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Die Situation ist "die denkbar schwierigste, was eine Regierungsbildung angeht"

Es habe nie eine "Auschließeritis" gegeben seitens NRW-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft, niemand habe "mit einem derartig schwierigen Ergebnis gerechnet": Andrea Nahles überlässt die rot-rot-grüne Frage der NRW-SPD.

    Friedbert Meurer: Mitgehört hat die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die ich jetzt in Berlin begrüße. Guten Morgen, Frau Nahles.

    Andrea Nahles: Guten Morgen!

    Meurer: Nach dem Jubel gestern Abend keine Mehrheit heute Morgen für Rot-Grün und die Partei ist knapp schwächer als die CDU. Sind Sie etwas enttäuscht heute Morgen?

    Nahles: Ja. Ich hätte es natürlich lieber anders gehabt, aber trotzdem bleibt das für die SPD ein großer Erfolg, auch insbesondere für Hannelore Kraft und die NRW-SPD.

    Meurer: Sind 34 Prozent in der sogenannten Herzkammer der SPD schon Grund genug zu sagen und von der Wiederauferstehung der Sozialdemokraten zu reden, das ist das schlechteste Ergebnis seit 1958?

    Nahles: Ja. Es ist aber auch eine Trendumkehr. Wir haben tatsächlich 28,5 Prozent in NRW noch bei der Bundestagswahl erreichen können, auch ein äußerst schlechtes Ergebnis. Jetzt sind wir bei 34 Prozent, gleichauf mit der Union, und wenn man das relativ zu dem sieht, was es in den letzten Jahren an Niederlagen für die SPD gehagelt hat, dann kann ich nur sagen sind wir sehr froh und hoffen, dass wir jetzt auch wieder mitgestalten können, weil es geht dabei einerseits um die SPD, aber es geht vor allem darum, dass wir über den Bundesrat jetzt auch einige Projekte der schwarz-gelben Bundesregierung stoppen können.

    Meurer: Mitgestalten in welcher Regierungskonstellation in Düsseldorf?

    Nahles: Wir werden heute die Landesgremien abwarten. Hannelore Kraft kommt heute hier nach Berlin und wir werden dann die erste Beratung mit ihr haben. Anschließend wird sie dann zurückfliegen und es wird dann ein Sondierungsplan gemacht. Sie bleibt dabei: Wir reden zuerst mit den Grünen. Wir können momentan noch nicht abschätzen und können das auch von der Bundesebene auch nicht vorgeben und wollen das auch nicht, was sich dann daraus im Laufe des Tages entwickeln wird.

    Meurer: Erleben wir, wenn wir die Zahlen heute Morgen zur Kenntnis nehmen, Frau Nahles, so etwas wie ein Deja Vu von Hessen 2008?

    Nahles: Nein, das ist ausgeschlossen. Wir haben hier eine Situation, wo Frau Kraft als unsere Spitzenkandidatin von vornherein gesagt hat, dass sie keine Ausschließeritis, wie sie das genannt hat, betreibt, und dadurch kann es jetzt auch nicht zur selben Situation kommen. Wir sehen stattdessen, dass Schwarz-Gelb ins Trudeln kommt, weil sie hier eine saftige Ohrfeige bekommen haben, und wir können daran auch sehen, dass das, was hier auf der Bundesebene abgeliefert wurde an Chaos, an Zögern, an Taktieren, an Politik für gute Freunde, die aber nicht überzeugt, das ist letztendlich eine Melange gewesen, die abgewählt wurde, und ich bin gespannt, wie sich das auf die Regierung hier in Berlin auswirkt, die ja ohnehin schon sehr uneinig war, und jetzt nach dieser Niederlage rechne ich damit, dass dieser Prozess weitergeht.

    Meurer: Die Spitzenkandidatin der SPD, Hannelore Kraft, hat ja im Wahlkampf immer und immer wieder gesagt, Die Linke ist nicht regierungsfähig, Die Linke ist nicht regierungswillig. Wenn jetzt doch Gespräche mit der Linken geführt würden, wäre das Wählertäuschung?

    Nahles: Wir haben ganz klar zurzeit keine Hinweise darauf, was die NRW-SPD und Hannelore Kraft jetzt machen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir unsere Meinung zu den Inhalten und zur Linkspartei insgesamt jetzt nicht von gestern auf heute nun grundsätzlich geändert haben. Trotzdem ist die Situation die denkbar schwierigste, was eine Regierungsbildung angeht. Es kann niemand in der Union wirklich behaupten, dass der Wählerwille jetzt eine unmittelbare Fortsetzung einer Regierungsleitung von CDU vorsieht. Das heißt also, wir haben ...

    Meurer: Das werden die aber reklamieren jetzt mit ihren 0,1 Prozent mehr.

    Nahles: Wir haben eine Regierungsbildungsmöglichkeit und die werden wir auch nutzen.

    Meurer: Die Regierungsbildungsmöglichkeit geht aber mit den Grünen alleine nicht, dann sind sie nur bei 90 Sitzen, einer fehlt.

    Nahles: Ich bin mir über das Ergebnis in vollem Umfange bewusst. Da können Sie sich sicher sein.

    Meurer: Habe ich eben Ihre Meinung richtig verstanden, Frau Nahles, Sie raten den Freunden in Düsseldorf, die Finger von den Linken zu lassen?

    Nahles: Ich sage eines: Kluge Ratschläge an dieser Stelle wirken dann wie Schläge und deswegen werde ich mich hier sehr zurückhalten. Ich sage nur, dass Hannelore Kraft immer gesagt hat, sie bildet eine verantwortliche Regierung. Das ist weiterhin wichtig und zentral für uns alle. Auf der anderen Seite hat niemand mit einem derartig schwierigen Ergebnis gerechnet und ich denke, dass jetzt Hannelore Kraft und die nordrhein-westfälische SPD am Zuge ist.

    Meurer: Akzeptieren Sie das Gesetz und die Spielregel, Frau Nahles, falls es eine Große Koalition gibt, stellt derjenige den Ministerpräsidenten, der mehr Stimmen hat?

    Nahles: Ich spekuliere jetzt auch in dieser Frage nicht und sage Ihnen klar, dass wir jetzt ausloten müssen, ob wir die Regierungsbildungsmöglichkeit haben. Schwarz-Gelb ist jedenfalls abgewählt worden, ganz eindeutig, und deswegen sehen wir uns auch jetzt ermuntert durch die Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen, uns hier um eine stabile Regierung zu bemühen, und wie das genau aussieht, kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen.

    Meurer: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank nach Berlin und auf Wiederhören.

    Nahles: Danke!