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Die rot-grüne Koalition muss erhalten bleiben

    Zagatta: Obwohl Kanzler Schröder den Knüppel der Vertrauensfrage schwingt ist es keineswegs sicher, dass er morgen eine Mehrheit bekommt in der Afghanistan-Abstimmung. Und es sind nicht nur grüne Abgeordnete, die mit Nein stimmen wollen. Mit Christa Loercher hat jetzt nach Presseberichten auch eine SPD-Politikerin angekündigt, mit Nein zu stimmen, und weitere könnten folgen. Auch Kriegsgegner in der SPD tun sich schwer mit der morgigen Abstimmung, darunter auch die Berliner Abgeordnete Renate Rennebach, mit der wir nun verbunden sind. Guten Morgen Frau Rennebach!

    Rennebach: Guten Morgen!

    Zagatta: Frau Rennebach, mit welchen Gefühlen sehen Sie denn dem heutigen Tag und der Abstimmung morgen entgegen?

    Rennebach: Heute ist der Tag noch mal voll mit Gesprächen, miteinander diskutieren, miteinander reden, was richtig ist. Aber es bleibt kein Zweifel: die rot/grüne Koalition muss erhalten bleiben.

    Zagatta: Sie haben sich ja auch mit dem Gedanken getragen, mit Nein zu stimmen. Jetzt sagen Sie, kein Zweifel, die Koalition muss erhalten bleiben. Das heißt Sie haben sich entschieden? Sie werden zustimmen?

    Rennebach: Ich hatte schon im Vorfeld sehr viele Zweifel, ob das Nein richtig ist, weil einfach auch das Fehlen der Alternativen im Kopf ist.

    Zagatta: Das heißt Sie stimmen jetzt mit Ja?

    Rennebach: Ich stimme jetzt natürlich mit Ja.

    Zagatta: Beeindruckt vom Kanzler?

    Rennebach: Natürlich. Ich will diese rot/grüne Koalition erhalten. Ich habe doch nicht drei Jahre hart gearbeitet, um Verbesserungen in meinem Bereich der Sozialpolitik zu erreichen und dann alles wieder mit einem Schlag kaputt zu machen.

    Zagatta: Und Afghanistan? Dieses Thema ist jetzt zweitrangig?

    Rennebach: Afghanistan ist natürlich nicht zweitrangig. Ich lege weiterhin Wert darauf, dass keine Bodentruppen in Afghanistan sind. Aber ich habe auch das Gefühl, dass dies gar nicht mehr so notwendig sein wird, dass wir uns über einen Fakt aufregen, über einen Einsatz aufregen, der vielleicht gar nicht stattfinden wird oder in ganz anderer Art stattfinden wird. Das ist eine ganz vertrackte Situation im Moment.

    Zagatta: Welchen Eindruck haben Sie denn in Ihrer Fraktion? Sie sind ja mit den Abgeordnetenkollegen im Gespräch, die auch Probleme haben mit dieser Abstimmung. Wird es Neinstimmen in der SPD geben?

    Rennebach: Nein. Bis auf den einen Namen von Frau Loercher, die sich wohl offensichtlich schon geäußert hat, glaube ich nicht, dass es weitere Stimmen geben wird. Wir haben gestern mit großem Ernst diskutiert und werden das natürlich heute auch noch einmal tun, wie wir uns in der Abstimmung verhalten. Das heißt das Ja war nicht die Diskussion, sondern welche persönliche Erklärung geben wir zur Abstimmung ab. Das ist eigentlich klar, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich die Koalition im Auge haben. Das Vertrauen für den Kanzler stand sowieso nie außer Frage.

    Zagatta: Dass der Kanzler diese Afghanistan-Abstimmung jetzt mit der Vertrauensfrage verbindet, ist das für Sie in Ordnung? Ist das legitim?

    Rennebach: Es gibt Leute die sagen, es ist ein kluges Management. Andere sagen wieder, es ist Erpressung. Ich glaube es ist so ein Ding dazwischen. Ich glaube er muss die Koalition zusammenhalten und ihm blieb kein anderes Mittel. Er hat sich ja auch mit weisen Männern unserer Geschichte unterhalten, mit Helmut Schmidt und Hans-Jochen Vogel. Ich sage mal, es ist vielleicht nicht der geradeste Weg, auf der anderen Seite vielleicht die Reißleine, die wir gebraucht haben.

    Zagatta: Hat die SPD-Führung möglichen Neinsagern nahegelegt, ihr Mandat niederzulegen? Ist Ihnen das zu Ohren gekommen oder ist das ein Gerücht?

    Rennebach: Natürlich war das ein Aspekt. Auch mir ist gesagt worden, dass dies eine Alternative wäre.

    Zagatta: Von wem?

    Rennebach: Von meinem Fraktionsvorsitzenden. Aber ich habe es nicht als Drohgebärde verstanden, sondern als Aufzählung von ihm, was alles möglich wäre, wenn man Nein sagt. Das war aber in einer Situation, da war von der Vertrauensfrage überhaupt noch nicht die Rede. Alle kämpfen um die Koalition und da sind halt auch Worte gefallen, die vielleicht ein bisschen über das Ziel hinaus waren.

    Zagatta: Wenn Sie selbst, Frau Rennebach, sich lange mit dem Gedanken getragen haben, mit Nein zu stimmen, kann man es dann grünen Abgeordneten verübeln, dass sie Nein sagen?

    Rennebach: Ich nehme es überhaupt keinem übel, wenn er seinem Gewissen folgt, aber ich habe ganz klar gesagt, ich definiere mich nicht nur als Pazifistin; ich definiere mich auch als Sozialpolitikerin und da muss ich abwägen. Wenn andere das nicht können, kann ich das nicht verurteilen, weil ich kann über das Gewissen anderer Menschen nicht urteilen.

    Zagatta: Finden Sie das denn mit Blick auf den Koalitionspartner einen fairen Umgang mit ihm, wenn man diese Gewissensschwierigkeiten hat, ihn dann mit der Vertrauensfrage unter Druck zu setzen?

    Rennebach: Der Koalitionspartner möchte weiterregieren und ich glaube es ist gut für die Grünen, wenn sie weiterregieren und Zeit haben bis zu den nächsten Wahlen, sich etwas zu regenerieren. Ich würde im Namen der Grünen sagen, es ist für sie noch wichtiger als für uns, dass diese Vertrauensfrage über die Bühne geht.

    Zagatta: Wenn diese Regierungsmehrheit so wie Sie jetzt hoffen morgen noch zu Stande kommt, geben Sie rot/grün für die Zukunft über die nächste Wahl hinaus überhaupt noch eine politische Zukunft?

    Rennebach: Das was ich vorhin vom Definieren gesagt habe, also nicht Pazifistin, sondern auch Sozialpolitikerin, das ist rot/grün. Wir haben drei Jahre eine gute Zusammenarbeit gehabt und haben viel auf die Beine gebracht. Wir haben uns doch nicht nur über die Frage Krieg und Frieden zu definieren, sondern wir haben Aspekte einer guten Politik für die Bundesrepublik Deutschland. Daran müssen wir doch festhalten. Das ist denke ich der andere Teil, den wir in die Waage werfen müssen. Ich meine er wiegt schwerer. Was wir in Zukunft mit einer Außen- und Sicherheitspolitik einer rot/grünen Bundesregierung machen, wie wir darüber diskutieren, da wird es Zeit geben für Gespräche danach.

    Zagatta: Wie denken Sie denn über eine Koalition mit der FDP?

    Rennebach: Einen Herrn Westerwelle als Außenminister kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe zwei Kollegen der FDP-Fraktion im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung. Ich glaube ich würde grüne Pickel kriegen, wenn ich mit denen Sozialpolitik machen sollte, wenn ich das jetzt mal etwas unangemessen sagen darf.

    Zagatta: Danke schön! - Das war Renate Rennebach, SPD-Abgeordnete aus Berlin.

    Link: Interview als RealAudio