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Die Rolle der PDS

DLF: Am Telefon begrüße ich jetzt den stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden und Sprecher der ostdeutschen Unionsabgeordneten Michael Luther. Guten Morgen.

    Luther: Ja, guten Morgen, Herr Heinlein.

    DLF: Herr Luther, wir haben es gehört: In einer lebendigen Demokratie – so Frau Schipanski – müsse eine Partei, wie die PDS, den ihr angemessenen Platz erhalten. Wo sehen Sie diesen angemessenen Platz für die PDS?

    Luther: Also, für mich ist es erst mal so – das ist Tatsache –, daß die PDS in den neuen Bundesländern leider einen erheblichen Stimmenanteil hat. Aber Frau Schipanski hat ja auch deutlich gemacht in ihren Ausführungen, daß es nicht darum gehen sollte, auszugrenzen, sondern deutlich abzugrenzen. Und das ist eigentlich auch das Ziel, das ich vertrete.

    DLF: Aber Teile der Union, vor allem aus Bayern, sehen die PDS weiter in der 'Schmuddelecke' bei den Alt-Stalinisten.

    Luther: Vielleicht darf ich das so sagen: Für mich ist die PDS ganz klar eine kommunistische Partei. Und wenn ich das persönlich sagen darf: Ich will mit einer kommunistischen Partei nichts zu tun haben. Ich habe das lange genug – leider – leidvoll erfahren müssen.

    DLF: Nichts zu tun haben mit der PDS – heißt das eine Ausgrenzung der PDS aus dem demokratischen Spektrum?

    Luther: Nein, ich möchte mich deutlich von der PDS abgrenzen. Die CDU hat ja jahrelang – auch von der SPD vorgeworfen – erleben müssen, daß sie die Blockpartei aus der DDR sei, was ja überhaupt nicht stimmt und was sie auch nicht ist. Und ich denke, die CDU hat sich in den neuen Bundesländern mittlerweile insoweit etabliert, daß ganz klar ist, welche Position die CDU vertritt – und das hat überhaupt nichts mit der PDS zu tun. Das führt im übrigen dazu, daß man mit ruhigem Gewissen sagen kann, daß wir keine gemeinsamen Anträge mit der PDS im Bundestag machen. Selbst bei relativ unstrittigen Dingen von der Sache her, also zum Beispiel das gemeinsame Ziel, den A 3 SX in Rostock anzusiedeln, also das moderne Großraumflugzeug, kann ich dem Antrag, den die PDS im Bundestag eingebracht hat., nicht zustimmen, weil deutlich ihre Ideologie – die kommunistische Ideologie – zum Beispiel in der Begründung des Textes zum Ausdruck kommt. Und das bedeutet, daß – wenn wir unsere Position vertreten wollen – wir schlicht und einfach unsere Position selber und eigenständig darstellen müssen.

    DLF: Also gilt für Ihre Partei weiter die 'Rote-Socken-Kampagne' und das Motto 'Freiheit statt Sozialismus', wenn die Sprache auf die PDS kommt?

    Luther: Also, 'Freiheit statt Sozialismus' ist richtig, das ist auch unsere Überzeugung. Damit können wir auch am ehesten unsere Wähler in den neuen Bundesländern und die Menschen abholen. Wir hatten ja dazu eine sehr ausführliche Debatte in der letzten Woche in unserer Fraktion, in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und es herrschte eigentlich über dieses Vorgehen weitestgehend Einverständnis. Also, da war die CSU mit dabeigewesen und da ist auch das Spektrum innerhalb der Union in der Fraktion – also von den verschiedenen Ländern und den verschiedenen Gruppierungen – dabeigewesen. Hier herrscht also Einigkeit.

    DLF: Was ist denn dann damit gemeint, wenn Ihr Parteichef Schäuble und Frau Schipanski eben von der 'Integration' der PDS und ihrer Wähler reden?

    Luther: Die Wähler der PDS – das ist vielleicht die interessante Frage dabei – das ist auch in der letzten Woche ganz deutlich geworden: 1990 – vielleicht darf ich es mal für mich persönlich sagen – gehörte ich zu den Gewinnern der friedlichen Herbstrevolution. Ich habe mich gefreut, daß endlich Demokratie herrscht auch im Gebiet der neuen Bundesländer. Viele Menschen haben sich aber in der Vergangenheit eingerichtet, und die haben den dramatischen Untergang der DDR - auch den wirtschaftlichen und den umweltmäßigen Untergang der DDR - nicht so verinnerlicht. Und sie konnten sich deshalb nicht so sehr von dieser Befreiung von dem, was DDR war und was die kommunistische Ideologie darstellte, freuen und auf die Demokratie freuen, weil sie auch keine persönlichen Vorteile oder vielleicht auch Nachteile erlitten hatten mit dem Wechsel. Und das sind zum Großteil auch die Wähler der PDS. Und es kommt darauf an, daß die demokratischen Parteien auf diese Menschen reagiert, die Menschen dort abholt, wo sie heute sind – und versuchen, sie für die Demokratie zu gewinnen. Und je mehr uns das in den neuen Bundesländern gelingt – ich denke –, je unbedeutender wird auch die PDS werden.

    DLF: Gibt es in den neuen Ländern so etwas wie eine rückwärtsgewandte DDR-Nostalgie?

    Luther: Es gibt für mich eine gewisse schizophrene Situation: Wenn ich - auch die, die PDS wählen - frage, ob sie sich denn die DDR wieder wünschen: Das wollen sie nicht. Andererseits kommen sie nicht mit dem etablierten System der Parteienlandschaft der Bundesrepublik Deutschland, die ja zu einem erfolgreichen Weg in den letzten 40 Jahren der Bundesrepublik Deutschland geführt hat, zurecht. Ich glaube, da müssen wir – insbesondere in den neuen Bundesländern – stärker politisch tätig werden und mit den Menschen darüber reden: Wie soll denn Demokratie funktionieren, welche Rolle sollte da eine bestimmte Partei übernehmen und was sind die Schwierigkeiten, was sind die Grenzen von Demokratie? Das ist eine Aufgabe, die habe ich mir auch ganz persönlich vorgenommen mit meiner Gruppe von CDU-Abgeordneten aus den neuen Bundesländern - für die nächsten Wochen und Monate, und ich denke, sogar Jahre.

    DLF: Welchen Anteil an diesem Zustand, den Sie gerade beschrieben haben, hat die Regierung Kohl? Sind die Erfolge der PDS eine Quittung für das Versagen der Kohl-Regierung in den vergangenen 16 Jahren beim Aufbau in den neuen Ländern?

    Luther: Ja, auch diese Frage haben wir diskutiert. Ich möchte es einmal mit folgenden schwierigen Beispielen versuchen, zu demonstrieren: In der DDR waren die Menschen gewohnt, daß sie geführt werden von der Wiege bis zur Bahre durch den Staat. Der Staat war allmächtig, und der allmächtige Staat war für alle zuständig. Das funktioniert nicht, das ist uns allen bekannt. Innerhalb dieses Umbruchs gab es natürlich die Sorge auch in der damaligen Regierungskoalition: Wie bekomme ich die Menschen mit? Und deswegen hat man versucht – auch im sozialpolitischen Bereich gerade –, Sicherheit zu vermitteln, ich denke an das Thema "Rente ist sicher". Man hätte es nie anders sagen können als so. Andererseits haben wir damit die Chance versäumt, die Menschen darauf hinzuweisen, daß soziale Marktwirtschaft noch einen zweiten Baustein hat, nämlich das Thema 'Wirtschaft' - und daß, bevor man Rente bezahlen kann, sie auch erwirtschaftet werden muß. Und das fällt bei vielen immer noch weit auseinander. Auf der einen Seite fordert man vom Staat und glaubt, daß der Staat sich das leisten kann – absolute Sicherheit – und akzeptiert nicht, daß es eben schwierig ist, die Wirtschaft in Gang zu halten und voranzubringen, und daß man dafür auch Einschränkungen auf sich nehmen muß. Das rechne ich als Versäumnis der Vergangenheit an, wobei ich aber sage: Ich weiß auch nicht, ob man es wirklich hätte anders gestalten können. Es ist eben eine sehr schwierige Zeit – die Zeit des Umbruchs.

    DLF: Herr Luther, Frage vielleicht zum Schluß: Frau Schipanski hat gefordert, die Stimme des Ostens, der neuen Länder in Deutschland, etwas lauter zu machen. Fühlen sich die ostdeutschen CDU-Abgeordneten in der Union ausreichend gehört?

    Luther: Also, die Fraktionssitzung in der letzten Woche hat deutlich gezeigt – und es ging ja nur um das, was neue Bundesländer ist –, daß wir da gut gehört wurden. Und man hat auch auf uns gehört, weil man ja natürlich gemeinsam mit uns versuchen will, Mehrheiten zu schaffen – auch wieder für die Union – in den neuen Bundesländern. Allerdings wird das ein schwieriger Weg bleiben, weil: Man dazu etablierte Leute auch innerhalb der Union, aber nicht nur innerhalb der Union, auch zum Beispiel in der SPD. Und diese etablierten Leute müssen die Chance haben, sich auch laut und deutlich in den neuen Bundesländern zu melden. Da gibt es viele Randbedingungen, die relativ schwierig sind. Es ist so, daß auch die Nachrichten, die in Deutschland vermittelt werden, ich denke an die großen überregionalen Zeitungen, in den neuen Bundesländern fast nicht gelesen werden – hier das Sprachrohr zu sein und die Stimme zu transportieren – sehr schwer ist in den neuen Bundesländern. Und hier fehlt es – denke ich –, daß die demokratische Gemeinschaft zusammenrückt und versucht, die entsprechenden Defizite auch restlos wettzu-machen.

    DLF: Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende und Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten, Michael Luther. Herr Luther, vielen Dank und auf Wiederhören.