Remme: Am Telefon begrüße ich nun Angelika Beer, die Vorsitzende der Grünen. Guten Morgen Frau Beer!
Beer: Schönen guten Morgen Herr Remme.
Remme: Frau Beer, der UN-Sicherheitsrat wird sich heute mit der Nachkriegsordnung im Irak beschäftigen. George Bush, der US-Präsident, und der britische Premier Tony Blair, sie werden dies heute Abend auch tun bei ihrem Treffen in Nordirland. Ist die Situation nach dem Krieg im Irak auch ein Thema für die deutsche Bundesregierung?
Beer: Das wird es sicherlich sein, wenngleich - und das hat eben der sehr beeindruckende Bericht gezeigt - es zunächst darum gehen muss, die Menschen zu erreichen, da offensichtlich die humanitäre Hilfe vorhanden ist, aber nicht die Zivilbevölkerung erreicht. Unsere Position, die der Regierung, aber auch der Grünen ist hinlänglich bekannt. Wir sind der Überzeugung, dass die UN die Federführung übernehmen sollte. Es gibt ja bereits den UN-Beschluss, der gefasst worden ist, das Hilfsmittelprogramm wieder aufzunehmen, Lebensmittel für Öl, was Saddam zu der Zeit jedenfalls, als er reagiert hat, noch verweigert hat. Es wird sich heute bei den vielfältigen Gesprächen jenseits der Vereinten Nationen zeigen - und Sie erwähnten eben das Treffen von Bush und Blair -, ob sich denn der Flügel der US-Administration wie etwa Frau Rice durchsetzt, die sagt: wer Blut und Menschenleben geopfert hat, um den Irak zu befreien - das ist jetzt ein Zitat von Frau Rice -, hat das Recht, das Land dann auch sozusagen zu kontrollieren. Das ist sicherlich nicht die Position der Deutschen.
Remme: Ist denn die Tatsache, dass es möglicherweise so kommt, dass eben die Amerikaner darauf beharren, die Fäden in der Hand zu behalten, ein ausreichender Grund dafür, von deutscher Seite aus zu sagen, na dann helfen wir eben auch nicht?
Beer: Ich glaube, dass das eine ganz andere Diskussion ist. Die Frage wird sich nicht um helfen oder nicht helfen drehen. Natürlich wird Deutschland helfen. Die Mittel, wie wir helfen, werden davon abhängen, wie denn die politische Konzentrierung insbesondere der Amerikaner ist. Tony Blair setzt sich offensichtlich dafür ein - das ist zu begrüßen -, dass die Vereinten Nationen die Federführung im Hinblick auf die humanitäre Versorgung und den Wiederaufbau im Irak bekommen sollen. Das widerspricht der amerikanischen Planung, die ja schon eine Übergangsregierung in Kuwait stationiert hat. Aus meiner Sicht wäre eine solche Entscheidung für ein US-geführtes Regime unter einem ehemaligen General ein Zeichen, dass möglicherweise die Neuordnung des nahen und mittleren Ostens, die Herr Bush ja vor diesem Krieg angekündigt hat, noch nicht beendet ist und das würde bedeuten, dass die Vereinten Nationen als Ordnungskraft und Gewaltmonopolinhaber nicht akzeptiert werden. Das wird eine sehr schwierige Situation.
Remme: Dann können wir es doch vielleicht hoffentlich konkretisieren. Sie sagen, die Art der Hilfe würde davon abhängen, wie es organisiert wird. Nehmen wir die zwei Szenarien, amerikanische Führung und die Führung der Vereinten Nationen. Wie würde sich die Hilfe der Deutschen konkret unterscheiden?
Beer: Das kann ich Ihnen heute nicht sagen. Wir werden das diskutieren. Das hat auch nicht nur mit den Vereinten Nationen zu tun, sondern auch mit den Möglichkeiten der Kräfte, die wir in Deutschland haben, um zu unterstützen. Das erste ist die humanitäre Versorgung; da gibt es gar keinen Zweifel. Die zweite Frage - und das ist das, was Amerika angedeutet hat -, ob Amerika das gleiche wiederholt wie in Afghanistan oder auch anderswo, Amerika bombardiert, die Europäische Union und andere bauen wieder auf. Das ist ein Modell, was nicht Sicherheit verspricht, sondern einerseits bedeuten würde, dass die Amerikaner sich vorbehalten, auch zukünftig präventive Schläge durchzuführen, und die anderen Bezahlen. Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Zivilbevölkerung, die leidet, aber auch der Nachbarländer, die Sorgen haben. Insofern jetzt keine Festlegungen, jedoch die Bereitschaft zu helfen unter geordneten Verhältnissen. Und das ist das, was wir hoffen, nämlich eine starke europäische Beteiligung unter dem Dach der Vereinten Nationen.
Remme: Und würde irgendein Szenario beim Wiederaufbau in Afghanistan den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in einer Blauhelmtruppe zulassen?
Beer: Ich glaube, dass das nicht die Diskussion von heute ist, sondern die Frage ist, ob nach diesem Krieg, den wir versucht haben zu verhindern, die UNO wieder anerkannt wird als die zuständige Institution, die auch zuständig ist, um Blauhelme und andere zu mandatieren. Von diesem Mandat hängt viel ab. Es wird sich zeigen, ob Herr Bush oder Herr Blair sich durchsetzen. Es sollte erst einmal um die Versorgungsmöglichkeit der Menschen gehen, und da halte ich die deutsche Diskussion, die Sie im Moment einfordern, über eine Blauhelmbeteiligung unter ungeklärten Verhältnissen für nicht zeitgemäß.
Remme: Aber wäre es nicht eine wünschenswerte Stärkung der Vereinten Nationen, die ja dringend vonnöten ist, diesen deutschen Beitrag dann leisten zu können?
Beer: Wir leisten einen immensen Beitrag. Ich erwähne das noch einmal. Die Schwerpunktsetzung ist die humanitäre Hilfe. Wir haben die Federführung beim Un-Sanktionsausschuss, der diese Hilfe auch gewähren kann. Die Fragen, ob dieses gelingt oder nicht, sind im Moment an die amerikanische Administration zu richten, die offensichtlich meint, mit ihrem Gewaltmonopol auch über die Zukunft des Irak und möglicherweise anderer Länder zu entscheiden. Das wäre nicht unser Weg.
Remme: Frau Beer, wenn sich die Amerikaner durchsetzen und auf einer Führung im Irak auch danach beharren, muss dann Deutschland möglicherweise diesen Konflikt, der ja nun für einen Partner, wie wir es über lange Jahrzehnte waren, schmerzlich ist, lang- und mittelfristig aushalten?
Beer: Das wird sich zeigen. Ich glaube die erste Frage, die zu klären ist, betrifft wieder das Land selber. Es gibt zahlreiche Bevölkerungsgruppierungen im Irak: die Kurden mit einer relativ starken Autonomie, die Schiiten, die Turkmenen. Dort wird sich zeigen müssen, ob die US-Administration und eine solche Verwaltung bereit ist, die Vielfalt dieses Landes zu erhalten, oder was eigentlich der politische Plan ist. Dann wird man entscheiden, ob man kooperieren kann. Wir haben ein massives Interesse, die transatlantischen Beziehungen wieder zu verbessern. Das kann aber nicht nach dem Prinzip Zucker, Brot und Peitsche gehen, sondern es muss ein gemeinsamer Nenner gefunden werden und das ist die Stabilisierung des nahen und mittleren Ostens ohne jeden weiteren Krieg.
Remme: Angelika Beer war das, die Vorsitzende der Grünen. - Frau Beer, ich bedanke mich!
Link: Interview als RealAudio
Beer: Schönen guten Morgen Herr Remme.
Remme: Frau Beer, der UN-Sicherheitsrat wird sich heute mit der Nachkriegsordnung im Irak beschäftigen. George Bush, der US-Präsident, und der britische Premier Tony Blair, sie werden dies heute Abend auch tun bei ihrem Treffen in Nordirland. Ist die Situation nach dem Krieg im Irak auch ein Thema für die deutsche Bundesregierung?
Beer: Das wird es sicherlich sein, wenngleich - und das hat eben der sehr beeindruckende Bericht gezeigt - es zunächst darum gehen muss, die Menschen zu erreichen, da offensichtlich die humanitäre Hilfe vorhanden ist, aber nicht die Zivilbevölkerung erreicht. Unsere Position, die der Regierung, aber auch der Grünen ist hinlänglich bekannt. Wir sind der Überzeugung, dass die UN die Federführung übernehmen sollte. Es gibt ja bereits den UN-Beschluss, der gefasst worden ist, das Hilfsmittelprogramm wieder aufzunehmen, Lebensmittel für Öl, was Saddam zu der Zeit jedenfalls, als er reagiert hat, noch verweigert hat. Es wird sich heute bei den vielfältigen Gesprächen jenseits der Vereinten Nationen zeigen - und Sie erwähnten eben das Treffen von Bush und Blair -, ob sich denn der Flügel der US-Administration wie etwa Frau Rice durchsetzt, die sagt: wer Blut und Menschenleben geopfert hat, um den Irak zu befreien - das ist jetzt ein Zitat von Frau Rice -, hat das Recht, das Land dann auch sozusagen zu kontrollieren. Das ist sicherlich nicht die Position der Deutschen.
Remme: Ist denn die Tatsache, dass es möglicherweise so kommt, dass eben die Amerikaner darauf beharren, die Fäden in der Hand zu behalten, ein ausreichender Grund dafür, von deutscher Seite aus zu sagen, na dann helfen wir eben auch nicht?
Beer: Ich glaube, dass das eine ganz andere Diskussion ist. Die Frage wird sich nicht um helfen oder nicht helfen drehen. Natürlich wird Deutschland helfen. Die Mittel, wie wir helfen, werden davon abhängen, wie denn die politische Konzentrierung insbesondere der Amerikaner ist. Tony Blair setzt sich offensichtlich dafür ein - das ist zu begrüßen -, dass die Vereinten Nationen die Federführung im Hinblick auf die humanitäre Versorgung und den Wiederaufbau im Irak bekommen sollen. Das widerspricht der amerikanischen Planung, die ja schon eine Übergangsregierung in Kuwait stationiert hat. Aus meiner Sicht wäre eine solche Entscheidung für ein US-geführtes Regime unter einem ehemaligen General ein Zeichen, dass möglicherweise die Neuordnung des nahen und mittleren Ostens, die Herr Bush ja vor diesem Krieg angekündigt hat, noch nicht beendet ist und das würde bedeuten, dass die Vereinten Nationen als Ordnungskraft und Gewaltmonopolinhaber nicht akzeptiert werden. Das wird eine sehr schwierige Situation.
Remme: Dann können wir es doch vielleicht hoffentlich konkretisieren. Sie sagen, die Art der Hilfe würde davon abhängen, wie es organisiert wird. Nehmen wir die zwei Szenarien, amerikanische Führung und die Führung der Vereinten Nationen. Wie würde sich die Hilfe der Deutschen konkret unterscheiden?
Beer: Das kann ich Ihnen heute nicht sagen. Wir werden das diskutieren. Das hat auch nicht nur mit den Vereinten Nationen zu tun, sondern auch mit den Möglichkeiten der Kräfte, die wir in Deutschland haben, um zu unterstützen. Das erste ist die humanitäre Versorgung; da gibt es gar keinen Zweifel. Die zweite Frage - und das ist das, was Amerika angedeutet hat -, ob Amerika das gleiche wiederholt wie in Afghanistan oder auch anderswo, Amerika bombardiert, die Europäische Union und andere bauen wieder auf. Das ist ein Modell, was nicht Sicherheit verspricht, sondern einerseits bedeuten würde, dass die Amerikaner sich vorbehalten, auch zukünftig präventive Schläge durchzuführen, und die anderen Bezahlen. Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Zivilbevölkerung, die leidet, aber auch der Nachbarländer, die Sorgen haben. Insofern jetzt keine Festlegungen, jedoch die Bereitschaft zu helfen unter geordneten Verhältnissen. Und das ist das, was wir hoffen, nämlich eine starke europäische Beteiligung unter dem Dach der Vereinten Nationen.
Remme: Und würde irgendein Szenario beim Wiederaufbau in Afghanistan den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in einer Blauhelmtruppe zulassen?
Beer: Ich glaube, dass das nicht die Diskussion von heute ist, sondern die Frage ist, ob nach diesem Krieg, den wir versucht haben zu verhindern, die UNO wieder anerkannt wird als die zuständige Institution, die auch zuständig ist, um Blauhelme und andere zu mandatieren. Von diesem Mandat hängt viel ab. Es wird sich zeigen, ob Herr Bush oder Herr Blair sich durchsetzen. Es sollte erst einmal um die Versorgungsmöglichkeit der Menschen gehen, und da halte ich die deutsche Diskussion, die Sie im Moment einfordern, über eine Blauhelmbeteiligung unter ungeklärten Verhältnissen für nicht zeitgemäß.
Remme: Aber wäre es nicht eine wünschenswerte Stärkung der Vereinten Nationen, die ja dringend vonnöten ist, diesen deutschen Beitrag dann leisten zu können?
Beer: Wir leisten einen immensen Beitrag. Ich erwähne das noch einmal. Die Schwerpunktsetzung ist die humanitäre Hilfe. Wir haben die Federführung beim Un-Sanktionsausschuss, der diese Hilfe auch gewähren kann. Die Fragen, ob dieses gelingt oder nicht, sind im Moment an die amerikanische Administration zu richten, die offensichtlich meint, mit ihrem Gewaltmonopol auch über die Zukunft des Irak und möglicherweise anderer Länder zu entscheiden. Das wäre nicht unser Weg.
Remme: Frau Beer, wenn sich die Amerikaner durchsetzen und auf einer Führung im Irak auch danach beharren, muss dann Deutschland möglicherweise diesen Konflikt, der ja nun für einen Partner, wie wir es über lange Jahrzehnte waren, schmerzlich ist, lang- und mittelfristig aushalten?
Beer: Das wird sich zeigen. Ich glaube die erste Frage, die zu klären ist, betrifft wieder das Land selber. Es gibt zahlreiche Bevölkerungsgruppierungen im Irak: die Kurden mit einer relativ starken Autonomie, die Schiiten, die Turkmenen. Dort wird sich zeigen müssen, ob die US-Administration und eine solche Verwaltung bereit ist, die Vielfalt dieses Landes zu erhalten, oder was eigentlich der politische Plan ist. Dann wird man entscheiden, ob man kooperieren kann. Wir haben ein massives Interesse, die transatlantischen Beziehungen wieder zu verbessern. Das kann aber nicht nach dem Prinzip Zucker, Brot und Peitsche gehen, sondern es muss ein gemeinsamer Nenner gefunden werden und das ist die Stabilisierung des nahen und mittleren Ostens ohne jeden weiteren Krieg.
Remme: Angelika Beer war das, die Vorsitzende der Grünen. - Frau Beer, ich bedanke mich!
Link: Interview als RealAudio