Stefan Heinlein: Noch ist es nur ein kleines Plus, doch immerhin: Es scheint, wieder aufwärts zu gehen mit der deutschen Wirtschaft. 0,3 Prozent beträgt das Wachstum im zweiten Quartal. Heute diese für viele überraschende Zahl des Statistischen Bundesamtes. Nach dem deutlichen Abschwung zu Jahresbeginn haben sich die deutschen Unternehmen nun offenbar wieder erholt. Schon ist die Rede von einem Ende der Rezession.
Bei mir im Studio ist nun mein Kollege Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion. Herr Kindermann, Ihre Einschätzung: Ist der Optimismus tatsächlich berechtigt? Ist das das Ende der Rezession?
Klemens Kindermann: Stefan Heinlein, das ist ja immer so eine Sache. Konjunkturexperten tun sich immer sehr schwer damit, den Wendepunkt zu beziffern. Die winden sich teilweise regelrecht darum, weil vor einer Konjunkturwende heißt es immer, es ist noch nicht so weit, es gebe noch jenes oder dieses negative Signal, und irgendwann hinterher hört man dann, die Wende war schon da. Das kann man auch in einem gewissen Maß verstehen, weil es immer eine Unmenge von Daten gibt, die man sammelt, bevor man zu diesem Schluss kommt. Aber am heutigen Tag muss man sich doch fragen, was noch dazu kommen muss, um zu sagen, die Wende ist da, die Rezession ist beendet. Warum? – Es gab vor dem heutigen Tag eine sehr, sehr eindeutige Prognose von vielen Analysten, die das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal immer noch negativ gesehen haben, immer noch ein Minuswachstum von 0,2, 0,3 Prozent geschätzt haben. Jetzt haben wir auf einmal keine Schrumpfung mehr, sondern ein Wachstum von 0,3 Prozent. Das mag sich nicht viel anhören, ist auch in anderen Zeiten der deutschen Wirtschaft eigentlich, um ganz ehrlich zu sein, ein mieser Wert gewesen, aber jetzt ist dieses Wachstum anstelle des Schrumpfens wirklich unerwartet und deshalb sehr bedeutsam. Wir erinnern uns noch mal: Die Wirtschaftsleistung Anfang des Jahres war um über drei Prozent eingebrochen, grottenschlecht, wie eine Schockstarre, und jetzt auf einmal wieder das Signal zum Losfahren. Wenn Sie mich fragen: Die schlimmste Rezession in Deutschland ist vorüber.
Heinlein: Also tatsächlich keine Eintagsfliege? Eine echte Trendwende? Es wird dauerhaft aufwärtsgehen, zumindest wenn man sich auf die Zahlen jetzt verlässt?
Kindermann: Ja. Der Herr Mütze von der Helaba hat das ja auch schon ein bisschen angesprochen. Wir haben ja nicht nur dieses Signal, sondern wir hatten im Juni dieses starke Exportwachstum von sieben Prozent. Da sind schon viele Volkswirte auf die Idee gekommen, dass auch das Bruttoinlandsprodukt diesen Trend nachzeichnen wird. Und was für die Realwirtschaft noch viel wichtiger ist, das sind die Auftragseingänge, die massiv gestiegen sind. Das heißt, der deutschen Wirtschaft ist es gelungen, wieder Aufträge aus dem, wie eben in dem Beitrag auch schon angeklungen ist, Ausland zu generieren, und das kann zu einer Verstetigung des Wachstums führen.
Heinlein: Herr Kindermann, vielleicht zu den Gründen. Woran liegt es? Zeigen die Konjunkturprogramme der Bundesregierung tatsächlich schon Wirkung, oder ist es nur der Auftragseingang aus dem Ausland, den Sie gerade erwähnt haben?
Kindermann: Das ist sehr interessant. Wir haben ja viele Politikermeinungen dazu, was die Konjunkturprogramme alles vermögen könnten, aber jetzt haben wir auch Stimmen aus dem Statistischen Bundesamt selber, also von unabhängiger Stelle, und da wird schon gesagt, dass die milliardenschweren Konjunkturprogramme schon Spuren zeigen. Die seien in den Zahlen zu erkennen, heißt es, und das betrifft sowohl den Konsum wie auch die Investitionen. Man muss sich nicht lange streiten; eindeutig im Vordergrund steht dabei natürlich die Abwrackprämie, die den Autoabsatz ganz eindeutig angekurbelt hat und jetzt tatsächlich eine messbare Wirkung beim Wachstum entfaltet. Lassen Sie mich, Herr Heinlein, darauf aber noch kurz sagen; das klang eben auch schon ein bisschen an. Viel wichtiger als das deutsche Konjunkturprogramm sind möglicherweise die Konjunkturprogramme in anderen Ländern, in Europa, aber zum Beispiel auch in China, wo die deutsche Wirtschaft ja sehr stark engagiert ist. Da werden die dortigen Konjunkturprogramme glasklar so ausgelegt, dass auch die deutsche Wirtschaft davon profitieren kann. Das geht auf Umwelttechnologie, Kraftwerkstechnik oder Baudienstleistungen. Und umgekehrt profitieren andere Wirtschaften ja auch wieder von unseren Konjunkturmaßnahmen. Nehmen wir mal die Abwrackprämie, da profitieren asiatische oder französische Automobilproduzenten möglicherweise mehr als unsere heimische Autowirtschaft.
Heinlein: Blicken wir, Herr Kindermann, dennoch einen Moment auf den deutschen Markt. Wie wird sich dieser leichte Aufschwung in den kommenden Monaten auf die Arbeitslosenzahl auswirken? Kommt es doch nicht so schlimm, wie von mancher Seite befürchtet?
Kindermann: So einfach ist es halt nicht, dass das Wachstum gleichzeitig positiv auf die Arbeitsplätze wirkt. Wir sehen ja heute zum Beispiel, wie schwierig die Zukunft der Beschäftigten bei Arcandor aussieht und dass die Deutsche Post dann gleich da mit reingezogen wird als größter Logistikpartner. Dort müssen Tausende um Arbeitsplätze bangen. Also die Nachrichten über gefährdete Arbeitsplätze werden in den nächsten Monaten eher noch zunehmen, ist meine Einschätzung. Woran liegt das? – Man kann sich das so vorstellen: die Entwicklung an den Arbeitsmärkten läuft der Konjunktur immer zeitversetzt hinterher. Es wird nicht sofort entlassen, weil mal eine rote Zahl geschrieben wird. Das entspricht weder der Klugheit des Unternehmers, der seine Mitarbeiter für die nächsten Aufträge halten will, noch den gesetzlichen Vorgaben hierzulande. Stellenstreichungen sind hier nicht so einfach. Aber jetzt dauert die Krise schon sehr lange, Unternehmern geht das Geld aus, sie müssen entlassen. In vielen Unternehmen sind die Aufträge, von denen wir eben gesprochen haben, noch nicht da. Das ist nicht in allen Branchen genauso. Und Sie dürfen nicht vergessen: gegen Ende des Jahres werden viele Kurzarbeiterregelungen auslaufen. Spätestens dann – und da sind sich eigentlich alle Experten einig – ist die kritische Phase, Ende des Jahres 2009, Anfang des Jahres 2010. Da muss man rechnen, dass die Arbeitslosenzahl gravierend ansteigt. Schätzungen sind ja so, dass wir die 3,5-Millionen-Grenze, die wir bisher noch nicht überschritten haben, im Laufe dieses Jahres sicher überschreiten werden, möglicherweise noch vor der Bundestagswahl. Bisher gab es Schätzungen von 5 Millionen in 2010; vielleicht, aufgrund dieser neuen Zahlen, werden es nur 4, 4,5.
Heinlein: Also doch ein bisschen Wasser in den Wein der neuesten Zahlen aus Wiesbaden. – Vielen Dank für diese Informationen. - Klemens Kindermann war das aus der Wirtschaftsredaktion des Deutschlandfunks.
Bei mir im Studio ist nun mein Kollege Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion. Herr Kindermann, Ihre Einschätzung: Ist der Optimismus tatsächlich berechtigt? Ist das das Ende der Rezession?
Klemens Kindermann: Stefan Heinlein, das ist ja immer so eine Sache. Konjunkturexperten tun sich immer sehr schwer damit, den Wendepunkt zu beziffern. Die winden sich teilweise regelrecht darum, weil vor einer Konjunkturwende heißt es immer, es ist noch nicht so weit, es gebe noch jenes oder dieses negative Signal, und irgendwann hinterher hört man dann, die Wende war schon da. Das kann man auch in einem gewissen Maß verstehen, weil es immer eine Unmenge von Daten gibt, die man sammelt, bevor man zu diesem Schluss kommt. Aber am heutigen Tag muss man sich doch fragen, was noch dazu kommen muss, um zu sagen, die Wende ist da, die Rezession ist beendet. Warum? – Es gab vor dem heutigen Tag eine sehr, sehr eindeutige Prognose von vielen Analysten, die das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal immer noch negativ gesehen haben, immer noch ein Minuswachstum von 0,2, 0,3 Prozent geschätzt haben. Jetzt haben wir auf einmal keine Schrumpfung mehr, sondern ein Wachstum von 0,3 Prozent. Das mag sich nicht viel anhören, ist auch in anderen Zeiten der deutschen Wirtschaft eigentlich, um ganz ehrlich zu sein, ein mieser Wert gewesen, aber jetzt ist dieses Wachstum anstelle des Schrumpfens wirklich unerwartet und deshalb sehr bedeutsam. Wir erinnern uns noch mal: Die Wirtschaftsleistung Anfang des Jahres war um über drei Prozent eingebrochen, grottenschlecht, wie eine Schockstarre, und jetzt auf einmal wieder das Signal zum Losfahren. Wenn Sie mich fragen: Die schlimmste Rezession in Deutschland ist vorüber.
Heinlein: Also tatsächlich keine Eintagsfliege? Eine echte Trendwende? Es wird dauerhaft aufwärtsgehen, zumindest wenn man sich auf die Zahlen jetzt verlässt?
Kindermann: Ja. Der Herr Mütze von der Helaba hat das ja auch schon ein bisschen angesprochen. Wir haben ja nicht nur dieses Signal, sondern wir hatten im Juni dieses starke Exportwachstum von sieben Prozent. Da sind schon viele Volkswirte auf die Idee gekommen, dass auch das Bruttoinlandsprodukt diesen Trend nachzeichnen wird. Und was für die Realwirtschaft noch viel wichtiger ist, das sind die Auftragseingänge, die massiv gestiegen sind. Das heißt, der deutschen Wirtschaft ist es gelungen, wieder Aufträge aus dem, wie eben in dem Beitrag auch schon angeklungen ist, Ausland zu generieren, und das kann zu einer Verstetigung des Wachstums führen.
Heinlein: Herr Kindermann, vielleicht zu den Gründen. Woran liegt es? Zeigen die Konjunkturprogramme der Bundesregierung tatsächlich schon Wirkung, oder ist es nur der Auftragseingang aus dem Ausland, den Sie gerade erwähnt haben?
Kindermann: Das ist sehr interessant. Wir haben ja viele Politikermeinungen dazu, was die Konjunkturprogramme alles vermögen könnten, aber jetzt haben wir auch Stimmen aus dem Statistischen Bundesamt selber, also von unabhängiger Stelle, und da wird schon gesagt, dass die milliardenschweren Konjunkturprogramme schon Spuren zeigen. Die seien in den Zahlen zu erkennen, heißt es, und das betrifft sowohl den Konsum wie auch die Investitionen. Man muss sich nicht lange streiten; eindeutig im Vordergrund steht dabei natürlich die Abwrackprämie, die den Autoabsatz ganz eindeutig angekurbelt hat und jetzt tatsächlich eine messbare Wirkung beim Wachstum entfaltet. Lassen Sie mich, Herr Heinlein, darauf aber noch kurz sagen; das klang eben auch schon ein bisschen an. Viel wichtiger als das deutsche Konjunkturprogramm sind möglicherweise die Konjunkturprogramme in anderen Ländern, in Europa, aber zum Beispiel auch in China, wo die deutsche Wirtschaft ja sehr stark engagiert ist. Da werden die dortigen Konjunkturprogramme glasklar so ausgelegt, dass auch die deutsche Wirtschaft davon profitieren kann. Das geht auf Umwelttechnologie, Kraftwerkstechnik oder Baudienstleistungen. Und umgekehrt profitieren andere Wirtschaften ja auch wieder von unseren Konjunkturmaßnahmen. Nehmen wir mal die Abwrackprämie, da profitieren asiatische oder französische Automobilproduzenten möglicherweise mehr als unsere heimische Autowirtschaft.
Heinlein: Blicken wir, Herr Kindermann, dennoch einen Moment auf den deutschen Markt. Wie wird sich dieser leichte Aufschwung in den kommenden Monaten auf die Arbeitslosenzahl auswirken? Kommt es doch nicht so schlimm, wie von mancher Seite befürchtet?
Kindermann: So einfach ist es halt nicht, dass das Wachstum gleichzeitig positiv auf die Arbeitsplätze wirkt. Wir sehen ja heute zum Beispiel, wie schwierig die Zukunft der Beschäftigten bei Arcandor aussieht und dass die Deutsche Post dann gleich da mit reingezogen wird als größter Logistikpartner. Dort müssen Tausende um Arbeitsplätze bangen. Also die Nachrichten über gefährdete Arbeitsplätze werden in den nächsten Monaten eher noch zunehmen, ist meine Einschätzung. Woran liegt das? – Man kann sich das so vorstellen: die Entwicklung an den Arbeitsmärkten läuft der Konjunktur immer zeitversetzt hinterher. Es wird nicht sofort entlassen, weil mal eine rote Zahl geschrieben wird. Das entspricht weder der Klugheit des Unternehmers, der seine Mitarbeiter für die nächsten Aufträge halten will, noch den gesetzlichen Vorgaben hierzulande. Stellenstreichungen sind hier nicht so einfach. Aber jetzt dauert die Krise schon sehr lange, Unternehmern geht das Geld aus, sie müssen entlassen. In vielen Unternehmen sind die Aufträge, von denen wir eben gesprochen haben, noch nicht da. Das ist nicht in allen Branchen genauso. Und Sie dürfen nicht vergessen: gegen Ende des Jahres werden viele Kurzarbeiterregelungen auslaufen. Spätestens dann – und da sind sich eigentlich alle Experten einig – ist die kritische Phase, Ende des Jahres 2009, Anfang des Jahres 2010. Da muss man rechnen, dass die Arbeitslosenzahl gravierend ansteigt. Schätzungen sind ja so, dass wir die 3,5-Millionen-Grenze, die wir bisher noch nicht überschritten haben, im Laufe dieses Jahres sicher überschreiten werden, möglicherweise noch vor der Bundestagswahl. Bisher gab es Schätzungen von 5 Millionen in 2010; vielleicht, aufgrund dieser neuen Zahlen, werden es nur 4, 4,5.
Heinlein: Also doch ein bisschen Wasser in den Wein der neuesten Zahlen aus Wiesbaden. – Vielen Dank für diese Informationen. - Klemens Kindermann war das aus der Wirtschaftsredaktion des Deutschlandfunks.