Archiv


"Die SPD ist nicht unser Wunschpartner"

JU-Chef Philipp Mißfelder hat sich gegen die Fortführung der Großen Koalition ausgesprochen. Zwar gebe es erfolgreiche Projekte, wie die Rente ab 67. In anderen Bereichen wie bei der Gesundheitsreform hätten Schwarz-Rot jedoch noch keine Lösungen präsentiert.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Herr Mißfelder, ein Jahr große Koalition und Sie sagen, Schwarz-Rot dürfe auf keinen Fall fortgesetzt werden. Ist die Arbeit der Regierung so schlecht?

    Philipp Mißfelder: Nein, das meine ich damit nicht. Es gibt Projekte, die erfolgreich verlaufen, zum Beispiel die Frage der Rente ab 67. Da hätte es sicherlich Anfang des Jahres große Proteste geben, wenn die eine schwarz-gelbe Regierung gemacht hätte. Darüber hinaus die Frage der Haushaltskonsolidierung natürlich ein wichtiger Punkt, wo auch Merkel und Steinbrück sich bisher vernünftiger Weise durchgesetzt haben, aber ich glaube, die große Koalition hat bisher in anderen Bereichen noch keine großen Lösungen präsentiert, und deshalb bin ich der Meinung, dass nach 2009 dann auch Schluss sein sollte. Die SPD ist nicht unser Wunschpartner.

    Spengler: Das heißt, die großen Lösungen kommen auch in den kommenden drei Jahren nicht?

    Mißfelder: Daran arbeiten wir, dass das kommt. Ich bin guter Hoffnung, dass wir bei der Pflegereform mehr erreichen, als bei der Gesundheitsreform, aber ich glaube, dass die SPD bisher in vielen Reformprojekten bisher nicht bereit war, sich zu bewegen. Sie hat verhindert, dass Demographiefestigkeit in die Gesundheitsversicherung kommt, sie verhindert Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik und da glaube ich, wird sich in der SPD auch in den nächsten Jahren nicht in der Substanz etwas dran ändern.

    Spengler: Sie haben gesagt, Sie wollten der Gesundheitsreform nicht zustimmen. Bleibt es dabei? Sie und mehrere junge Abgeordnete der Union?

    Mißfelder: Wir haben das intensiv diese Woche in der jungen Gruppe der CDU/CSU Bundestagsfraktion diskutiert. Das ist sicherlich auch ein Konfliktthema mit der Fraktionsführung. Aber wir haben von Anfang an als Junge Union deutlich gemacht, bei diesem Prozess der Gesundheitsreform, dass wir uns Demographiefestigkeit wünschen, so wie es im Koalitionsvertrag übrigens steht.

    Spengler: Wie würde man die erreichen?
    Mißfelder: Ich glaube, das könnte man erreichen durch Altersrückstellungen, das könnte man aber auch durch eine teilweise Privatisierung erreichen. Es gab ja Vorschläge, die selbst in dem Sozialflügel der Union absoluter Konsens waren, dass man überlegen müsste, ob vielleicht der Zahnbehandlungsbereich ausgegliedert wird, vielleicht auch das Krankengeld zu Lasten der Arbeitgeber an dieser Stelle. Dann hätte man sogar die Parität wahren können und insofern glaube ich, dass wir dort eine Chance vergeben haben, wirklich Generationengerechtigkeit walten zu lassen und deshalb steht am Ende dieser Diskussion auch ein Nein, weil wir sagen, dass wir von Anfang an für diesen Punkt gekämpft haben und leider nichts erreicht konnten.

    Spengler: Wenn CSU-Landesgruppenchef Ramsauer sagt, er habe dieses Genöhle langsam satt, was meint er dann?

    Mißfelder: Ich weiß gar nicht, ob er das darauf bezogen hat?

    Spengler: Doch, doch.

    Mißfelder: Also mir hat er das nicht gesagt. Ich habe das in den Medien gelesen. Die Junge Union ist selbstbewusst und eigenständig genug, dass wir mit unseren 130.000 Mitgliedern - das sind mehr als FDP und Grüne zusammen - sagen können, dass wir auch einen eigenen politischen Anspruch haben. Und wenn die CDU/CSU-Führung glaubt, wir seien nur dazu da, um Wahlkampf zu machen, dann muss ich allerdings widersprechen, denn wir haben einen eigenen programmatischen Anspruch und wir vertreten die jungen Interessen der jungen Generation und da gibt es sicherlich Konfliktstoff und das schlägt sich auch in der Bundestagsfraktion nieder.

    Spengler: Sie haben gesagt, es wurde eine Chance vertan bei der Gesundheitsreform. Sind Sie enttäuscht von der Bundeskanzlerin?

    Mißfelder: Ich glaube, der Bundeskanzlerin ist das Leben sehr schwer gemacht worden in den vergangenen Monaten und das hat nicht an der Jungen Union gelegen. Insofern müssen sich auch all diejenigen, die vielleicht jetzt zu Solidarität aufrufen, auch fragen, ob vielleicht sie sich an der Jungen Union nicht ein Beispiel nehmen sollten, die nämlich in diesen Fragen, obwohl wir viele inhaltliche Konfliktpotentiale sehen, immer loyal ist und wir als unbequeme Jugendorganisation sagen, wir stützen unser Kanzlerin, wir ermutigen sie zu mehr Reformen, aber wir sagen auch dann, wenn wir eine eigene Meinung haben, dann sagen wir die auch und haben damit kein Problem, dann auch einen Konflikt einzugehen.

    Spengler: Ich entnehme Ihren Worten, dass es aber auch nicht nur an der SPD gelegen hat, dass der Kanzlerin das Leben schwer gemacht wurde.

    Mißfelder: Ich habe dazu eine Andeutung gemacht, aber ich, glaube, ...

    Spengler: ... da wollen Sie nicht drüber hinausgehen.

    Mißfelder: ... dass Sie mit Ihrer Vermutung richtig liegen, nur in der Substanz ist es so, dass die SPD in den Koalitionsverhandlungen bereits viel verhindert hat und konkret den Punkt demographische Vorsorge im Gesundheitswesen auch verhindert hat, denn den hat die Bundeskanzlerin und Edmund Stoiber auf den Tisch gebracht und die SPD hat ihn abgeschmettert.

    Spengler: Die Union liegt in den Umfragen nur noch bei 30 Prozent. Wundert Sie das?

    Mißfelder: Ich halte von den Umfragen relativ wenig ...

    Spengler: Das glaube ich, die Ergebnisse sind ja auch schlecht.

    Mißfelder: Heute ist in der ARD über eine Umfrage berichtet worden, dass die Union wieder zwei Prozent dazu gewonnen hätte. Ich glaube, all diese Umfragewerte bringen uns wirklich nicht weiter, denn ich glaube, wir sehen das ja auch in Österreich und bei anderen Wahlen, auch in Deutschland bei den vergangenen Bundestagswahlen, dass diese ganzen Umfragen uns nicht in Sicherheit wiegen sollten. Ich glaube, dass man die Verunsicherung in der eigenen Partei sehr ernst nehmen muss.

    Spengler: Die gibt es aber?

    Mißfelder: Die gibt es, wir haben ja auch Austritte, das ist ja auch breit in den Medien diese Woche berichtet worden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir diesen Mitgliederschwund stoppen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir auch viel mehr Leute dafür gewinnen, deutlich zu machen, wo denn das eigene Profil der Union ist.

    Spengler: Ja, wo ist das denn eigentlich, wenn ich Sie kurz unterbrechen darf: Wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, dann schaut man auf SPD oder Linkspartei, wenn es um Reformen geht, dann schaut man auf FDP oder Grüne. Wofür steht derzeit die Union?

    Mißfelder: Ich glaube, wir haben sehr große Schwierigkeiten unseren Reformanspruch, den wir weiterhin haben und auch in unserem Programm deutlich zu erkennen ist, auch im Regierungshandeln umzusetzen, weil wir uns immer auf Kompromisse mit der SPD einlassen müssen.

    Spengler: Man hat aber auch den Eindruck, dass die Union insgesamt selbst nicht überzeugt ist, von den Reformen, die sie mal wollte.

    Mißfelder: Das sehe ich dezidiert anders, denn selbst wenn man die Diskussion im Sommer um die Lebenslügen sieht, es ist so, dass wir ja diesen Diskussionsprozess in einem zähen Ringen über Jahre hinweg erreicht haben. Und insofern ist es auch richtig an diesem Reformkurs auch festzuhalten. Und wenn ich in die Vereinigungen blicke, Mittelstandsvereinigungen, auch der Wirtschaftsrat, die Junge Union, das sind alles starke Kräfte, die weiterhin an diesem Reformkurs festhalten und insofern gibt es da Diskussion in einer Volkspartei und das ist auch richtig so, wir müssen auch vielleicht andere Flügel betonen, wie den Sozialflügel, das ist auch richtig. Aber wir haben eine Grundlinie, das sind die Leipziger Parteitagsbeschlüsse und die unterstütze ich auch weiterhin.

    Spengler: Das heißt, Sie fordern mehr Reformprofil von der Union?

    Mißfelder: Ich fordere mehr Reformprofil und ich glaube, dass wenn das im alltäglichen Regierungsgeschäft nicht möglich ist, dass wir erstens die Chance der Grundsatzdebatte der CDU nutzen müssen und zweitens auch die Partei ein Eigenleben entwickeln muss, was vielleicht auch schon programmatische Vorbereitung trifft für die Zeit, wenn wir nicht mehr mit der SPD koalieren, denn das ist unser Ziel, eine andere Regierungsmehrheit für die Bundestagswahl 2009 zu erreichen.

    Spengler: Sie haben gesagt, Umfragen sind nicht so wichtig, aber wenn es sich so bei den 30 Prozent einpendeln sollte, dann reicht es ja noch nicht einmal, mit der FDP zusammen.

    Mißfelder: Ja, das ist eben ein Punkt, der den beiden Volksparteien immer weiter Sorgen macht, dass die Volksparteien noch nicht einmal in die Nähe der 40 kommen und insofern muss man halt auch Gespräche mit anderen Parteien führen. Wir bei den jüngeren tun das. Wir reden beispielsweise auch mit den Grünen. Da gibt es auch vernünftige Leute, Matthias Berninger ist ein vernünftiger Politiker der Grünen, Fritz Kuhn ist auch jemand, mit dem man sehr vernünftig reden kann, allerdings ist es so, dass die Grünen dafür erst mal sich entscheiden müssen, welchen Weg sie in der Zukunft haben wollen. Wollen Sie eher einen fundamentalistischen Kurs einschlagen mit Herrn Christian Ströbele und Jürgen Trittin oder wollen sie vielleicht auch weiter in die Mitte gehen und dafür werben, dass in Deutschland mehr Reformen stattfinden und da müssen sich die Grünen entscheiden und diese Grundsatzentscheidungen müssen erst mal die Grünen treffen.

    Spengler: Da warten wir gespannt ab. Danke schön. Das war der Junge Union Vorsitzende Philipp Mißfelder.