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"Die Stimmung ist sehr stark von Solidarität geprägt"

Die internationale Hilfe ist angelaufen, aber die Not in Pakistan ist groß. Viele Menschen warten auf Lebensmittel und bekommen bislang keine Hilfe zu sehen. Bernd Eichner, Pressesprecher von "Medico international", ist im Süden Pakistans unterwegs. "Am Auffälligsten", sagt er, "ist die große Anzahl der Binnenflüchtlinge."

Bernd Eichner im Gespräch mit Friedbert Meurer | 24.08.2010
    Friedbert Meurer: In Pakistan fehlt es an allen Ecken und Enden, so sehr sich die Helfer auch bemühen. Es fehlt an Lebensmitteln, Medikamenten und infolge des Hochwassers wächst die Seuchengefahr. – Bernd Eichner ist Sprecher der Hilfsorganisation "Medico international", im Moment im Süden Pakistans unterwegs. Guten Morgen beziehungsweise guten Tag, Herr Eichner.

    Bernd Eichner: Guten Tag, Herr Meurer!

    Meurer: Was machen Sie heute?

    Eichner: Wir sind gerade unterwegs mit einem Team unserer pakistanischen Kollegen der Organisation "Hands". Wir sind jetzt gerade 300 Kilometer nördlich von Sakar im Süden Pakistans auf dem Weg in eine Region, wo sozusagen Communities und Dorfgemeinschaften noch vom Wasser umschlossen sind und zurzeit nur per Boot versorgt werden können.

    Meurer: Wenn Sie die letzten Tage Revue passieren lassen, Herr Eichner, was hat sie denn besonders bewegt, was ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?

    Eichner: Was natürlich am Auffälligsten ist, allein schon optisch, ist natürlich die große Anzahl der Binnenflüchtlinge. Wir waren jetzt in Sakar. Das entwickelt sich gerade zum regionalen Hub der ganzen Flutopfer, weil natürlich die Leute aus ihren Landstrichen geflüchtet sind, sich jetzt in Sakar sammeln. Das muss man sich so vorstellen: Sakar ist eine Stadt, die hat normalerweise 900.000 Einwohner. Dazu kommt jetzt eine Anzahl von 600.000 Binnenflüchtlingen, die sich zurzeit in der Stadt aufhalten. Das heißt, es gibt überall große Zeltstädte, Release-Camps in den Schulen. Die Schulen wurden geöffnet, dass die Flutopfer praktisch dort erst mal Zuflucht finden. Aber die Hälfte der Binnenflüchtlinge, die sich zurzeit in Sakar aufhalten, sind noch ohne Versorgung. Das heißt, entlang der gesamten Ausfallstraßen und großen Straßen kampieren Tausende von Leuten sozusagen unter freiem Himmel.

    Meurer: Wie erleben Sie die Stimmung? Reagieren die Menschen aggressiv, oder was ist Ihr Eindruck?

    Eichner: Die Stimmung ist sehr stark von Solidarität geprägt. Es ist schon sehr auffällig, dass letztendlich die pakistanische Gesellschaft eine sehr starke Solidarität entwickelt hat und sich sozusagen schon auch umeinander kümmert. Das Klima ist sehr solidarisch, sehr freundlich. Für uns ist es auch gar kein Problem, uns hier zu bewegen. Wir werden überall freundlich aufgenommen. Das ist insofern ...
    Die Stimmung ist natürlich gedämpft, einfach aufgrund der prekären Verhältnisse für die vielen Binnenflüchtlinge, aber geprägt von einer freundschaftlichen Atmosphäre und Solidarität.

    Meurer: Was genau macht Ihre Hilfsorganisation "Medico international" und ihre Partnerorganisation "Hands" in Pakistan?

    Eichner: Die Rolle von Medico ist, sozusagen unsere örtlichen Partner hier zu unterstützen, eben die Organisation "Hands". Die kümmert sich eben um die Versorgung der vom Wasser eingeschlossenen Gemeinden, so gut, wie es geht. Und hauptsächlich um die Versorgung der Flüchtlinge in Sakar. Das heißt, es wurden mittlerweile 44 Release-Camps aufgebaut, wo aktuell 50.000 Leute mit Trinkwasser, Abwasser, Essen, medizinischer Versorgung Schutz finden unter Zelten, Planen, was man sozusagen gerade zur Verfügung hat, um es aufzubauen und sich vor der Sonne zu schützen.

    Meurer: Was ist denn das Wichtigste, um Seuchen zu vermeiden? Frisches Trinkwasser, für sauberes Wasser zu sorgen, oder liefern Sie vor allen Dingen Medikamente?

    Eichner: Wichtig ist natürlich in erster Linie erst mal sauberes Trinkwasser und auch die Möglichkeit, gute Klos zu haben, um das natürlich einzudämmen. Medikamente kommen da erst in zweiter Linie. Die sind dann natürlich aber in dem Moment, wo Krankheiten ausgebrochen sind, auch notwendig.

    Meurer: Stellen Sie fest, dass bestimmte Krankheiten besonders häufig vorzufinden sind?

    Eichner: Was viel ist, sind Hautkrankheiten bei Kindern. Krätze ist ein Problem, einfach aufgrund der beengten Verhältnisse. Ansonsten natürlich viel Durchfallerkrankungen, was natürlich gerade bei dem Klima hier - wir haben hier geschätzte 50 Grad, schwüle Hitze – natürlich ein Problem ist, einfach aufgrund, dass die Leute einfach austrocknen. Das ist schon wirklich hart, wenn man sozusagen keinen Schutz findet im Schatten unter einem Baum, oder eben kein Zelt hat, hier in der prallen Sonne bei 50 Grad nicht auszutrocknen und sozusagen schwach zu werden.

    Meurer: Es gibt Meldungen, dass es viele Malaria-Stechmücken jetzt geben soll infolge eben dieses stehenden Hochwassers. Was sind da Ihre Informationen?

    Eichner: Malaria ist auf jeden Fall im Kommen, weil das natürlich jetzt mit dem ganzen Wasser hier eine ideale Brutzone ist für die Mücken. Das heißt, das nimmt definitiv zu.

    Meurer: Bernd Eichner von der Hilfsorganisation "Medico international", im Augenblick im Süden Pakistans unterwegs, bei uns im Deutschlandfunk. Danke schön, Herr Eichner. – Wenn sie übrigens spenden möchten, können sie gerne auf unsere Homepage klicken, www.dradio.de. Da finden sie alle Informationen, wo und wie sie spenden können.

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