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Die seltsame Geschichte des Eden Ahbez
Der erste Hippie

Der Musiker Eden Ahbez lebte schon lange vor dem Revolutionsjahr 1968 wie ein Hippie. Ohne feste Adresse, ohne Geld, obwohl er sogar Welthits für andere schrieb. Sein einziges eigenes Album kennen nur wenige. Jetzt ist es wieder einmal neu veröffentlicht worden.

Von Ralf bei der Kellen | 24.07.2018
    Hollywood Sign in den Hollywood Hills
    Unter dem zweiten "L" bewohnte Eden Ahbez eine kleine Hütte (AFP / Robyn Beck)
    "Das viele Geld, das ich verdient habe, wird meine Art zu leben nicht ändern. Die Natur und ein einfaches Leben bringen Dir Glück und Frieden. Und die kann man nicht kaufen."
    Ein seltsames Paar: Amerikas singendes Nationalheiligtum Frank Sinatra und der erste Hippie der USA: Eden Ahbez. 1948 dürften beide ähnlich viel Geld verdient haben. Denn da hatten neben Sinatra auch Sarah Vaughan und Dick Haymes Top-20-Hits mit Ahbez’ Komposition "Nature Boy".
    Berühmter Wohnort, aber keine Adresse
    Zur Nummer Eins machte das Lied aber ein anderer: Nat King Cole. Ihm hatte Eden Ahbez das Stück ursprünglich gegeben. 1948 erklärte Cole in einer TV-Show:
    "Wissen Sie, warum "Nature Boy" fast gar nicht erschienen wäre? Der Türsteher im Theater wollte Ahbez nicht hinter die Bühne lassen. Also hinterließ er seine Komposition in einem Briefumschlag - allerdings ohne seine Adresse draufzuschreiben."
    Kein Wunder, denn - er hatte keine. Eden Ahbez war Anhänger der aus Deutschland und der Schweiz stammenden Lebensreform-Bewegung. Er ernährte sich strikt vegetarisch und schlief unter freiem Himmel. Oder in einer kleinen Hütte unter dem zweiten "L" des berühmten "Hollywood"-Schriftzuges.
    Seltsame Lieder von verzauberten Inseln
    "Life", "Newsweek", "Time" - nach dem Erfolg von "Nature Boy" brachten alle großen Magazine in den USA ausführliche Artikel über diesen Naturburschen. Und dann passierte - erstmal gar nichts.
    Erst gut zehn Jahre später verpflichtete Bob Keane den Proto-Hippie für sein Label Del-Fi Records. Und so entstand am 22. Juli 1960 sein einziges Album: "Eden’s Island".
    Ein Album voller seltsamer Lieder, die von verzauberten Inseln, endlosen Stränden und exotischen Früchten und Tieren handelten. Die Texte changierten zwischen kindlicher Naivität und tiefen kosmologischen Einsichten - und das im zehn-Sekunden-Takt. Wenn Eden gerade keine Gedichte rezitierte, dann spielte er auf selbstgebauten Flöten.
    Persönliche Schicksalsschläge
    Von der LP-Hülle blickt Ahbez auf seine potentiellen Hörer - mit wallenden Haaren und langem Bart, den Blick fest aufs Nirvana gerichtet. Optisch hätte er (damit) problemlos zur berühmten Hippie-Band the Grateful Dead gepasst.
    Natürlich verkaufte sich die LP nur ein paar hundert Mal. Mit dem Exotica-Revival in den 1990er Jahren wurde sie zum Kult. Und ist seitdem immer wieder neu aufgelegt worden.
    Der Misserfolg seiner LP ist aber noch harmlos gegen Ahbez’ private Schicksalsschläge: Seine Frau Anna, ebenfalls Lebensreform-Anhängerin, starb 1964 an Krebs, 1971 ertrank der einzige gemeinsame Sohn Zoma mit 17 Jahren. Eden zog sich mehr und mehr zurück.
    Nur Gott, die Unendlichkeit und die Liebe sind groß
    Im März 1995, kurz bevor "Eden’s Island" erstmals wiederveröffentlicht wurde, starb Eden Ahbez, nachdem ihn ein Auto angefahren hatte. Er wurde 86 Jahre alt.
    Was bleibt, ist ein Lied, an dem sich zwischen Nat King Cole und David Bowie mit Massive Attack viele versuchten. Und eben jener epochal seltsame Longplayer. Sie sind das Vermächtnis des Mannes, der seinen eigenen Namen konsequent klein schrieb – mit der Begründung, dass nur die Wörter "Gott", "Unendlichkeit" und Liebe" es verdienten, großgeschrieben zu werden. Oder, wie es am Schluss von "Nature Boy" heißt:
    "Das größte, was Du jemals lernen wirst, ist einfach zu lieben. Und zurückgeliebt zu werden."