Köhler: Der 55-jährige Wiener Verfassungsrechtler Manfred Nowak ist UN-Sonderbotschafter für Folter. Er ist seit über zwölf Jahren UN-Experte für verschwundene Menschen und war von '96 bis 2003 Richter an der Menschenrechtskammer für Bosnien. Und er hat viele Jahre wissenschaftlich auch über Folter gearbeitet und ist ein entschiedener Gegner jeder Aufweichung des Folterverbots. Er hat eine sehr schwierige Aufgabe: Er spürt im Auftrag der Vereinten Nationen weltweit die Folterkammern auf. Ich habe ihn gefragt, ob ihn die Veröffentlichung neuer Bilder kürzlich über einen bekannten Vorgang im amerikanischen Gefangenenlager, dem kubanischen Guantánamo, überrascht hat.
Nowak: Nein, nicht wirklich. Sie war natürlich schon schockierend, aber das waren auch schon die ursprünglichen Bilder, die aus Abu Ghraib bekannt wurden. Haben mich nicht wirklich überrascht, aber natürlich bedrückt.
Köhler: Wenn ich es richtig weiß, hatten Sie bereits einmal die Erlaubnis, Lager zu besuchen, haben das aber aus gewichtigen Gründen ausgeschlagen?
Nowak: Ich hatte nie die Erlaubnis, Lager im Irak oder auch in Afghanistan zu besuchen, sondern von all den Lagern, die unter US-Autorität stehen, haben wir nur einmal, Ende Oktober 2005, eine Einladung bekommen, Guantánomo Bay-Haftanstalten oder "facilities" zu besuchen. Allerdings war das eine Einladung unter Bedingungen - wie Sie wissen machen wir diese Untersuchung über Guantánamo zu fünft und es sind nur drei von uns eingeladen worden und das nur für einen Tag, obwohl wir ausdrücklich gesagt haben, wir möchten mehrere Tage wirkliches fact finding in Guantanamo betreiben. Dennoch haben wir diese beiden Bedingungen ein bisschen zähneknirschend erfüllt und haben die Einladung angenommen und den 6. Dezember 2005 als Datum dieses Besuches festgelegt. Dann war aber noch ein Punkt, dass wir nur - und ich - nur dann die Einladung einer Regierung - ganz gleich, welcher Regierung der Welt - annehme für eine Fact-Finding-Mission, wenn die allgemein anerkannten, so genannten terms of reference des UN-fact-finding" auch wirklich anerkannt werden.
Köhler: Darunter fallen auch Gespräche mit Gefangenen?
Nowak: Und dazu gehört vor allem unangekündigte Besuche zu allen Haftanstalten und 4-Augengespräche, also private Gespräche, ohne jegliche Überwachung mit Häftlingen. Wenn das nicht garantiert wird, kann es kein objektives fact-finding geben. Und dann kann ich leider so eine Einladung nicht annehmen. Und wir haben das auch ganz deutlich gemacht und gesagt: Wir ersuchen die US-Regierung, uns ausdrückliche Zusicherungen zu geben, dass sie diese "terms of reference" einhalten werden. Nachdem sie das nicht gemacht haben, haben wir eine Deadline gesetzt. Und dann mussten wir leider, zu unserem wirklichen Bedauern, diesen Besuch absagen.
Köhler: Vom Vatikan bis zu den amerikanischen Militärs teilweise und dem EU-Parlament wird das ja mit Abscheu und Ekel quittiert, was jetzt neuerlich wieder zu sehen ist. Man fragt sich: Ignoriert die amerikanische Administration so bereitwillig jede Kritik? Also auch UN-Generalsekretär Kofi Annan fordert ja die Schließung. Gelten UN-Aufrufe nichts?
Nowak: Na ja, ich glaube, die Schließung von Guantánamo Bay wird noch nicht so lange gefordert. Unser Bericht ist die erste umfassende, unabhängige Untersuchung durch UNO-Sonderberichterstatter der Situation der Häftlinge in Guantánomo Bay. Und wir kommen zu der klaren Erkenntnis, dass die weitere Festhaltung der Personen - unabhängig davon, wie sie jetzt behandelt werden -, dass aber es an einer Rechtsgrundlage fehlt, diese Personen weiter anzuhalten, und dass die Rechtsauslegung der Vereinigten Staaten von Amerika falsch ist, das heißt dem Völkerrecht widerspricht.
Nein, so geht das nicht. Es sind die entsprechenden Verträge im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes, die die Vereinigten Staaten ratifiziert haben - und dazu gehört vor allem der "Pakt über bürgerliche und politische Rechte" und die "UNO-Konvention gegen Folter" -, sie sind sinnvoll anwendbar. Und es ist über jeden Zweifel erhaben, dass diese Haft eine willkürliche Haft ist. Weil, wenn ich eine Person festnehme, dann hat jede Person das Recht - das ist das alte Recht auf Habeas Corpus, das gerade eine angloamerikanische Tradition ist -, das Recht, dass ein unabhängiges Gericht darüber entscheidet, ob die Haft rechtmäßig ist oder nicht. Und wenn es nicht rechtmäßig ist, muss sie freigelassen werden. Ansonsten muss sie so schnell wie möglich vor ein Gericht gestellt werden, das dann über die Anschuldigungen gegen mich entscheidet. Wenn ich schuldig bin, soll ich auch verurteilt werden, dann weiß ich, zu wie vielen Jahren ich verurteilt bin. Und das kann auch in manchen Fällen, wenn das wirklich hochrangige El-Kaida-Mitglieder sind, auch lebenslange Haft sein. Da habe ich überhaupt nichts dagegen. Aber es muss von einem Gericht entschieden werden.
Köhler: Das heißt, diese, von den Amerikanern teilweise geduldeten Übergriffe verstoßen a) gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Ist das das, was im Wesentlichen Ihr Bericht beziehungsweise der Bericht der Sonderermittler, den Sie für die UN im März erarbeiten, enthalten wird?
Nowak: Ja. Der Bericht ist ja bereits öffentlich, der ist auf der Homepage oder Website des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte schon in englischer Sprache zugänglich. Er wird derzeit in die anderen UNO-Sprachen übersetzt. Und natürlich von uns dann persönlich - ich nehme an - Ende März auch der UNO-Menschenrechtskommission in Genf präsentiert werden. Aber es ist jetzt alles öffentlich zugänglich. Wir haben darin im Wesentlichen diese - es ist im Wesentlichen ein rechtlicher Bericht. Also eine genaue Evaluierung der amerikanischen Rechtsauffassung, die ja zuerst schon zum Teil vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, im Fall Rasoul gegen Bush, dahingehend schon revidiert wurde - die Bush-Administration ist ja davon ausgegangen, dass auch die US-Verfassung in Guantánamo nicht anwendbar wäre, das hat der Oberste Gerichtshof klar dementiert. Und wir haben jetzt klar gesagt: Auch die internationalen Verträge sind anwendbar. Und nur auf der Basis dessen sind wir dann zu ganz konkreten Menschenrechtsverletzungen, vor allem des "Paktes über die bürgerliche und politische Rechte", gekommen.
Köhler: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, stützen sich Ihre, Ihr Bericht oder Ihre Ergebnisse auf formaljuristische Einschätzungen und weniger auf Erkenntnisse am Ort, weil die Ihnen nicht möglich gemacht wurden?
Nowak: Richtig. Ich würde nicht sagen formaljuristisch, sondern es war eine schwierige juristische Rechtsfrage, weil die Vereinigten Staaten hier eine ganz besondere Rechtsmeinung eingenommen haben und gesagt haben: Der Krieg gegen den Terror ist so etwas Neues, so etwas anderes, dass eben die traditionellen Rechtsnormen hier anders interpretiert werden müssten. Wir haben uns das ganz, ganz genau angesehen und sind darauf ausführlich eingegangen, kommen aber zu einem Ergebnis, das auch generell - also das stützt sich auf internationale Judikatur und ist also als solches Ergebnis meines Erachtens nicht mehr wirklich in Frage zu stellen.
Köhler: Ich stelle mal die naive Frage: Da werden annähernd 500 Häftlinge gefangen gehalten, teilweise bis zu drei Jahren, die Administration rückt nicht ab von ihrem Kurs, da fragt man sich doch sicherlich manches Mal - und Sie sicherlich auch jenseits der Ermittlungen und Ihres schriftlichen Berichts: Warum tun die das? Warum lenken die nicht ein? Wird sich das erst mit einer neuen Regierung ändern?
Nowak: Nein. Ich bin doch sehr zuversichtlich, dass dieser Bericht wirklich lange vorbereitet und sehr sorgfältig recherchiert wurde, ein Umdenken nach sich ziehen wird. Und ich setze hier auch sehr stark mein Vertrauen auf die Staaten der Europäischen Union, die ja als traditionelle Verbündete der Vereinigten Staaten von Amerika doch eine gewisse Überzeugungskraft haben. Also ich gehe davon aus, dass dieser Bericht samt seinen Empfehlungen von der UNO-Menschenrechtskommission - oder auch dann später dem neu zu gründenden Menschenrechtsrat - ernst genommen werden und hier in entsprechenden Verhandlungen zwischen den Staaten auch die Vereinigten Staaten davon überzeugt werden können, dass ihre Rechtsposition diesbezüglich nicht mehr haltbar ist.
Köhler: Also Ihr Bericht plus die Neuwahlen lassen Sie einigermaßen hoffnungsvoll erscheinen?
Nowak: Ja.
Köhler: Ein Letztes für den Moment: Sie haben viel Erfahrung als Sonderberichterstatter für Folter auch in anderen Gebieten der Welt, in Asien oder auch auf dem Balkan. Aus Ihrer Erfahrung heraus - meistens kommt später ja doch immer noch ein bisschen mehr ans Licht -, meinen Sie, wir werden noch so die ein oder andere unbequeme Wahrheit erfahren, die uns jetzt noch verborgen bleibt?
Nowak: In Bezug auf die Vereinigten Staaten meinen Sie?
Köhler: Ja.
Nowak: Na ja, ich würde meinen, dass die ganze Frage der angeblichen geheimen Lager in Europa und dass gerade führende El-Kaida-Mitglieder, von denen wir wissen, dass sie - es ist ja auch zugegeben -, dass sie in der Hand der Amerikaner sind und wo die Amerikaner ausdrücklich sagen, sie können niemandem, selbst nicht dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg sagen, in diesem berühmten Motassadeq-Fall, wo diese Herrschaften sind. Das heißt, die Amerikaner haben zugegeben, dass diese Personen festgehalten werden, aber ihr Aufenthaltsort nicht genannt wird. Und das war natürlich möglich, dass diese Personen auch in Europa festgehalten wurden. Das heißt, diese ganze Frage von geheimen Lagern ist sicherlich noch brisanter als Guantánamo, das nie geheim gehalten wurde. Weil natürlich das bedeutet, dass diese Personen verschwunden sind.
Und die Menschenrechtsverletzung des erzwungenen Verschwindenlassens ist einer der schwerwiegendsten Menschenrechtsverletzungen. Und das wird derzeit, Gott sei Dank, vor allem vom Europarat - sei das von der Parlamentarischen Versammlung, aber auch vom Generalsekretär - sehr, sehr genau angesehen. Und ich nehme schon an, dass hier die europäischen Staaten entsprechend kooperieren werden und die ganze Wahrheit irgendwann einmal ans Tageslicht kommen wird. Und natürlich ist das Risiko, gefoltert zu werden, in geheimen Lagern noch viel größer als in einem Lager wie Guantánamo, wo zumindest das Internationale Komitee des Roten Kreuzes Zugang hat.
Nowak: Nein, nicht wirklich. Sie war natürlich schon schockierend, aber das waren auch schon die ursprünglichen Bilder, die aus Abu Ghraib bekannt wurden. Haben mich nicht wirklich überrascht, aber natürlich bedrückt.
Köhler: Wenn ich es richtig weiß, hatten Sie bereits einmal die Erlaubnis, Lager zu besuchen, haben das aber aus gewichtigen Gründen ausgeschlagen?
Nowak: Ich hatte nie die Erlaubnis, Lager im Irak oder auch in Afghanistan zu besuchen, sondern von all den Lagern, die unter US-Autorität stehen, haben wir nur einmal, Ende Oktober 2005, eine Einladung bekommen, Guantánomo Bay-Haftanstalten oder "facilities" zu besuchen. Allerdings war das eine Einladung unter Bedingungen - wie Sie wissen machen wir diese Untersuchung über Guantánamo zu fünft und es sind nur drei von uns eingeladen worden und das nur für einen Tag, obwohl wir ausdrücklich gesagt haben, wir möchten mehrere Tage wirkliches fact finding in Guantanamo betreiben. Dennoch haben wir diese beiden Bedingungen ein bisschen zähneknirschend erfüllt und haben die Einladung angenommen und den 6. Dezember 2005 als Datum dieses Besuches festgelegt. Dann war aber noch ein Punkt, dass wir nur - und ich - nur dann die Einladung einer Regierung - ganz gleich, welcher Regierung der Welt - annehme für eine Fact-Finding-Mission, wenn die allgemein anerkannten, so genannten terms of reference des UN-fact-finding" auch wirklich anerkannt werden.
Köhler: Darunter fallen auch Gespräche mit Gefangenen?
Nowak: Und dazu gehört vor allem unangekündigte Besuche zu allen Haftanstalten und 4-Augengespräche, also private Gespräche, ohne jegliche Überwachung mit Häftlingen. Wenn das nicht garantiert wird, kann es kein objektives fact-finding geben. Und dann kann ich leider so eine Einladung nicht annehmen. Und wir haben das auch ganz deutlich gemacht und gesagt: Wir ersuchen die US-Regierung, uns ausdrückliche Zusicherungen zu geben, dass sie diese "terms of reference" einhalten werden. Nachdem sie das nicht gemacht haben, haben wir eine Deadline gesetzt. Und dann mussten wir leider, zu unserem wirklichen Bedauern, diesen Besuch absagen.
Köhler: Vom Vatikan bis zu den amerikanischen Militärs teilweise und dem EU-Parlament wird das ja mit Abscheu und Ekel quittiert, was jetzt neuerlich wieder zu sehen ist. Man fragt sich: Ignoriert die amerikanische Administration so bereitwillig jede Kritik? Also auch UN-Generalsekretär Kofi Annan fordert ja die Schließung. Gelten UN-Aufrufe nichts?
Nowak: Na ja, ich glaube, die Schließung von Guantánamo Bay wird noch nicht so lange gefordert. Unser Bericht ist die erste umfassende, unabhängige Untersuchung durch UNO-Sonderberichterstatter der Situation der Häftlinge in Guantánomo Bay. Und wir kommen zu der klaren Erkenntnis, dass die weitere Festhaltung der Personen - unabhängig davon, wie sie jetzt behandelt werden -, dass aber es an einer Rechtsgrundlage fehlt, diese Personen weiter anzuhalten, und dass die Rechtsauslegung der Vereinigten Staaten von Amerika falsch ist, das heißt dem Völkerrecht widerspricht.
Nein, so geht das nicht. Es sind die entsprechenden Verträge im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes, die die Vereinigten Staaten ratifiziert haben - und dazu gehört vor allem der "Pakt über bürgerliche und politische Rechte" und die "UNO-Konvention gegen Folter" -, sie sind sinnvoll anwendbar. Und es ist über jeden Zweifel erhaben, dass diese Haft eine willkürliche Haft ist. Weil, wenn ich eine Person festnehme, dann hat jede Person das Recht - das ist das alte Recht auf Habeas Corpus, das gerade eine angloamerikanische Tradition ist -, das Recht, dass ein unabhängiges Gericht darüber entscheidet, ob die Haft rechtmäßig ist oder nicht. Und wenn es nicht rechtmäßig ist, muss sie freigelassen werden. Ansonsten muss sie so schnell wie möglich vor ein Gericht gestellt werden, das dann über die Anschuldigungen gegen mich entscheidet. Wenn ich schuldig bin, soll ich auch verurteilt werden, dann weiß ich, zu wie vielen Jahren ich verurteilt bin. Und das kann auch in manchen Fällen, wenn das wirklich hochrangige El-Kaida-Mitglieder sind, auch lebenslange Haft sein. Da habe ich überhaupt nichts dagegen. Aber es muss von einem Gericht entschieden werden.
Köhler: Das heißt, diese, von den Amerikanern teilweise geduldeten Übergriffe verstoßen a) gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Ist das das, was im Wesentlichen Ihr Bericht beziehungsweise der Bericht der Sonderermittler, den Sie für die UN im März erarbeiten, enthalten wird?
Nowak: Ja. Der Bericht ist ja bereits öffentlich, der ist auf der Homepage oder Website des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte schon in englischer Sprache zugänglich. Er wird derzeit in die anderen UNO-Sprachen übersetzt. Und natürlich von uns dann persönlich - ich nehme an - Ende März auch der UNO-Menschenrechtskommission in Genf präsentiert werden. Aber es ist jetzt alles öffentlich zugänglich. Wir haben darin im Wesentlichen diese - es ist im Wesentlichen ein rechtlicher Bericht. Also eine genaue Evaluierung der amerikanischen Rechtsauffassung, die ja zuerst schon zum Teil vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, im Fall Rasoul gegen Bush, dahingehend schon revidiert wurde - die Bush-Administration ist ja davon ausgegangen, dass auch die US-Verfassung in Guantánamo nicht anwendbar wäre, das hat der Oberste Gerichtshof klar dementiert. Und wir haben jetzt klar gesagt: Auch die internationalen Verträge sind anwendbar. Und nur auf der Basis dessen sind wir dann zu ganz konkreten Menschenrechtsverletzungen, vor allem des "Paktes über die bürgerliche und politische Rechte", gekommen.
Köhler: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, stützen sich Ihre, Ihr Bericht oder Ihre Ergebnisse auf formaljuristische Einschätzungen und weniger auf Erkenntnisse am Ort, weil die Ihnen nicht möglich gemacht wurden?
Nowak: Richtig. Ich würde nicht sagen formaljuristisch, sondern es war eine schwierige juristische Rechtsfrage, weil die Vereinigten Staaten hier eine ganz besondere Rechtsmeinung eingenommen haben und gesagt haben: Der Krieg gegen den Terror ist so etwas Neues, so etwas anderes, dass eben die traditionellen Rechtsnormen hier anders interpretiert werden müssten. Wir haben uns das ganz, ganz genau angesehen und sind darauf ausführlich eingegangen, kommen aber zu einem Ergebnis, das auch generell - also das stützt sich auf internationale Judikatur und ist also als solches Ergebnis meines Erachtens nicht mehr wirklich in Frage zu stellen.
Köhler: Ich stelle mal die naive Frage: Da werden annähernd 500 Häftlinge gefangen gehalten, teilweise bis zu drei Jahren, die Administration rückt nicht ab von ihrem Kurs, da fragt man sich doch sicherlich manches Mal - und Sie sicherlich auch jenseits der Ermittlungen und Ihres schriftlichen Berichts: Warum tun die das? Warum lenken die nicht ein? Wird sich das erst mit einer neuen Regierung ändern?
Nowak: Nein. Ich bin doch sehr zuversichtlich, dass dieser Bericht wirklich lange vorbereitet und sehr sorgfältig recherchiert wurde, ein Umdenken nach sich ziehen wird. Und ich setze hier auch sehr stark mein Vertrauen auf die Staaten der Europäischen Union, die ja als traditionelle Verbündete der Vereinigten Staaten von Amerika doch eine gewisse Überzeugungskraft haben. Also ich gehe davon aus, dass dieser Bericht samt seinen Empfehlungen von der UNO-Menschenrechtskommission - oder auch dann später dem neu zu gründenden Menschenrechtsrat - ernst genommen werden und hier in entsprechenden Verhandlungen zwischen den Staaten auch die Vereinigten Staaten davon überzeugt werden können, dass ihre Rechtsposition diesbezüglich nicht mehr haltbar ist.
Köhler: Also Ihr Bericht plus die Neuwahlen lassen Sie einigermaßen hoffnungsvoll erscheinen?
Nowak: Ja.
Köhler: Ein Letztes für den Moment: Sie haben viel Erfahrung als Sonderberichterstatter für Folter auch in anderen Gebieten der Welt, in Asien oder auch auf dem Balkan. Aus Ihrer Erfahrung heraus - meistens kommt später ja doch immer noch ein bisschen mehr ans Licht -, meinen Sie, wir werden noch so die ein oder andere unbequeme Wahrheit erfahren, die uns jetzt noch verborgen bleibt?
Nowak: In Bezug auf die Vereinigten Staaten meinen Sie?
Köhler: Ja.
Nowak: Na ja, ich würde meinen, dass die ganze Frage der angeblichen geheimen Lager in Europa und dass gerade führende El-Kaida-Mitglieder, von denen wir wissen, dass sie - es ist ja auch zugegeben -, dass sie in der Hand der Amerikaner sind und wo die Amerikaner ausdrücklich sagen, sie können niemandem, selbst nicht dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg sagen, in diesem berühmten Motassadeq-Fall, wo diese Herrschaften sind. Das heißt, die Amerikaner haben zugegeben, dass diese Personen festgehalten werden, aber ihr Aufenthaltsort nicht genannt wird. Und das war natürlich möglich, dass diese Personen auch in Europa festgehalten wurden. Das heißt, diese ganze Frage von geheimen Lagern ist sicherlich noch brisanter als Guantánamo, das nie geheim gehalten wurde. Weil natürlich das bedeutet, dass diese Personen verschwunden sind.
Und die Menschenrechtsverletzung des erzwungenen Verschwindenlassens ist einer der schwerwiegendsten Menschenrechtsverletzungen. Und das wird derzeit, Gott sei Dank, vor allem vom Europarat - sei das von der Parlamentarischen Versammlung, aber auch vom Generalsekretär - sehr, sehr genau angesehen. Und ich nehme schon an, dass hier die europäischen Staaten entsprechend kooperieren werden und die ganze Wahrheit irgendwann einmal ans Tageslicht kommen wird. Und natürlich ist das Risiko, gefoltert zu werden, in geheimen Lagern noch viel größer als in einem Lager wie Guantánamo, wo zumindest das Internationale Komitee des Roten Kreuzes Zugang hat.