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"Die sind einfach nicht regierungsfähig"

Der ehemalige SPD-Kandidat für das Amt des Bürgermeisters in Hamburg, Michael Naumann hat Ex-SPD-Chef Franz Müntefering den Rücken gestärkt. Naumann sagte, auch er unterstütze einen Parteibeschluss gegen Bundes-Bündnisse der Sozialdemokraten mit der Linkspartei. Die Linke habe kein Programm, sondern reite lediglich "auf der populistischen Welle Oskar Lafontaines".

Moderation: Sylvia Engels |
    Silvia Engels: Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering hat sich zu Wort gemeldet. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" unterstützte er gestern den Kurs der aktuellen SPD-Führung, mit Gesine Schwan eine eigene Kandidatin für das Bundespräsidentenamt aufzustellen. Doch zum Kurs seiner Partei gegenüber der Linkspartei hatte Müntefering gestern im ARD-Fernsehen eine deutliche Empfehlung:

    Franz Müntefering: Ich gehe davon aus, dass 2009 im Zusammenhang mit der Bundestagswahl es keinerlei Zusammenarbeit der SPD mit der Partei Die Linke gibt - definitiv nicht. Und es wäre sehr hilfreich, wenn meine Partei das auch noch einmal ausdrücklich beschließen würde. Dass bei der Bundespräsidentenwahl jeder der Wahlmänner und Wahlfrauen freie Hand hat zu entscheiden, das ist eine ganz andere Sache.

    Michael Engels: Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering. Am Telefon ist Michael Naumann, der frühere SPD-Spitzenkandidat in Hamburg, der Mitte Juni sein Mandat in der Bürgerschaft niederlegt und ab Herbst wieder als Mitherausgeber zur Wochenzeitschrift "Die Zeit" zurückkehrt. Guten Morgen Herr Naumann.

    Naumann: Guten Morgen!

    Engels: Was sagen Sie zum Vorschlag von Franz Müntefering in Sachen Linkspartei?

    Naumann: Ich halte den für völlig richtig. Es ist gerade anlässlich des letzten Parteitags der Linken klar geworden: dies ist eine nicht-regierungsfähige Gruppe von ehemaligen Protestwählern, von ehemaligen SED-Mitgliedern, von Maoisten, von enttäuschten Gewerkschaftern, also eine wirklich bunte Truppe, die es immer noch nicht fertig gebracht hat, ein eigenes Programm aufzustellen, sondern eigentlich nur auf der populistischen Welle Oskar Lafontaines - nun auch nicht gerade der charakterstärkste Politiker des Landes - reitet. Also die sind einfach nicht regierungsfähig und darum bin ich auch der Meinung, es muss und sollte die SPD gut beraten von dem alten Fahrensmann Müntefering sich da sehr klar positionieren.

    Engels: Kurt Beck, der aktuelle Vorsitzende, sagt allerdings, dieser Vorschlag sei überflüssig. Schließlich habe man schon oft genug ausgeschlossen, dass man auf Bundesebene mit den Linken irgendeine Zusammenarbeit anstrebt. Das reicht nicht?

    Naumann: Ich finde es reicht nicht. Man kann das, was richtig ist, immer wieder neu sagen. Das ist auch eine alte Weisheit von Müntefering. Man muss den Wählern und im Übrigen auch den Parteimitgliedern immer wieder das sagen, was man für richtig hält. Und wenn man schließlich das Gefühl hat, man hat es zu oft gesagt, dann ist es wahrscheinlich auch angekommen. Ich glaube, dass hier klipp und klare Positionen bezogen werden müssen.
    Es ist ja auch nicht so, wie immer in den Medien behauptet wird, dass wir hier plötzlich eine neue linke Mehrheit in Deutschland haben. Die Wahrheit ist: Es handelt sich bei der Linkspartei in Westdeutschland um eine klassische Splitterpartei, die bei niedriger Wahlbeteiligung knapp über die Fünf-Prozent-Hürde gehüpft ist. Also da gewissermaßen politisch in Schreckstarre zu verharren, halte ich für falsch und insofern hat Müntefering ganz Recht. Das muss man immer wieder klar sagen und man muss um die Wähler dieser Linkspartei kämpfen. Man muss denen sagen, wenn ihr die wählt, kriegt ihr genau die Regierung, die ihr nicht haben wolltet, nämlich die Konservativen.

    Engels: Absage an die Linkspartei klipp und klar. Ist der Führungsstil von Kurt Beck also zu schwach?

    Naumann: Ach wissen Sie, es gibt verschiedene Formen von Führungsstil. Wir sind in der SPD ja jahrelang eine wie sagt man diskursive, eine Diskussionspartei geworden und gewesen, die sich immer wieder im Gegensatz zu anderen Kanzlerwahlparteien um die intellektuellen programmatischen Grundlagen ihrer eigenen Vorstellungen streitet, um dann schließlich zu einem Zusammenhang zu finden, der sich dann schließlich auch in doch wie ich finde recht erfolgreichen Kanzlerjahren unter Schmidt, unter Willy Brandt und auch unter Schröder manifestiert hat. Da sind die Fragen, wie stark oder wie schwach ein Parteivorsitzender ist, meines Erachtens nicht so wichtig als vielmehr die Fragen, wie stark oder wie schwach sind die Argumente für das Programm der SPD. Da sehe ich im Augenblick keine Schwäche. Die Vorstellung, dass der Vorsitzende gewissermaßen zentralistisch von oben herab alles lenkt, das mag vielleicht die Vorstellung von Kurt Beck sein, ist aber meines Erachtens nicht in der Tradition der SPD.

    Engels: Da gibt es ja durchaus aber noch Unterschiede. Die Bundeskanzlerin soll gestern in ihrer Fraktion gesagt haben, man wisse gar nicht ob man künftig bei Entscheidungen nicht gleich die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles anrufen solle.

    Naumann: Sehr witzig! Die überraschende Mitteilung in Ihrer Nachricht hier ist für mich, dass sie, die Bundeskanzlerin, offensichtlich wieder im Lande ist.

    Engels: Gut. "Sehr witzig" sagen Sie. Jetzt hat ja auch Oskar Lafontaine, der Vorsitzende der Linkspartei, angekündigt, mit dem Stichwort der Bundespräsidentenwahl, wo ja die Kandidatin der SPD Schwan auch die Stimmen der Linken haben muss, wenn sie eine Chance haben will.

    Naumann: Es reichen auch die Stimmen der CDU/CSU, wie übrigens ja auch schon bei der letzten Wahl von Köhler, als sie gegen Köhler kandidierte, ja offenkundig mindestens 16 Stimmen aus dem konservativen Lager stammten, was ich auch verstehe, denn Frau Schwan ist im Herzen eine konservative Sozialdemokratin und an ihrer antikommunistischen Biographie gibt es gar nichts zu rütteln. Sie zählt zu den Konservativeren.

    Engels: Nichts desto Trotz hat sie auch durchaus eine gewisse Offenheit gegenüber Stimmen aus der Linksfraktion angedeutet. Jetzt hat ja Herr Lafontaine direkt die Chance ergriffen und vorgeschlagen, Parteichef Beck solle sich zur Absprache der Bundespräsidentenwahl kurz mit der Führung der Linken treffen. Raten Sie Herrn Beck dazu?

    Naumann: Nein, nein! Ich rate ihm ab. Wissen Sie, jede Begegnung mit Oskar Lafontaine ist und bleibt die Begegnung mit einem politischen Opportunisten und Populisten. Warum sollte man mit ihm sprechen? Er führt sowieso - übrigens haben das jetzt auch die Mitglieder seiner eigenen Partei gemerkt - in erster Linie Selbstgespräche, politische Selbstgespräche, ergänzt hin und wieder durch die familienpolitischen Divertimentos seiner Frau. Aber ich sehe keinen Sinn, mit Oskar Lafontaine, der wie man sagt die Klamotten seiner Zeit in einer Art und Weise hingeschmissen hat, in ein politisches Gespräch einzutreten. Ich glaube überhaupt, dass die Linkspartei gut beraten wäre, sich eine neue Führung zu überlegen. Langfristig wird sie überhaupt für irgendjemand erst koalitionsfähig, wenn dort an der Spitze Politiker stehen, die weder durch IM-Stasi-Verdacht geprägt sind noch durch eine Art Biographie, wie sie Oskar Lafontaine aufzuweisen hat.

    Engels: Herr Naumann, aber durch die Entscheidung für Gesine Schwan als eigene Kandidatin entsteht doch in der Öffentlichkeit wieder der Eindruck, dass man Oskar Lafontaine wieder ein Thema gegeben hat, mit dem er die SPD vor sich hertreiben kann.

    Naumann: Ach wissen Sie, in erster Linie sind es die Medien. Das ist jetzt keine Medienschelte. Ich bin ja nun bald wieder Journalist. Es sind die Medien, die jede Attitüde, jede Öffnung des Mundes von Oskar Lafontaine oder Gysi aufnehmen, um daraus eine neue Geschichte zu basteln. Wissen Sie, ich glaube ganz einfach - das meine ich ganz ehrlich -, dass niemand von der Linkspartei reden würde und insofern sie wahrscheinlich auch gar nicht wählen würde - zumindest in Westdeutschland -, hätte der wirklich forensische Plauderer Gysi nicht den permanenten Talkshow-Auftritt in Deutschland erleben dürfen, ohne dass sich irgendjemand daran erinnert, was er eigentlich an konkreten politischen Vorschlägen, die man auch finanzieren kann, gesagt hätte. Er ist gewissermaßen berühmt dadurch, dass er berühmt geworden ist. Das gleiche gilt auch für Lafontaine. Ich halte ganz einfach die Linkspartei für eine vorübergehende Erscheinung und nicht für ein langfristiges politisches Phänomen, mit dem man sich dann auch politisch zu arrangieren hätte. Das ist vielleicht der große Unterschied zwischen Andrea Nahles und manchen anderen und mir.

    Engels: Kommen wir zurück zu Ihrer Partei. Der SPD-Landeschef von Sachsen-Anhalt Holger Hövelmann kritisiert heute Franz Müntefering für den Vorstoß, sich deutlicher von der Linkspartei abzugrenzen. Man solle sich mit solchen Vorschlägen nicht an der allgemeinen Panikmache beteiligen, sagt Hövelmann der "Mitteldeutschen Zeitung". Sie haben den Blick auf die SPD. Wie zerrissen ist sie?

    Naumann: Sie ist nicht zerrissen, sondern sie ist, wie ich schon vorhin sagte, eine diskussionsfähige und diskursfähige streitbare Partei, die sich in öffentlichen Diskussionen - wir leben schließlich in einer Demokratie und nicht in einem zentralistischen Parteiwesen - ihrem eigentlichen politischen Kurs zwischen den Wahlen anzunähern pflegt, aber am Ende tritt sie doch geschlossen auf. Was die Äußerungen aus Sachsen-Anhalt betrifft wünschte ich mir, dass dort politische Verhältnisse herrschten, die solche Äußerungen auch durch eine allgemeine Zustimmung der Wähler legitimierten. Leider ist die SPD in Sachsen-Anhalt weit davon entfernt.

    Engels: Sie nehmen aber den Abschied aus der ersten Linie der Politik. Sind Sie also auch enttäuscht?

    Naumann: Nein! Ich habe kandidiert. In der Hamburger SPD hat es eine Krise gegeben. Ich habe das gemacht, ganz einfach weil ich das Gefühl hatte: Erstens ich liebe Hamburg, zweitens ich lebe hier, drittens ist es keine Schande, in Hamburg für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren. Wir haben ein respektables Ergebnis erzielt. Ich bin aber hauptberuflich - in Hamburg ist Politik ein Ehrenamt. Wir sind zwar ein Land, aber ein Stadtstaat und die Abgeordneten sind Freizeitpolitiker. Ich bin der Meinung - und ich glaube da bin ich auch mit all unseren Zuhörern einer Meinung -, dass ein politischer Journalist kein Mandat ausüben sollte, sondern sich dann doch besinnen sollte, dass er eine andere Funktion in der Gesellschaft ausübt, und das werde ich dann auch tun.

    Engels: Michael Naumann, früherer SPD-Spitzenkandidat in Hamburg und demnächst wieder Mitherausgeber der "Zeit". Vielen Dank für das Gespräch!