Archiv


Die Spendenaffäre in der FDP

    Simon: Das Jahr 2000 war für die FDP in Nordrhein-Westfalen überaus erfolgreich. Mit 9,8 % der Wählerstimmen brachte Jürgen Möllemann damals die NRW-Liberalen zurück in den Düsseldorfer Landtag. 2,2 Millionen DM Spenden verzeichnete die NRW-FDP in dem Jahr 2000. Das waren anderthalb Millionen Mark mehr als im Vorjahr. Woher sie kamen, fragte damals niemand so genau nach. Das war wohl rückwirkend ein großer Fehler. Denn jetzt, wo die FDP nach Namen sucht, da findet sie nichts. Bundesschatzmeister Günter Rexrodt erklärte gestern, dass sich die Herkunft von einer Millionen Mark dieser Spenden nicht klären ließe. Jetzt droht nach dem Parteispendengesetz eine Strafe in dreifacher Höhe. Der FDP-Schatzmeister ist jetzt am Telefon, guten Morgen, Herr Rexrodt.

    Rexrodt: Guten Morgen, Frau Simon.

    Simon: Wo Sie in Düsseldorf nach illegalen Spenden suchen, finden Sie auch welche. Wieweit wollen oder müssen Sie noch bei Ihrer Suche zurückgehen.

    Rexrodt: Also, es spricht vieles dafür, dass das Jahr 2002 und das Jahr 2000 in besonderer Weise herausragen, leider im negativen Sinne. Ich habe aber vorgesehen, dass wir sechs Jahr prüfen. Das ist die Zeit, für die man verpflichtet ist, Belege aufzuwahren.

    Simon: Gehen Sie davon aus, dass Sie da noch etwas finden werden?

    Rexrodt: Nein, das spekuliere ich auch nicht. Ich gehe davon aus, dass ich darüber hinaus hoffentlich nichts finde. Korrekt geprüft wird in jedem Fall.

    Simon: Die designierte Landesvorsitzende, Ulrike Flach, hat ja gebetsmühlenartig wiederholt, dass es zum Beispiel für dieses Jahr 2000 bereits das Testat der Wirtschaftsprüfer gebe. Von illegalen Spenden ist in diesem Testat natürlich kein Wort zu lesen. Wie sieht das mit Ihnen aus? Müssen Sie sich in Zukunft die Rechenschaftsberichte sämtlicher Landesverbände nach Berlin kommen lassen, um sicher zu gehen? Nach dem neuen Parteispendengesetz stehen die Schatzmeister ja sehr viel mehr in der Verantwortung.

    Rexrodt: Die Schatzmeister sind in der Verantwortung. Das ist eine große Verantwortung. Das ist, wenn man genau ist, eine Verantwortung, die kaum zu tragen ist. Denn ein Rechenschaftsbericht setzt sich in unserem Fall aus etwa 2.700 einzelnen Rechenschaftsberichten zusammen. Wir haben uns in der FDP mit diesen Dingen, und das ist ja auch das Bild, das wir aus der Vergangenheit bewahrt haben, immer außerordentlich korrekt auseinander gesetzt. Was jetzt nun die Möglichkeit des frühzeitigen Auffindens dieser Versäumnisse angeht, prüfen die Wirtschaftsprüfer, soweit ich das bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt überblicke, schon korrekt. Aber wenn eine bestimmte Energie an den Tag gelegt wird und mit sehr viel handwerklichem Geschick gearbeitet wird, können Sie das so ohne weiteres nicht prüfen. Sie müssten quasi bei jeder Spende, und das sind Tausende meist Kleinstspenden, anrufen oder anschreiben, ob der Spender nun wirklich existiert. Ich glaube, dann kommen wir sehr schnell dazu, dass kaum noch jemand spendet. Es ist also eine schwierige Geschichte. Diese gleich auf die Wirtschaftsprüfer abzuwälzen, da springen wir zu kurz, und zwar in allen Fällen, wo eben dieses handwerkliche Geschick der Täuschung an den Tag gelegt wurde.

    Simon: Aber was ist denn dann trotzdem die Konsequenz? Heißt das, Sie machen einfach die Augen zu und hoffen, dass niemand bestimmte Dinge mit der von Ihnen angesprochenen kriminellen Energie unternimmt? Wie wollen Sie die Verantwortung tragen können?

    Rexrodt: Wir haben, nachdem das neue Parteiengesetz in Kraft getreten ist, gerade in der FDP bereits Vorkehrungen getroffen, in dem Sinne, dass wir alle Schatzmeister schulen werden. Wir werden sie mit dem Gesetz und auch mit Prüfungsmethoden des Hinterfragens bekannt machen. Eine große Stiftung wird dafür Seminar einrichten. Das war im übrigen auf den Weg gebracht worden als wir die Vorgänge in NRW noch nicht kannten: Wir haben das von uns aus in Gang gebracht. Wir glauben, dass dann die Schatzmeister auch das notwendige Handwerkszeug haben.

    Simon: In diesem berüchtigten Jahr 2000 gingen ja in NRW dreimal so viele Spenden wie im Vorjahr ein. Selbst wenn es Wahljahr war, hätte das den Landesvorstand nicht neugierig machen müssen?

    Rexrodt: Nein, dieser Tatbestand allein nicht. Denn in Wahljahren, und dies geschieht in allen Gliederungen der Parteien, liegen üblicherweise seit Jahrzehnten die Spendeneingänge um ein Mehrfaches über dem, was man als 'normalen' Betrag bezeichnen kann. Von daher bestand damals keine signifikante Abweichung.

    Simon: Ohne jetzt irgendwelche handelnde Personen in Düsseldorf schuldig zu sprechen. In allen Landesverbänden guckt man zur Zeit mit Abscheu nach Düsseldorf, weil es vor allem in Niedersachsen und in Hessen auch die Wahlchancen bei den anstehenden Landtagswahlen zu verderben droht. Müssten bei den neuen Landesvorstandswahlen in Nordrhein-Westfalen nicht völlig unverbrauchte Gesichter her?

    Rexrodt: Jetzt bringen Sie mich in die Situation, von mir ein Urteil darüber haben zu wollen, wer da verbraucht und unverbraucht ist. Das kann und will ich hier nicht von mir geben. Das ist eine Aufforderung, die an die Basis in Nordrhein-Westfalen geht. Denn die hat ja die Wahl zu treffen. Mehr will und kann ich dazu nicht sagen. Aber ich unterstreiche das, was Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben. Wir müssen versuchen, diese Angelegenheit völlig transparent und geklärt ohne jede Frage schnell über die Bühne zu bringen, damit die Wahlen Hessen und Niedersachsen davon nicht beeinflusst werden.

    Simon: Das ist die Landesebene, aber was ist mit der Bundesebene? Das Problem drängt sich weiterhin auf. Solange Jürgen Möllemann Erfolg hatte, interessierte sich kein Mensch für das System Möllemann. Man hat ihn in der Partei wirklich in jeder Hinsicht machen lassen. Stichworte sind Projekt 18, FDP-Kanzlerkandidatur. Am Anfang sagten alle, das sei Quatsch. Am Ende haben dann doch fast alle mitgezogen, auch die Führenden der Partei, vor allem Guido Westerwelle. Muss da nicht auch der Parteivorsitzende Konsequenzen ziehen?

    Rexrodt: Nein, jetzt bringen Sie, wenn ich mir das erlauben darf, einiges durcheinander. Das Projekt 18 war ein Projekt oder eine Wahlkonzeption, die darauf hinauslief, die Partei als unabhängige Partei, als programmatisch unabhängig darzustellen. Das sollte eine Partei zeigen, die den Anspruch erhebt, eine der drei großen politischen Grundströmungen zu vertreten und Koalitionen eingehen zu können oder zu wollen, mit wem sie will. Diese Konzeption ist von der gesamten Partei, nicht nur von den Führenden richtig gefunden worden. Sie hat riesige Mehrheiten gefunden. Ich füge hinzu, dass ich dieses Konzept auch für richtig halte. Das man es nicht weiterhin mit einer 18 versehen kann, weiß ich auch. Ich hoffe jedoch sehr, dass der Tag kommt, wo wir recht bald auch wieder quantitative Ziele formulieren können. Ich würde mich freuen, wenn es irgendwann mal wieder eine 18 sein könnte. Dieses Konzept ist im übrigen in der Klausurtagung von Vorstand und Fraktion bestätigt worden und wird beibehalten. Natürlich wird es modifiziert und nicht mehr mit dem Label der 18 versehen.

    Simon: Das bedeutet also, dass es für die Parteispitze keine Konsequenzen aus der Affäre Möllemann geben wird.

    Rexrodt: Wir sind dabei, Konsequenzen zu treffen, indem wir das System noch weiter perfektionieren. Sie können mir glauben, das war in unserer Partei schon recht gut. Aber man kann mit bestimmter Energie auch alles umgehen. Das wissen wir auch aus dem täglichen Leben. Wir werden das System der Spendenerfassung und Spendenbescheinigung weiter verbessern. Politische Konsequenzen sehe ich nicht. Guido Westerwelle ist unser Parteivorsitzender. Es gibt keine Personaldiskussion an dieser Stelle.

    Simon: Jetzt als Bundesschatzmeister leiden sie auch wirklich ganz direkt unter den Aktionen, die wohl Herr Möllemann zu verantworten hat. Möchten Sie mit Herrn Möllemann weiter in derselben Partei sein?

    Rexrodt: Die Frage des Parteiausschlussverfahrens wird sich stellen für den Fall, dass Jürgen Möllemann nicht selbst Konsequenzen trifft. Das ist eine Frage, die sicherlich dann ansteht und virulent wird, wenn die Dinge noch weiter geklärt sind. Ich mache aber darauf aufmerksam, und ich habe da aus meinem Berliner Landesverband lange Erfahrung, dass ein solches Ausschlussverfahren ein langwieriges und höchst kompliziertes Verfahren ist. Es vergehen Monate um Monate, wenn man dies bis zum Ende durchziehen will. Ich würde mich freuen, wenn sich die Dinge unter gegebenen Unterständen sehr viel schneller und eindeutiger durch das entsprechende Handeln der Betroffenen lösen würden.

    Link: Interview als RealAudio