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Die Situation der in Kuwait stationierten deutschen Soldaten

    Müller: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Oberstleutnant Michael Oberneyer, Kommandeur des deutschen ABC-Abwehrbataillons in Kuwait. Guten Morgen.

    Oberneyer: Schönen guten Morgen nach Deutschland.

    Müller: Herr Oberneyer, eine aus Ihrer Sicht vielleicht naive Frage: sind Sie und Ihre Soldaten im Krieg?

    Oberneyer: Nein, wir sind nicht im Krieg, denn wir trennen ganz sauber zwischen der Irak-Operation der USA und ihrer Verbündeten und unser Auftrag lautet: Wahren des Mandates 'Enduring Freedom', den Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu führen.

    Müller: Sie haben es genannt, also die Anti-Terror-Operation, das ist Ihr Auftrag, 'Enduring Freedom', das heißt der Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Ist das denn vor Ort in Kuwait zu trennen?

    Oberneyer: Ja, wir trennen das ganz deutlich, das heißt, wir leisten hier keine Unterstützung für die Irak-Operation, sehrwohl aber für den kuwaitischen Staat, Regierung und Bevölkerung in der Form, dass wir auf Wunsch und Anfrage des kuwaitischen Innenministeriums bewegliche ABC-Beobachtung in Kuwait-Stadt fahren, gemeinsam mit unseren tschechischen Kameraden, um hier einen gewissen Schutz, auch eine Vorwarnfunktion für den Fall eines Einsatzes von biologischen oder chemischen Waffen, unter anderem auch durch terroristische Anschläge, zu bieten.

    Müller: Welcher Bedrohung sind Sie denn konkret ausgesetzt?

    Oberneyer: Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Irak-Krieges sind wir natürlich zum einen der Bedrohung durch irakische Raketen, die auf Kuwait abgefeuert werden ausgesetzt. Darüberhinaus besteht eine gewisse extremistische oder terroristische Bedrohung in Kuwait, sei es durch Al Kaida-Zellen, sei es durch terroristische Strukturen, die durch den Irak gesteuert werden.

    Müller: Das heißt, Oberstleutnant Oberneyer, Sie müssen ja auch Ihre kuwaitische Bevölkerung von möglichen Folgen irakischer Raketen schützen.

    Oberneyer: Das, was wir machen ist, das möchte ich noch mal unterstreichen, dass wir nur auf Anforderung der kuwaitischen Regierung handeln. Es muss eine Unterstützungsanforderung vorliegen. Was wir dann leisten, ist ABC-Aufklärung, das heißt, Information darüber, ob biologische oder chemische Kampfstoffe eingesetzt wurde; wenn dieses der Fall sein sollte, was bislang nicht war, dann entsprechende Warnhinweise geben über gefährdete Bereiche, über die Abdrift biologischer und chemischer Kampfstoffe und damit letztendlich ein Schutz für die Bevölkerung zu bieten. Darüberhinaus können wir im Bereich der Dekondermination unterstützen, der Entgiftung oder -seuchung von Personen, Material und Fahrzeugen.

    Müller: Herr Oberneyer, erläutern Sie uns noch ein wenig die militärische Praxis für die deutschen Soldaten; wenn eine irakische Rakete einschlägt in Kuwait und es wären ja nach Agenturinformationen bislang zehn gewesen, was machen Sie dann konkret?

    Oberneyer: Wir gehen davon aus, dass bislang 13 irakische Raketen in Kuwait niedergegangen sind. Der Ablauf ist dann, dass wir Informationen über die Einschlagstelle bekommen, dann auf Anforderung mit unseren Fuchs-Spürpanzern dorthin fahren und dort diese ABC-Aufklärung durchführen, das heißt zunächst feststellen, ob es hier zu einem Einsatz von biologischen oder chemischen Kampfstoffen gekommen ist. Bislang ist es nicht der Fall gewesen, da konnten wir Gott sei Dank keinen Einsatz biologischer oder chemischer Kampfstoffe feststellen.

    Müller: Wie läuft die Zusammenarbeit mit der kuwaitischen Führung?

    Oberneyer: Diese Zusammenarbeit läuft ausgezeichnet. Die kuwaitische Zivilverteidigung hat entsprechende Führungseinrichtungen eingerichtet und betreibt diese; darin sind auch Verbindungsoffiziere von uns anwesend und halten somit einen engen Informationsaustausch mit der kuwaitischen Seite.

    Müller: Haben Sie Kontakte oder Gespräche mit der Kriegskoalition?

    Oberneyer: Selbstverständlich ergibt sich das zwangsläufig, dass wir Kontakte mit amerikanischen Soldaten haben und wir sind ein Element, ein Partner in der multinationalen Truppe der combined joined task force consequence management, die im Rahmen der Operation 'Enduring Freedom' eingesetzt wird und zu dieser task force gehören ebenfalls auch amerikanische, tschechische, slowakische Kameraden und neuerdings werden auch rumänische und ukrainische Soldaten mit dazugehören. Sicherlich unterhält man sich hier auch über die Irak-Operation, Wir leben halt mit unserem Bataillon hier in einem amerikanischen Lager, wo natürlich die Masse der Soldaten einen Auftrag hat, der im Zusammenhang steht mit der Irak-Operation, da ergibt sich das zwangsläufig zu allen Gelegenheiten.

    Müller: Was bekommen Sie, Herr Oberneyer, konkret vom Kriegsverlauf im Irak mit?

    Oberneyer: Sicherlich neben den unmittelbaren Einwirkungen wir Raketenangriffen und -alarm und deren Folgen in Kuwait selber sind es auch Informationen, die man aus den Gesprächen mit den amerikanischen Kameraden mitbekommt. Vieles auch, was mit deren Empfindungen im Krieg zu tun hat und darüber hinaus unterstreicht das noch mal, dass wir kein Bestandteil der Irak-Operation der Amerikaner sind und nicht involviert, erhalten wir die Informationen wie die Masse auch, über das Fernsehen.

    Müller: Sie führen Gespräche mit den amerikanischen Soldaten. Sind diese noch motiviert?

    Oberneyer: Doch, sie sind schon motiviert, das ist sicherlich der Fall. Und obwohl natürlich - das muss man eindeutig unterstreichen - die Diskussion innerhalb der amerikanischen Streitkräfte aufgekommen ist.

    Müller: Das heißt, sie wird offen geführt?

    Oberneyer: Ja, aber es gibt darüber hinaus keinerlei Zweifel an der Notwendigkeit der Durchführung dieses Krieges.

    Müller: Welche Kritik haben Sie denn herausgehört?

    Oberneyer: Nun, es ist nicht amerikanische Tradition, offene Kritik zu führen, aber man unterhält sich schon über die Frage des Zeitpunktes einer Operation, ob wirklich alles vorbereitet wurde, was man vorbereiten kann. Die Frage, ob man den Irak unterschätzt hat oder nicht, das sind die Diskussionen, um die es sich dreht.

    Müller: Oberstleutnant Michael Oberneyer war das, Kommandeur des deutschen ABC-Abwehr-Bataillons in Kuwait. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Kuwait.

    Link: Interview als RealAudio