Penner: Guten Morgen.
Sanders: Die sogenannte Green Card hat wieder zu einer Diskussion über das Ausländerrecht und auch das Asylrecht geführt. Die Green Card ist eine auf fünf Jahre begrenzte Aufenthalts- beziehungsweise Arbeitserlaubnis für die Computerspezialisten, und sie können auch nicht mit ihren Familien einreisen. Herr Penner, glauben Sie, dass sich unter diesen Bedingungen hochkarätige Computerexperten darauf einlassen werden, in Deutschland zu arbeiten?
Penner: Das ist die Frage aller Fragen. Die Menschen, die in der Bundesrepublik helfen können, Defizite abzubauen, Lücken zu füllen, werden sich ihres Wertes wohl bewusst sein und denen wird man etwas bieten müssen, damit sie kommen. Zum Null-Tarif sind die gewiss nicht zu haben, zumal nicht im mitmenschlichen Bereich.
Sanders: Also reicht der Vorstoß des Bundeskanzlers nicht? Muss mehr getan werden?
Penner: Das wird man sehen, ob er reicht. Man muss aber wissen, dass es sich um hoch spezialisierte Fachkräfte handelt, die natürlich nicht so ohne weiteres zu haben sind und die auch nicht ohne weiteres auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen, das heißt die sich ihres Wertes bewusst sind. Wenn die Betätigungsmöglichkeiten solcher Spezialisten aber zu stark konditioniert sind, dann wird man in kauf nehmen müssen, dass eine gewisse Zurückhaltung unabweichbar ist.
Sanders: Mit Konditionierung meinen Sie, dass die Familien nicht mit dürfen, dass die Aufenthaltsdauer beschränkt ist. Sollte man das ändern?
Penner: Etwa in die Richtung werden dann die Fragen gehen. Es ist ja noch keineswegs ausgemacht. Es steht auch noch keineswegs fest. Man kann aber prognostizieren, dass dies mögliche Schwierigkeiten mit sich bringt.
Sanders: Was meinen Sie, in welchem Zeitraum kann man absehen, dass man diesen Spezialisten noch mehr entgegenkommen muss?
Penner: Wenn die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen sind und damit die Hindernisse zur Betätigung dieser Fachkräfte gefallen sind, dann wird man ja sehen, ob sie auf das Angebot eingehen oder ob sie sagen, nein, unter diesen Umständen kommen wir nicht, das Angebot, was die Bundesrepublik Deutschland macht, ist uns zu kärglich, wir nehmen davon Abstand und sehen uns anderweitig um.
Sanders: Es soll ja nach der jetzigen Planung in drei bis vier Monaten die Verordnung in Kraft sein. Also könnte man in einem halben Jahr sagen, jetzt müssen wir das überprüfen, die Leute müssen einen unbegrenzten Aufenthaltsstatus haben?
Penner: Wenn sich zeigt, dass das rechtliche Angebot, was die Bundesrepublik Deutschland eröffnet, nicht reicht, wird man nachsteuern müssen. Es ist vorhersehbar, dass diese hoch spezialisierten Fachkräfte sehr wohl prüfen werden, ob ihnen das genehm ist, ob es ihnen reicht oder ob sie sich nach anderen Arbeitsplätzen umsehen. Das wird man sehen!
Sanders: Herr Penner, die Opposition kritisiert diese Green Card als Flickwerk, zum Teil wenigstens. Würden Sie sich dem anschließen?
Penner: Das Flickwerk ist immer eine beliebte Metapher, mit der man alles und jedes ausdrücken kann. Wahr ist, dass der seit Anfang der 70er Jahre bestehende Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte immer wieder gelockert worden ist. Ich denke nur an die pflegerischen Berufe, von denen wir ja wissen, wenn wir ins Krankenhaus gehen, dass sie doch weitgehend auch von asiatischen Kräften besetzt sind. Jetzt geht es eben um hoch spezialisierte Fachkenntnisse, die wir nicht aus eigenem Fachkräftepotenzial auffüllen können, sondern bei denen wir es nötig haben, uns im Ausland umzusehen. Das ist eine Reaktion des Marktes, wenn man so will, hat aber mit Flickwerk eigentlich wenig zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass deutsche Ausbildung nicht hinreichend Wert darauf gelegt, dass sich auf diesem Gebiet ein Fachkräftemangel wird einstellen müssen. Ich höre ja, dass das nunmehr auch parallel zu dieser Anwerbeaktion im Ausland beigelegt werden soll.
Sanders: Herr Penner, im Rahmen dieser Diskussion um die Green Card ist wieder eine Debatte über ein mögliches Einwanderungsrecht entstanden. Ist ein solches Einwanderungsrecht in Deutschland notwendig?
Penner: Ich neige dazu, dass wir Deutschen auf diesem Gebiet immer zu sehr ein rechtliches Instrumentarium im Auge haben und dabei manchmal vergessen, dass das Gehäuse auch einen Inhalt haben muss. Wahr ist, dass wir in den nächsten Jahren damit rechnen müssen, wegen des Geburtenrückgangs mit einem Arbeitskräftemangel auf bestimmten Gebieten zurecht zu kommen. Das sehen manche und fordern demzufolge auch, dass wir so etwas brauchen wie ein Einwanderungsgesetz. In Wahrheit verbirgt sich aber hinter dem Einwanderungsgesetz völlig unterschiedliches. Manche meinen, man müsse über das Einwanderungsgesetz eine Zuwanderung auch aus humanitären Gründen ermöglichen. Andere sehen in einem Einwanderungsgesetz allein ein klassisches Instrument der Einwanderung, das heißt die Eröffnung der Möglichkeit, die besten Fachleute, die anderweitig vorhanden sind, nach Deutschland zu holen.
Sanders: Wie sehen Sie das denn, Herr Penner? Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, in welcher Ausgestaltung auch immer?
Penner: Ich neige zu der Auffassung, dass die bestehenden Instrumentarien, die wir haben, ausreichen, wie das jüngste Beispiel zeigt. Ich bin allerdings felsenfest davon überzeugt, dass wir, wenn in den nächsten Jahren der Arbeitskräftemangel auf bestimmten Sektoren drängend wird, so dass wir nicht ohne ausländische Hilfe auskommen werden, nicht erneut in den Fehler der 50er und 60er Jahre verfallen dürfen, Arbeitskräfte hier herzuholen, ohne ihnen zugleich eine Möglichkeit einer sozialen Perspektive zu geben.
Sanders: Dann wäre doch jetzt eine gute Gelegenheit, solch ein Einwanderungsgesetz umzusetzen, weil ja selbst die CDU/CSU-Fraktion sich das vorstellen kann?
Penner: Ja, wenn es diese Notwendigkeit gibt, dann empfiehlt es sich in der Tat, diese Fragen grundsätzlicher anzugehen, dann aber auch Möglichkeiten zu eröffnen, die die Schwierigkeiten der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte von vor 30 und 40 Jahren vermeiden hilft und eine breite Plattform der sozialen Integration damit verbindet.
Sanders: Herr Penner, betrifft das auch das Asylrecht? Wenn wir ein Einwanderungsrecht haben, gibt es vielleicht Einschränkungen beim Asylrecht?
Penner: Das Asylrecht hat ja wenig damit zu tun. Das Asylrecht ist so, wie es sich in der Vergangenheit entwickelt hat, als Vehikel einer ungesteuerten Zuwanderung möglich geworden. Nein, das Asylrecht dient dazu, politisch verfolgten die Möglichkeit zu eröffnen, dass sie hier Obdach finden. Das hat mit Zuwanderung in diesem Sinne nichts zu tun, hat sich aber bedauerlicherweise aus vielerlei Gründen in eine Richtung entwickelt, die dem ursprünglichen Charakter des Asylrechts fremd ist.
Sanders: Wilfried Penner von der SPD war das. Er ist der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Sanders: Die sogenannte Green Card hat wieder zu einer Diskussion über das Ausländerrecht und auch das Asylrecht geführt. Die Green Card ist eine auf fünf Jahre begrenzte Aufenthalts- beziehungsweise Arbeitserlaubnis für die Computerspezialisten, und sie können auch nicht mit ihren Familien einreisen. Herr Penner, glauben Sie, dass sich unter diesen Bedingungen hochkarätige Computerexperten darauf einlassen werden, in Deutschland zu arbeiten?
Penner: Das ist die Frage aller Fragen. Die Menschen, die in der Bundesrepublik helfen können, Defizite abzubauen, Lücken zu füllen, werden sich ihres Wertes wohl bewusst sein und denen wird man etwas bieten müssen, damit sie kommen. Zum Null-Tarif sind die gewiss nicht zu haben, zumal nicht im mitmenschlichen Bereich.
Sanders: Also reicht der Vorstoß des Bundeskanzlers nicht? Muss mehr getan werden?
Penner: Das wird man sehen, ob er reicht. Man muss aber wissen, dass es sich um hoch spezialisierte Fachkräfte handelt, die natürlich nicht so ohne weiteres zu haben sind und die auch nicht ohne weiteres auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen, das heißt die sich ihres Wertes bewusst sind. Wenn die Betätigungsmöglichkeiten solcher Spezialisten aber zu stark konditioniert sind, dann wird man in kauf nehmen müssen, dass eine gewisse Zurückhaltung unabweichbar ist.
Sanders: Mit Konditionierung meinen Sie, dass die Familien nicht mit dürfen, dass die Aufenthaltsdauer beschränkt ist. Sollte man das ändern?
Penner: Etwa in die Richtung werden dann die Fragen gehen. Es ist ja noch keineswegs ausgemacht. Es steht auch noch keineswegs fest. Man kann aber prognostizieren, dass dies mögliche Schwierigkeiten mit sich bringt.
Sanders: Was meinen Sie, in welchem Zeitraum kann man absehen, dass man diesen Spezialisten noch mehr entgegenkommen muss?
Penner: Wenn die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen sind und damit die Hindernisse zur Betätigung dieser Fachkräfte gefallen sind, dann wird man ja sehen, ob sie auf das Angebot eingehen oder ob sie sagen, nein, unter diesen Umständen kommen wir nicht, das Angebot, was die Bundesrepublik Deutschland macht, ist uns zu kärglich, wir nehmen davon Abstand und sehen uns anderweitig um.
Sanders: Es soll ja nach der jetzigen Planung in drei bis vier Monaten die Verordnung in Kraft sein. Also könnte man in einem halben Jahr sagen, jetzt müssen wir das überprüfen, die Leute müssen einen unbegrenzten Aufenthaltsstatus haben?
Penner: Wenn sich zeigt, dass das rechtliche Angebot, was die Bundesrepublik Deutschland eröffnet, nicht reicht, wird man nachsteuern müssen. Es ist vorhersehbar, dass diese hoch spezialisierten Fachkräfte sehr wohl prüfen werden, ob ihnen das genehm ist, ob es ihnen reicht oder ob sie sich nach anderen Arbeitsplätzen umsehen. Das wird man sehen!
Sanders: Herr Penner, die Opposition kritisiert diese Green Card als Flickwerk, zum Teil wenigstens. Würden Sie sich dem anschließen?
Penner: Das Flickwerk ist immer eine beliebte Metapher, mit der man alles und jedes ausdrücken kann. Wahr ist, dass der seit Anfang der 70er Jahre bestehende Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte immer wieder gelockert worden ist. Ich denke nur an die pflegerischen Berufe, von denen wir ja wissen, wenn wir ins Krankenhaus gehen, dass sie doch weitgehend auch von asiatischen Kräften besetzt sind. Jetzt geht es eben um hoch spezialisierte Fachkenntnisse, die wir nicht aus eigenem Fachkräftepotenzial auffüllen können, sondern bei denen wir es nötig haben, uns im Ausland umzusehen. Das ist eine Reaktion des Marktes, wenn man so will, hat aber mit Flickwerk eigentlich wenig zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass deutsche Ausbildung nicht hinreichend Wert darauf gelegt, dass sich auf diesem Gebiet ein Fachkräftemangel wird einstellen müssen. Ich höre ja, dass das nunmehr auch parallel zu dieser Anwerbeaktion im Ausland beigelegt werden soll.
Sanders: Herr Penner, im Rahmen dieser Diskussion um die Green Card ist wieder eine Debatte über ein mögliches Einwanderungsrecht entstanden. Ist ein solches Einwanderungsrecht in Deutschland notwendig?
Penner: Ich neige dazu, dass wir Deutschen auf diesem Gebiet immer zu sehr ein rechtliches Instrumentarium im Auge haben und dabei manchmal vergessen, dass das Gehäuse auch einen Inhalt haben muss. Wahr ist, dass wir in den nächsten Jahren damit rechnen müssen, wegen des Geburtenrückgangs mit einem Arbeitskräftemangel auf bestimmten Gebieten zurecht zu kommen. Das sehen manche und fordern demzufolge auch, dass wir so etwas brauchen wie ein Einwanderungsgesetz. In Wahrheit verbirgt sich aber hinter dem Einwanderungsgesetz völlig unterschiedliches. Manche meinen, man müsse über das Einwanderungsgesetz eine Zuwanderung auch aus humanitären Gründen ermöglichen. Andere sehen in einem Einwanderungsgesetz allein ein klassisches Instrument der Einwanderung, das heißt die Eröffnung der Möglichkeit, die besten Fachleute, die anderweitig vorhanden sind, nach Deutschland zu holen.
Sanders: Wie sehen Sie das denn, Herr Penner? Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, in welcher Ausgestaltung auch immer?
Penner: Ich neige zu der Auffassung, dass die bestehenden Instrumentarien, die wir haben, ausreichen, wie das jüngste Beispiel zeigt. Ich bin allerdings felsenfest davon überzeugt, dass wir, wenn in den nächsten Jahren der Arbeitskräftemangel auf bestimmten Sektoren drängend wird, so dass wir nicht ohne ausländische Hilfe auskommen werden, nicht erneut in den Fehler der 50er und 60er Jahre verfallen dürfen, Arbeitskräfte hier herzuholen, ohne ihnen zugleich eine Möglichkeit einer sozialen Perspektive zu geben.
Sanders: Dann wäre doch jetzt eine gute Gelegenheit, solch ein Einwanderungsgesetz umzusetzen, weil ja selbst die CDU/CSU-Fraktion sich das vorstellen kann?
Penner: Ja, wenn es diese Notwendigkeit gibt, dann empfiehlt es sich in der Tat, diese Fragen grundsätzlicher anzugehen, dann aber auch Möglichkeiten zu eröffnen, die die Schwierigkeiten der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte von vor 30 und 40 Jahren vermeiden hilft und eine breite Plattform der sozialen Integration damit verbindet.
Sanders: Herr Penner, betrifft das auch das Asylrecht? Wenn wir ein Einwanderungsrecht haben, gibt es vielleicht Einschränkungen beim Asylrecht?
Penner: Das Asylrecht hat ja wenig damit zu tun. Das Asylrecht ist so, wie es sich in der Vergangenheit entwickelt hat, als Vehikel einer ungesteuerten Zuwanderung möglich geworden. Nein, das Asylrecht dient dazu, politisch verfolgten die Möglichkeit zu eröffnen, dass sie hier Obdach finden. Das hat mit Zuwanderung in diesem Sinne nichts zu tun, hat sich aber bedauerlicherweise aus vielerlei Gründen in eine Richtung entwickelt, die dem ursprünglichen Charakter des Asylrechts fremd ist.
Sanders: Wilfried Penner von der SPD war das. Er ist der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!