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"Die Quote ist ein großer Eingriff in Eigentumsrechte der Unternehmen"

Es sei in bestimmten Bereichen - etwa dem Maschinenbau - schwierig, genügend qualifizierte Frauen für den Vorstand oder den Aufsichtsrat zu finden, sagt Michael Fuchs (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Er halte das nicht für richtig, dass die Politik sich hier einmischt.

Michael Fuchs im Gespräch mit Gerd Breker | 16.04.2013
    Gerd Breker: Für die einen ist es ein fauler Kompromiss: eine Frauenquote im Unions-Wahlprogramm gegen eine Frauenquote im Gesetz. Für die anderen ist es der Königsweg, eine Abstimmungsniederlage der Regierung im Bundestag zu vermeiden. So jubelt Michael Große-Brömer schon, die Unions-Fraktion werde nach seiner Einschätzung als Fraktionsgeschäftsführer den Bundesratsantrag auf Einführung einer festen Frauenquote in Aufsichtsräten ab 2018 geschlossen ablehnen. Am Nachmittag aber wird es erst einmal in der Unions-Fraktion eine Probeabstimmung geben. Wir werden sehen, ob der Jubel dann noch anhält.
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    - Am Telefon sind wir nun verbunden mit Michael Fuchs, er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und vom Wirtschaftsflügel seiner Partei. Guten Tag, Herr Fuchs.

    Michael Fuchs: Guten Tag!

    Breker: Ein Quotengesetz wird wahrscheinlich verhindert. Fühlen Sie sich als Sieger?

    Fuchs: Nein, ein Quotengesetz wird ja nicht verhindert. Wir werden die Quote zum 1. Januar 2020 einführen. Und davon bin ich nicht überzeugt und ich halte es auch nicht für richtig.

    Breker: Das steht im Wahlprogramm, Sie halten es nicht für richtig. Wie wollen Sie das wieder raus kriegen?

    Fuchs: Das ist eine Frage. Wir werden im Wahlprogramm es hineinschreiben. Und dann muss man sehen, wie sich die Koalitionen aufstellen, denn wir sind ja noch nicht wiedergewählt. Da warten wir mal ab. Es ist noch ein bisschen zu früh, darüber nachzudenken, was nach der Wahl passiert. Da hat der Wähler das Wort.

    Breker: Sie hoffen auf die FDP und Sie sind den Freien Demokraten bis hierhin auch dankbar?

    Fuchs: Ich habe nicht das Gefühl, dass wir mit der Quote einen richtigen Schritt gehen. Ich bin der Meinung, die Quote ist ein großer Eingriff in Eigentumsrechte der Unternehmen beziehungsweise der Inhaber von Unternehmen. Es ist die Aufgabe von Unternehmen und es ist die Aufgabe von Aktionären zu bestimmen, wer erstens Vorstand wird und zweitens Aufsichtsrat wird. Und nicht die Aufgabe der Politik. Und deswegen bin ich persönlich gegen diesen Eingriff in Eigentumsrechte.

    Breker: Herr Fuchs, wenn es denn ein Eingriff in die Eigentumsrechte wäre, wäre dann nicht eine Verfassungsklage angebracht?

    Fuchs: Ich denke, dass die von selbst kommen wird. Das wird nicht ewig dauern, bis das erste Unternehmen klagt, denn es geht ja nicht darum, dass man Frauen verhindern will. Im Gegenteil. Schon allein aufgrund der Demographie bietet es sich an oder wird es zwingend sein, dass mehr Frauen in Unternehmen in die Führungsspitze hineinkommen. Aber man muss sie auch finden. Was macht denn ein Unternehmen, wenn es nun wirklich ernsthaft sucht und keine Frauen findet? Sollen wir die dafür bestrafen? Oder wie soll das Ganze funktionieren? Ich halte das nicht für richtig, dass die Politik sich hier einmischt.

    Breker: Sie sagen, was hilft eine gesetzliche Quote, wenn die qualifizierten Frauen fehlen. Fehlen die denn wirklich?

    Fuchs: Ich weiß, dass es schwierig ist, zumindest in der jetzigen Zeit diese Frauen zu finden. In der Alterskohorte, die so über 55 ist, gibt es kaum oder wenig Frauen in Führungspositionen. Das wird sich ändern. Das wird auch ganz sicher relativ kurzfristig sich ändern, weil die Unternehmen alle begriffen haben, dass sie diese Frauen und gut qualifizierte Frauen in Führungspositionen brauchen werden, weil sie gar nicht so viele Männer bekommen können. Also das wird sich auswachsen, sage ich mal. Das wird eine Zeit lang noch dauern, aber bitte: Warum lassen wir nicht die Situation so, wie sie ist? Die Unternehmen suchen ja. Es gibt ja auch schon eine ganze Reihe Unternehmen, wo Frauen in Führungspositionen, auch in Aufsichtsräten sind. Aber es gibt auch Beispiele, zum Beispiel im Maschinenbau, wo wenig Ingenieurinnen da sind, wo das natürlich nicht so einfach ist, Frauen dann zu finden, die in die Aufsichtsräte gehen können.

    Breker: Teilen Sie damit möglicherweise den Optimismus, den die Ministerin Kristina Schröder hat, denn sie meint, dass die 30 Prozent 2020 überhaupt kein Thema mehr seien, weil die Betriebe das selbst, die Unternehmen das selbst eingeführt haben werden. Dann wird es 30 Prozent Frauen in Führungspositionen geben. Diese Überzeugung teilen Sie?

    Fuchs: Ich halte es für durchaus denkbar, dass das so sein wird. Es wird sicher sogar Unternehmen geben, wo es mehr Frauen gibt, Beispiel im Handel, im Dienstleistungsbereich, wo viel mehr Frauen auch heute schon in Führungspositionen sind und dementsprechend auch in die Aufsichtsräte aufrücken. Aber es wird halt eben auch Bereiche geben, wo es schwieriger ist, ich habe eben den Maschinenbau genannt, weil es gibt ja doch wesentlich mehr männliche Ingenieurstudenten beziehungsweise Ingenieure als Frauen. Und schon allein deswegen wird das da etwas schwieriger werden. Also ich denke, dass sich das von alleine regeln wird. Und deswegen finde ich es nicht richtig, dass die Politik hier eingreift.

    Breker: Fürchten Sie, dass es zur Einstellung von sogenannten Alibifrauen kommt. Dass man Frauen einfach einsetzt, ohne dass sie tatsächlich dafür auch was leisten müssen?

    Fuchs: Das wird nicht gehen. Sie müssen wissen, dass über Corporate-Governance-Regeln gerade der Aufsichtsrat heute wesentlich mehr Rechte, aber auch Pflichten hat. Das wird gefährlich. Man kann da nicht jemanden einstellen, der die Funktion nicht wahrnehmen kann, weil er die Qualifikation nicht hat. Das kann nicht der Fall sein und das darf auch nicht der Fall sein.

    Breker: Mit freiwilligen Lösungen kommen wir nicht voran, sagt Ursula von der Leyen, sagen auch andere Unions-Frauen aus der Frauenunion. Haben die alle Unrecht?

    Fuchs: Ich halte es für falsch, denn ich sehe, weil ich bin selber Unternehmer und habe lang genug ein Unternehmen geleitet. Ich sehe es, wie schwierig es ist, qualifizierte Frauen für diese Positionen zu finden. Das ist nicht wirklich eine triviale Geschichte und es ist nicht etwa Böswilligkeit von Unternehmen beziehungsweise von Aufsichtsräten, dass man keine Frau da reinlässt. Da wo es sie gibt, werden sie händeringend gesucht. Und es ist nicht wirklich einfach so, dass man sagen kann, man findet sie sofort. Ich kenne qualifizierte Frauen, die x-mal schon angefragt worden sind für Aufsichtsratstätigkeiten, aber die schon zwei, drei, vier Aufsichtsräte haben und nicht in der Lage sind, noch zusätzliche Aufsichtsräte anzunehmen.

    Breker: Dass es so wenig qualifizierte Frauen gibt, Herr Fuchs, liegt das vielleicht auch an den Unternehmen selber, die nicht dafür sorgen, dass sie mit flexibleren Arbeitszeiten, mit mehr Beweglichkeit in der Arbeitsorganisation Männlein und Weiblein vielleicht eher die Möglichkeit geben, sich zu engagieren für Familie und Beruf?

    Fuchs: Ich glaube, das hat sich gewaltig geändert. Da hat sich auch die Arbeitswelt geändert. Sehen Sie mal: Es gab vor etlichen Jahren – ich bin 64 Jahre – in meiner Heimatstadt keine einzige Kita. Mittlerweile gibt es fünf, sechs Kitas, das wird ausgebaut. Das wird für Frauen jetzt auch wesentlich einfacher, wenn die Kinder tagsüber vernünftig betreut werden, im Beruf zu bleiben oder wieder in den Beruf zurückzukehren. Das ist auch ein gesellschaftlicher Wandel, der dazugekommen ist, denn viele Frauen wollen eben heute weiter in ihrem Beruf bleiben. Das ist früher in meiner Altersgruppe so ausgeprägt nicht gewesen. Das verändert sich natürlich insoweit auch, als dann die Frauen in den Unternehmen jetzt in die Führungspositionen nachwachsen, wenn sie relativ kurzfristig nach der Geburt ihres Kindes wieder zurückkommen.

    Breker: Sind dann nicht die Unternehmen auch gefordert, etwa durch Betriebskindertagesstätten?

    Fuchs: Das passiert ja schon. Es ist ja schon ganz gewaltig ausgebaut worden in den letzten Jahren. In vielen großen Unternehmen ist das der Fall. Aber ein kleines Unternehmen kann das natürlich nicht, obwohl sich da auch schon Kooperationen bilden, um quasi dieses Kita-Problem über eine Kooperation zu lösen.

    Breker: Herr Fuchs, wenn es heute Nachmittag zur Probeabstimmung kommt, sind Sie sicher, dass der Kollege Große-Brömer jubeln wird?

    Fuchs: Ich denke, dass jede Frau in unserer Fraktion weiß, was wir zu tun haben. Es kann nicht sein, dass wir mit der Opposition stimmen. Herbert Wehner hat mal gesagt, als die CDU in der Opposition war, "und wenn die CDU das Godesberger Programm zur Abstimmung stellt, dann stimmen wir dagegen". Genauso wird das auch bei uns sein.

    Breker: Das heißt, die Fraktionsdisziplin überwiegt und die Sachdiskussion. Die ist nach Ihrer Ansicht auch innerhalb der Union noch zu führen, denn Sie wollen ja das wieder raus haben aus dem Wahlprogramm, dass es 2020 30 Prozent Quote geben muss?

    Fuchs: Der Bundesvorstand hat ja gestern diese Quote beschlossen und hat beschlossen, das ins Wahlprogramm aufzunehmen. Ich bin Demokrat genug, das, was die Partei beschlossen hat, dann auch mitzutragen.

    Breker: Und das können Sie auch Ihren Wählern deutlich machen?

    Fuchs: Ich persönlich halte nichts davon, das habe ich gerade, glaube ich, sehr deutlich erklärt. Warum nicht? Weil es vor allen Dingen ein Eingriff in Eigentumsrechte ist. Und das möchte ich nicht.

    Breker: Das heißt, in diesem Punkt werden Sie das Wahlprogramm nicht offensiv vertreten können?

    Fuchs: Es ist immer so, dass man in einer großen Volkspartei Kompromisse machen muss. Das habe ich auch getan und ich werde es mittragen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung von Michael Fuchs, er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und, wie wir gehört haben, vom Wirtschaftsflügel seiner Partei. Herr Fuchs, ich danke Ihnen für Ihre Meinung.

    Fuchs: Danke schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.