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"Die Sache muss dringend vom Tisch"

Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, gibt der Bahn AG die Hauptschuld an der Eskalation des Tarifkonflikts mit der Lokführergewerkschaft GDL. "Es muss jetzt ein substanzielles Angebot her", sagte der CDU-Politiker angesichts des vereinbarten Spitzentreffens.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Am Telefon begrüße ich Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Guten Tag, Herr Fischer!

    Dirk Fischer: Guten Tag, Frau Klein!

    Klein: Durchbruch, Fortschritt, Wiederannäherung, oder tendiert doch alles gegen null, was erwarten Sie von dem Gespräch heute?

    Fischer: Na ja, der Bundesverkehrsminister Tiefensee, der hier den Alleingesellschafter der DB AG, den Bund, repräsentiert, hat ja seinem Spitzenangestellten, Herrn Mehdorn, seine dringende Erwartung übermittelt, endlich ein substanzielles Angebot auf den Tisch zu legen, über das zu verhandeln sich lohnt. Denn dass man Überstunden bezahlt und dass man für Mehrarbeit eine Vergütung bekommt, kann als ein solches ja nicht gewertet werden. Das ist ja ganz klar, das haben auch alle Gewerkschaften unisono so bewertet. Und deswegen ist natürlich jetzt die DB AG gefordert, ich hoffe, es hat stattgefunden, ein Angebot zu unterbreiten, über das man sprechen kann.

    Klein: Der Verkehrsminister soll schwer auf die Bahn eingewirkt haben, sich zu bewegen. Waren Sie als Parlamentarier einbezogen?

    Fischer: Nein, wir waren nicht einbezogen, sondern wir sind hier und dort informiert worden und haben darüber gesprochen und haben uns natürlich auch öffentlich geäußert. Aber das, worauf ich immer wieder hingewiesen habe, ist das Gesprächsergebnis der Moderation der Herren Biedenkopf und Geißler, die die beiden unterschiedlichen Lager ja vertreten haben, vom 27. August, wo es in der Ziffer 1 heißt, der Arbeitgeber ist bereit, Tarifverhandlungen zu führen, einerseits mit der GDL mit dem Ziel, bis 30. September 07 einen eigenständigen Tarifvertrag abzuschließen, der Entgelt- und Arbeitszeitregelungen für Lokomotivführer umfasst. Und dieses ist unterschrieben nicht nur von Geißler und Biedenkopf, sondern auch von der DB AG, auch von Herrn Schell und auch von den konkurrierenden Gewerkschaften, also von Herrn Hansen und Herrn Hommel. Und dieses hat in der Vergangenheit, bisher jedenfalls, noch nicht stattgefunden, so dass die Verantwortung für die Entwicklung nach meiner Auffassung ganz überwiegend beim Arbeitgeber liegt.

    Klein: Also bei der Bahn. Die Bahn allerdings hat das von Ihnen gerade genannte Schlichtungsergebnis ja immer anders interpretiert. Weshalb sollte jetzt ein Stimmungswandel einsetzen?

    Fischer: Also ich habe sogar noch eine interpretative Empfehlung der Moderatoren vom 14.9., wo nichts anderes auch als das Gesprächsergebnis von den beiden Moderatoren übereinstimmend dargelegt wird, so dass mich wundert, wie die DB AG den Begriff eigenständiger Tarifvertrag über Entgelt- und Arbeitszeitregelung anders interpretieren kann, als dieser Wortsinn das ganz klar ausdrückt. Ich bin ja nicht beteiligt gewesen, ich lese das nur. Und als Jurist würde ich sagen, das kann man kaum anders interpretieren.

    Klein: Also die Bahn ist am Zuge nach Ihren Worten, und Sie gehen auch schwer davon aus, dass sie sich bewegen wird?

    Fischer: Also sie ist dringend am Zuge, und es muss jetzt ein substanzielles Angebot her, und es muss verhandelt werden, bis ein Ergebnis feststeht. Denn es ist der deutschen Volkswirtschaft und den Bahnkunden des Personenfern- und -nahverkehrs nicht zuzumuten, noch wochenlang darunter zu leiden. Ich denke an das ganze Weihnachtsgeschäft und die Umstände. Also die Sache muss dringend vom Tisch. Und deswegen unterstütze ich Herrn Tiefensee auch mit der Inanspruchnahme der Führung der Deutschen-Bahn-Aktiengesellschaft. Im Übrigen, in dem Beitrag hat Frau Suckale die einzelnen Berufsgruppen im Unternehmen dargestellt und ihre Gehaltserwartungen, sie hat allerdings die Ebene des Managements völlig ausgespart. Denn dieses Management hat ja seit Beginn der DB AG 1994 etwa eine Verzehnfachung seines Einkommens erhalten. Und deswegen ist es wenig gut geeignet, den Lokomotivführern nun Maßhalten zu empfehlen.

    Klein: Die Gewerkschaft der Lokomotivführer ist nun allerdings dem Vernehmen nach weg von der Forderung, 30 Prozent mehr, das Ergebnis solle aber zweistellig sein. Kann es dazu kommen?

    Fischer: Frau Klein, ich habe nie von der GDL eine Forderung 31 Prozent gehört. Hier hat die DB AG alle Strukturmaßnahmen maximal hochgerechnet, und die Zahl 31 Prozent kommt nach meiner Kenntnis nicht von der GDL, sondern von der DB AG. Das war im Grunde genommen eine Horrorrechnung, um sich auf die gute Seite zu begeben. Das heißt also, wenn ich mir auch die Tabelle der Einkünfte der Lokomotivführer in Europa angucke - England, Frankreich und so weiter, das haben wir in den Medien alles lesen können -, liegen die deutschen Lokomotivführer sehr weit am Ende der Skala, so dass die Zahl, die sie genannt haben, sehr hoch wirkt. Aber man muss immer die Ausgangslage bedenken, und die ist für deutsche Lokomotivführer natürlich ganz schlecht. Und es ist immer so, sie haben einen Dienst, sie haben viel Nachtdienst, viel Schichtdienst. Und dann, wenn ein Unglück passiert, dann steht nicht der Vorstand der DB AG vor Gericht, sondern der Lokomotivführer. In solchen Situationen erweist sich dann ihre besondere Verantwortung.

    Klein: Noch mal meine Frage, Herr Fischer: Ein Ergebnis auch nur zwischen 10 und 15 Prozent mehr, ist das realistisch?

    Fischer: Ich kann das nicht beurteilen, denn die Politik macht keine Tarifverhandlungen, sondern das muss geklärt werden. Mag ja sein, dass diese Forderung auch reduziert werden kann, wenn einzelne Strukturmaßnahmen eingesetzt werden, die nicht unmittelbar Geld kosten, sich aber positiv für die Lokomotivführer auswirken. Also ich bin nicht Beteiligter eines Tarifkonfliktes und kann deswegen auch die einzelnen Zahlen gar nicht bewerten und will das auch gar nicht tun, weil sich Politik in Tarifauseinandersetzungen der Sozialpartner nicht substanziell einzumischen hat.

    Klein: Die Gewerkschaft Transnet bewertet diese in Rede stehende Zahl gleichwohl, und sie sagt jetzt, wenn die GDL einen höheren Tarifabschluss als 4,5 Prozent bekommt, dann werden wir unsererseits streiken. Das heißt, wir können uns jetzt einstellen auf Streiks bei Transnet?

    Fischer: Ja, weil der Fehler gemacht worden ist bei den Tarifverhandlungen mit der GDBA und der Transnet, eine Revisionsklausel in den Tarifvertrag einzubauen, also einen Tarifabschluss, einen Vertrag zu machen unter einem Vorbehalt, unter einer Bedingung. Ob dieses rechtlich ganz koscher ist, habe ich eher meine Zweifel, aber es war ein Fehler der DB AG, einen Tarifvertrag mit einer Revisionsklausel zu vereinbaren. Das hätte nicht geschehen dürfen.

    Klein: Also das heißt, es wird tatsächlich so kommen können, wenn Transnet das will, werden vielleicht die Streiks, wird der Konflikt mit der GDL beendet sein, aber die nächsten Tarifauseinandersetzungen stehen schon vor der Tür?

    Fischer: Ja, das muss die DB AG natürlich dann im Gesamtzusammenhang sehen, denn sie hat mit der GDBA und der Transnet vereinbart, dass, wenn ein anderer Tarifabschluss mit einer konkurrierenden Gewerkschaft abgeschlossen wird, dass dann auch mit den anderen Gewerkschaften neu verhandelt werden muss. Das ist ja ein Problem, was die DB AG selbst geschaffen hat.

    Klein: Die Meinung von Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Danke Ihnen für das Gespräch.

    Fischer: Ja, bitte sehr. Wiederhören, Frau Klein.

    Klein: Wiederhören.