz einfach nicht freilässt und dabei auf Zeit spielt, steht auf einem anderen Blatt. Im Falle seiner Auslieferung drohen Assange 175 Jahre Haft. Das ist unverhältnismäßig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Täter, deren Verbrechen er auf seiner Homepage Wikileaks dokumentierte, bis heute nicht bestraft wurden – obwohl sie Menschen eiskalt ermordet haben. Verdrehte Welt. Und ein Armutszeugnis für die britische Justiz. Zu Assanges Freilassung gibt es keine glaubwürdige Alternative." Mit diesem Kommentar aus der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG endet die Presseschau.