Peters: Schönen guten Morgen.
Zagatta: Herr Peters, was wir jetzt aus Berlin hören, eine höhere Kapitalertragssteuer, eine höhere Erbschaftssteuer, eine Steuer möglicherweise für Unternehmen, die nicht genug Ausbildungsplätze schaffen - sind das Anzeichen für Sie, dass die SPD wieder auf die Gewerkschaften zugeht?
Peters: Das kann man sicherlich so deuten, weil all die Projekte, die Sie jetzt angedeutet haben, schon in die richtige Richtung weisen. Wenn der Staat kein Geld hat, aber Geld braucht - das ist unstreitig -, kann er nicht auf Geld verzichten, zumal nicht bei denen, die sich bisher aus der Finanzierung des Sozialstaates zurückgehalten haben. Was die Ausbildung angeht: Es ist nun mal nicht hinnehmbar, dass die Unternehmen permanent versprechen, sie werden die genügenden Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Wir stellen immer fest: Eine steigende Zahl unversorgter Jugendlicher ist nicht hinnehmbar.
Zagatta: Wenn diese Steuern kommen, die wir angesprochen haben, wäre das dann für Sie ein tragfähiger Kompromiss, dass die Gewerkschaften wieder an den Verhandlungstisch mit der Regierung zumindest zurückkehren?
Peters: Das ist ja nur die eine Seite der Medaille. Das ist die Seite, wo wir sagen: Wir brauchen wieder einen funktionstüchtigen Staat. Der Staat muss auch, um seine Aufgaben zu finanzieren, eine ausreichende Einnahmequelle haben. Da ist es natürlich ganz wichtig: Woher nimmt der Staat das Geld - nimmt er es von den kleineren Leuten, nimmt er es von den Großen? Wir haben immer gesagt: Ihr habt euch bei den Großen genauso zu bemühen, denn letztendlich können die breiten Schultern mehr schultern als die schmalen. Das wäre der Weg in die richtige Richtung. Aber die anderen Teile, die wir massivst kritisieren, sind ja damit noch nicht, wenn Sie so wollen, entschärft, sondern da ist man ja weiterhin auf der Idee, das Krankengeld nur noch von den Arbeitnehmern bezahlen zu lassen, das heißt die Unternehmer zu entlasten, was überhaupt nicht einsichtig ist.
Zagatta: Das heißt, Sie sehen noch keinen Grund, Ihre Haltung aufzugeben, oder können Sie sich jetzt vorstellen, unter diesen Umständen doch wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren?
Peters: Wir werden immer miteinander reden. Das ist ja nicht das Thema. Die Gewerkschaften haben im Gewerkschaftsrat an dem Abend keine sinnvolle Bemühung mehr gesehen, nachdem der Kanzler die Tür zugemacht hat. Wir werden selbstverständlich immer zu Gesprächen bereit sein, aber es muss sich auch lohnen. Es muss auch - wenn Sie so wollen - Bewegung reinkommen.
Zagatta: Ist das jetzt noch nicht genug Bewegung?
Peters: Wir werden ja sehen, ob die Partei, der Bundeskanzler als Bundesregierung auf uns zukommen wird. Wir werden keine Gespräche ablehnen.
Zagatta: Wenn das umgesetzt wird, können Sie sich gut vorstellen, dass Sie bald wieder Kontakt haben werden?
Peters: Ja, selbstverständlich. Wir werden uns aber genau ansehen, um was es da geht. Nicht, dass das Hoffnungswerte sind, dass es weiße Salbe ist, die man jetzt andeutet, damit man die Kritiker mundtot bekommt. Es geht ja nicht darum, die Kritiker mundtot zu machen, sondern es geht darum, dass hier aus unserer Sicht eine falsche Richtung eingeschlagen worden ist. Die wollen wir korrigiert wissen, weil wir sagen: Eine sozialdemokratische Handschrift bedeutet, dass der Sozialstaat erhalten und nicht demontiert wird.
Zagatta: Jetzt haben aber drei Einzelgewerkschaften, drei DGB-Gewerkschaften schon angekündigt, noch bevor diese ganz neuen Vorschläge der SPD-Führung auf dem Tisch lagen, dass sie einen anderen Kurs fahren wollen, dass sie auf die Bundesregierung wieder zugehen wollen, dass sie diesen Konfliktkurs für falsch halten, den die IG Metall ja ausdrücklich mitgeht. Geht das in Ordnung, oder müssen die DGB-Gewerkschaften aus Ihrer Sicht zu einer einheitlichen Linie zurückfinden?
Peters: Zunächst einmal bin ich davon ausgegangen, dass wir eine einheitliche Linie haben. Wenn das, was die drei Gewerkschaften jetzt auch veröffentlicht haben, bedeutet, dass sie sich von dieser Linie distanzieren, erwarte ich, dass diese drei Gewerkschaften im Rahmen des DGB sagen, was ihnen nicht passt und was sie für eine Strategie zur Verbesserung der Situation vorschlagen.
Zagatta: Das haben sie doch getan, oder? Diese drei wollen wieder mit der Regierung reden.
Peters: Das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist, wenn man damit den Charakter nach außen trägt, die Gewerkschaften wären sich nicht einig. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass die Gewerkschaften in dieser Sache allemal einig sind. Dass man sich über den Weg streiten kann, ist eine Sache, über die man immer wieder neu diskutieren kann. Wenn man sich aus der Solidarität des DGB verabschieden will, erwarte ich auch von den drei Gewerkschaften, dass man das zunächst einmal im DGB behandelt und nicht über die Presse erfährt.
Zagatta: Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie hat doch ganz öffentlich und klipp und klar gesagt: Die Gewerkschaften sind eben nicht einig, sie sind zerstritten. Muss man das beschönigen?
Peters: Es geht ja nicht um Beschönigen. Ich bin bisher von meinem Verständnis von Politik davon ausgegangen, dass man sich unterhält, möglicherweise Streitpunkte auch streitig abwägt und dann den Weg, den man einschlägt, gemeinsam trägt. Ich habe den Eindruck, dass einige, wenn sie sich nicht durchsetzen, in die Öffentlichkeit gehen, selbst, wenn sie in der Minderheit sind. Bisher habe ich immer gedacht, dass Mehrheiten immer noch auch eine Bedeutung im DGB haben. Wenn das nicht mehr gilt...? Das werden wir erst einmal im DGB prüfen.
Zagatta: Ich wollte gerade fragen: Welche Konsequenzen würden Sie daraus ziehen?
Peters: Ich denke, dass wir relativ schnell zu einer Debatte der Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften im Rahmen des DGB kommen werden, um darüber zu reden, was das eigentlich soll.
Zagatta: Herr Peters, es bleibt noch eine Frage: Sie, die IG Metall, will jetzt ausgerechnet in dieser schwierigen konjunkturellen Lage die 35-Stunden-Woche auch in Ostdeutschland durchsetzen, offenbar auch mit Streik. Die Drohungen stehen jedenfalls im Raum. Ist das in der derzeitigen Lage nicht der denkbar ungünstigste Zeitpunkt?
Peters: Wir drohen ja nicht. Das hört sich immer so an, als ob wir Spitzbuben sind, die irgendetwas Unbotmäßiges wollen. Wir haben den Arbeitgebern angeboten, darüber zu reden, wie man jetzt die 35-Stunden-Woche erreicht, wann der Beginn eines Stufenplans ist und wann das Ende sein soll. Das ist eine Verabredung, die wir im letzten Jahr mit den Arbeitgebern schriftlich getroffen haben. Sie haben uns zugebilligt: "Wir werden darüber verhandeln, wenn..." Nun verhandeln die Arbeitgeber aber nicht. Sie weigern sich. Was bleibt eigentlich den Arbeitnehmern übrig? Die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber einfach zur Kenntnis zu nehmen oder sich jetzt zu wehren? Es geht darum, insbesondere in der jetzigen Phase, dass wir Arbeitsplätze schützen wollen, dass wir Beschäftigung halten wollen. In einigen Bereichen bröckelt die Beschäftigung ab. Da ist die Arbeitszeitverkürzung für sie ein Rettungsanker. In anderen Fällen haben wir eine so hohe Produktivität, dass absehbar ist, wann Arbeitsplätze durch die Rationalisierungsmaßnahmen, durch Arbeitsorganisation wegfallen werden. Auch da sind die Kollegen und Kollegin daran zu sagen, da ist die Arbeitszeitverkürzung heute eine Perspektive für morgen, ein Schutzschild. Wir brauchen diesen Schutzschild.
Zagatta: Dafür wären Sie notfalls auch bereit zu streiken?
Peters: Dazu würden wir zunächst einmal unsere Mitglieder befragen, ob sie bereit sind, auch das letzte einzusetzen, was da ist, nämlich den Streik. Jawohl, das werden wir tun.
Zagatta: Jürgen Peters, der designierte Vorsitzende der IG Metall. Herr Peters, ich bedanke mich für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Zagatta: Herr Peters, was wir jetzt aus Berlin hören, eine höhere Kapitalertragssteuer, eine höhere Erbschaftssteuer, eine Steuer möglicherweise für Unternehmen, die nicht genug Ausbildungsplätze schaffen - sind das Anzeichen für Sie, dass die SPD wieder auf die Gewerkschaften zugeht?
Peters: Das kann man sicherlich so deuten, weil all die Projekte, die Sie jetzt angedeutet haben, schon in die richtige Richtung weisen. Wenn der Staat kein Geld hat, aber Geld braucht - das ist unstreitig -, kann er nicht auf Geld verzichten, zumal nicht bei denen, die sich bisher aus der Finanzierung des Sozialstaates zurückgehalten haben. Was die Ausbildung angeht: Es ist nun mal nicht hinnehmbar, dass die Unternehmen permanent versprechen, sie werden die genügenden Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Wir stellen immer fest: Eine steigende Zahl unversorgter Jugendlicher ist nicht hinnehmbar.
Zagatta: Wenn diese Steuern kommen, die wir angesprochen haben, wäre das dann für Sie ein tragfähiger Kompromiss, dass die Gewerkschaften wieder an den Verhandlungstisch mit der Regierung zumindest zurückkehren?
Peters: Das ist ja nur die eine Seite der Medaille. Das ist die Seite, wo wir sagen: Wir brauchen wieder einen funktionstüchtigen Staat. Der Staat muss auch, um seine Aufgaben zu finanzieren, eine ausreichende Einnahmequelle haben. Da ist es natürlich ganz wichtig: Woher nimmt der Staat das Geld - nimmt er es von den kleineren Leuten, nimmt er es von den Großen? Wir haben immer gesagt: Ihr habt euch bei den Großen genauso zu bemühen, denn letztendlich können die breiten Schultern mehr schultern als die schmalen. Das wäre der Weg in die richtige Richtung. Aber die anderen Teile, die wir massivst kritisieren, sind ja damit noch nicht, wenn Sie so wollen, entschärft, sondern da ist man ja weiterhin auf der Idee, das Krankengeld nur noch von den Arbeitnehmern bezahlen zu lassen, das heißt die Unternehmer zu entlasten, was überhaupt nicht einsichtig ist.
Zagatta: Das heißt, Sie sehen noch keinen Grund, Ihre Haltung aufzugeben, oder können Sie sich jetzt vorstellen, unter diesen Umständen doch wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren?
Peters: Wir werden immer miteinander reden. Das ist ja nicht das Thema. Die Gewerkschaften haben im Gewerkschaftsrat an dem Abend keine sinnvolle Bemühung mehr gesehen, nachdem der Kanzler die Tür zugemacht hat. Wir werden selbstverständlich immer zu Gesprächen bereit sein, aber es muss sich auch lohnen. Es muss auch - wenn Sie so wollen - Bewegung reinkommen.
Zagatta: Ist das jetzt noch nicht genug Bewegung?
Peters: Wir werden ja sehen, ob die Partei, der Bundeskanzler als Bundesregierung auf uns zukommen wird. Wir werden keine Gespräche ablehnen.
Zagatta: Wenn das umgesetzt wird, können Sie sich gut vorstellen, dass Sie bald wieder Kontakt haben werden?
Peters: Ja, selbstverständlich. Wir werden uns aber genau ansehen, um was es da geht. Nicht, dass das Hoffnungswerte sind, dass es weiße Salbe ist, die man jetzt andeutet, damit man die Kritiker mundtot bekommt. Es geht ja nicht darum, die Kritiker mundtot zu machen, sondern es geht darum, dass hier aus unserer Sicht eine falsche Richtung eingeschlagen worden ist. Die wollen wir korrigiert wissen, weil wir sagen: Eine sozialdemokratische Handschrift bedeutet, dass der Sozialstaat erhalten und nicht demontiert wird.
Zagatta: Jetzt haben aber drei Einzelgewerkschaften, drei DGB-Gewerkschaften schon angekündigt, noch bevor diese ganz neuen Vorschläge der SPD-Führung auf dem Tisch lagen, dass sie einen anderen Kurs fahren wollen, dass sie auf die Bundesregierung wieder zugehen wollen, dass sie diesen Konfliktkurs für falsch halten, den die IG Metall ja ausdrücklich mitgeht. Geht das in Ordnung, oder müssen die DGB-Gewerkschaften aus Ihrer Sicht zu einer einheitlichen Linie zurückfinden?
Peters: Zunächst einmal bin ich davon ausgegangen, dass wir eine einheitliche Linie haben. Wenn das, was die drei Gewerkschaften jetzt auch veröffentlicht haben, bedeutet, dass sie sich von dieser Linie distanzieren, erwarte ich, dass diese drei Gewerkschaften im Rahmen des DGB sagen, was ihnen nicht passt und was sie für eine Strategie zur Verbesserung der Situation vorschlagen.
Zagatta: Das haben sie doch getan, oder? Diese drei wollen wieder mit der Regierung reden.
Peters: Das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist, wenn man damit den Charakter nach außen trägt, die Gewerkschaften wären sich nicht einig. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass die Gewerkschaften in dieser Sache allemal einig sind. Dass man sich über den Weg streiten kann, ist eine Sache, über die man immer wieder neu diskutieren kann. Wenn man sich aus der Solidarität des DGB verabschieden will, erwarte ich auch von den drei Gewerkschaften, dass man das zunächst einmal im DGB behandelt und nicht über die Presse erfährt.
Zagatta: Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie hat doch ganz öffentlich und klipp und klar gesagt: Die Gewerkschaften sind eben nicht einig, sie sind zerstritten. Muss man das beschönigen?
Peters: Es geht ja nicht um Beschönigen. Ich bin bisher von meinem Verständnis von Politik davon ausgegangen, dass man sich unterhält, möglicherweise Streitpunkte auch streitig abwägt und dann den Weg, den man einschlägt, gemeinsam trägt. Ich habe den Eindruck, dass einige, wenn sie sich nicht durchsetzen, in die Öffentlichkeit gehen, selbst, wenn sie in der Minderheit sind. Bisher habe ich immer gedacht, dass Mehrheiten immer noch auch eine Bedeutung im DGB haben. Wenn das nicht mehr gilt...? Das werden wir erst einmal im DGB prüfen.
Zagatta: Ich wollte gerade fragen: Welche Konsequenzen würden Sie daraus ziehen?
Peters: Ich denke, dass wir relativ schnell zu einer Debatte der Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften im Rahmen des DGB kommen werden, um darüber zu reden, was das eigentlich soll.
Zagatta: Herr Peters, es bleibt noch eine Frage: Sie, die IG Metall, will jetzt ausgerechnet in dieser schwierigen konjunkturellen Lage die 35-Stunden-Woche auch in Ostdeutschland durchsetzen, offenbar auch mit Streik. Die Drohungen stehen jedenfalls im Raum. Ist das in der derzeitigen Lage nicht der denkbar ungünstigste Zeitpunkt?
Peters: Wir drohen ja nicht. Das hört sich immer so an, als ob wir Spitzbuben sind, die irgendetwas Unbotmäßiges wollen. Wir haben den Arbeitgebern angeboten, darüber zu reden, wie man jetzt die 35-Stunden-Woche erreicht, wann der Beginn eines Stufenplans ist und wann das Ende sein soll. Das ist eine Verabredung, die wir im letzten Jahr mit den Arbeitgebern schriftlich getroffen haben. Sie haben uns zugebilligt: "Wir werden darüber verhandeln, wenn..." Nun verhandeln die Arbeitgeber aber nicht. Sie weigern sich. Was bleibt eigentlich den Arbeitnehmern übrig? Die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber einfach zur Kenntnis zu nehmen oder sich jetzt zu wehren? Es geht darum, insbesondere in der jetzigen Phase, dass wir Arbeitsplätze schützen wollen, dass wir Beschäftigung halten wollen. In einigen Bereichen bröckelt die Beschäftigung ab. Da ist die Arbeitszeitverkürzung für sie ein Rettungsanker. In anderen Fällen haben wir eine so hohe Produktivität, dass absehbar ist, wann Arbeitsplätze durch die Rationalisierungsmaßnahmen, durch Arbeitsorganisation wegfallen werden. Auch da sind die Kollegen und Kollegin daran zu sagen, da ist die Arbeitszeitverkürzung heute eine Perspektive für morgen, ein Schutzschild. Wir brauchen diesen Schutzschild.
Zagatta: Dafür wären Sie notfalls auch bereit zu streiken?
Peters: Dazu würden wir zunächst einmal unsere Mitglieder befragen, ob sie bereit sind, auch das letzte einzusetzen, was da ist, nämlich den Streik. Jawohl, das werden wir tun.
Zagatta: Jürgen Peters, der designierte Vorsitzende der IG Metall. Herr Peters, ich bedanke mich für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio