Ensminger: Herr Goppel. in der Haushaltsdebatte wird heute sicherlich noch einmal die Wirtschaftslage in Deutschland inklusive der Folgen anstehen. Ihr CDU-Kollege Dietrich Austermann hat gestern der Regierung vorgeworfen, sie habe Deutschland an den Rand der Rezession gebracht. Kann man das auch angesichts der weltwirtschaftlichen Lage wirklich so pauschal sagen? Wie sehen Sie das?
Goppel: Ich glaube ja. Man muss es sogar so sagen, und zwar wirklich jenseits jeder Polemik. Wir haben in den letzten drei Jahren eine Bundesregierung gehabt, die sich immer auf ihre Vorgängerin berufen hat, die in schwierige Lagen auch gekommen ist, weil der Bundesrat seinerzeit in den wichtigen Entscheidungen Steuerreform, Rentenreform und anderem blockiert hat. Wir haben auf der anderen Seite den letzten Platz in der Entwicklung der wirtschaftlichen Daten seit Antritt dieser Bundesregierung. den hatten wir vorher nicht. Diesen letzten Platz halten wir stabil, obwohl in Italien zum Beispiel die Bedingungen sich verändern und die Mehrzahl der Länder ein Wachstum verzeichnet, das in den letzten Jahren über zwei Prozent und drei Prozent lag. Wir sind jetzt bei 0,7 angelangt. Das kann nicht am 11. September 2001 liegen.
Ensminger: Nun hängt Deutschland - das sagt die Regierung und das ist wahrscheinlich auch recht unbestritten - sehr stark an der Wirtschaft der USA. Sie haben es gerade angesprochen. Wir sind letzter Platz, aber eben auch sehr stark von der Wirtschaft der USA abhängig. Dort hat man in dieser Woche von einer Rezession gesprochen. Sind die Vorwürfe dann unter diesem Aspekt nicht doch ein wenig schwarzweiß formuliert?
Goppel: Nein, nein. Wir haben ganz unterschiedliche Daten und Vorgaben. Im übrigen ist es Sache der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass wir eben nicht einseitig abhängig sind. Wenn ich mal im Süden die Daten anschaue: Wir haben einen Export, der sehr rasch auch mit unseren europäischen Nachbarn im Süden einen hohen Anteil hat, der sehr intensiv dort den Austausch pflegt, und die Osterweiterung ist eine Perspektive schon in den letzten Jahren gewesen, bei der man ohne die Skepsis, die dort lange verbreitet worden ist, durchaus auf dem Weg von Helmut Kohl sich Märkte erschließen konnte und kann, was man eben nicht getan hat. Die Bundesregierung ist verantwortlich dafür, dass Einseitigkeiten passieren und dass wir im Verhältnis zu anderen die nötigen Einnahmen dadurch nicht erzielen, dass das Geld anders umgetrieben wird. Im Augenblick heben wir es von den Arbeitnehmern ein, bevor die das überhaupt einsetzen können. Wenn diejenigen mit hohem Einkommen 50 Prozent Steuern zahlen, die anderen bei 30 Prozent liegen, was unverändert bleibt, dann hat das zur Folge, dass weniger Geld ausgegeben und weniger umgetrieben und damit auch weniger beim Staat eingenommen wird.
Ensminger: Das heißt also den Binnenmarkt anregen. Was könnte man denn noch tun?
Goppel: Das ist eine der wesentlichen Dinge. Das andere ist, dass man aufhört mit der Trickserei, den Leuten ständig etwas vorzugaukeln. Wir haben den Rentnern versprochen gesehen, man könne das alles rückgängig machen, was unter Kohl und Blüm noch eingeleitet worden ist; jetzt sind die Verhältnisse dramatischer. Man muss sehen, dass der Staatsanteil in der verplanten Ausgabe ein Stück zurückgefahren wird. Im Gegenteil ist es jetzt so: wir müssen ständig dort Zusätzliches zahlen. Alle anderen sind heruntergegangen bei der Mineralölsteuer, die wichtigen Partner, als die Ölscheichs zugelangt haben; wir sind noch mal um je sieben Pfennig jedes Jahr hinaufgegangen. Die Bundesregierung hat nur ihre Einnahmen erhöht und nicht die Ausgaben gesenkt, gleichzeitig auch bei den Ausgaben nicht den Einschnitt gemacht den sie wollte. Den Haushalt kann man nicht dadurch konsolidieren, indem man anderen das Geld wegnimmt und sagt, das konsolidiert.
Ensminger: Trotzdem: die Nettokreditaufnahme wird bei 41,3 Milliarden Mark liegen, rund 2,3 Milliarden Mark weniger als 2001. Damit liegt Eichel immerhin in seinem Fahrplan.
Goppel: Wenn er aber gleichzeitig über die Ökosteuer über 30 Milliarden mehr einnimmt und wenn er gleichzeitig noch mal die Tabaksteuer, die fast das doppelte, nein das dreifache dieses Einspareffektes - man wird ja ganz närrisch - einbringt, die Tabaksteuer erhöht, um sich den Rücken frei zu halten für weitere Ausgaben, dann wird daraus deutlich, dass dies wirklich ein Trickspiel ist.
Ensminger: Das heißt Sie kritisieren nicht wirklich die Sparpolitik, sondern die Verteilung?
Goppel: Jeder der spart kriegt ein Kompliment. Das ist nicht die Frage. Nur wer bei diesem riesigen Haushalt, dreistellige Milliardenhöhe, zwei Milliarden einspart und gleichzeitig die Steuern um ein Vielfaches dieses Zwei-Milliarden-Betrages erhöht hat, der kann doch für sich nicht reklamieren, dass er in Wirklichkeit eingespart hat. Er hat an der einen Stelle ein bisschen Geld nicht ausgegeben, aber dafür das fünffache an anderer Stelle sich hereingeholt. Das heißt er steigert die Ausgaben letztlich. Ich hätte beinahe gesagt unerträglich!
Ensminger: Bleiben wir beim Sparkurs. Eichel hält also daran fest und man sieht die Prognosen fürs kommende Jahr. Dann weiß man, dass es nicht wirklich bald zu einer Verbesserung der Wirtschaftssituation kommen kann. Was bedeutet das für die Landeshaushalte?
Goppel: Das hängt davon ab, wie die Landeshaushalte geführt sind. Wenn ich unseren eigenen nehme, dann sind wir dank einer vernünftigen rechtzeitigen Planung noch einigermaßen im Lot.
Ensminger: Das heißt Eichels Politik betrifft Sie gar nicht?
Goppel: Nein, nein. Wir sind im Verhältnis noch gut im Lot. Nur jedes Mal wenn der Bundesfinanzminister zuschlägt - ich nehme mal die Gewerbesteuerumlage für die Kommunen -, dann drückt er sich um weitere Ausgaben, nimmt sich mehr Geld und gibt den Kommunen zusätzliche Ausgaben hinaus. Wer anderen Geld nimmt, um ihnen dann statt dessen Aufgaben zu geben, der verfährt nach dem Motto "Steine statt Brot". Damit kann er sich dann nachher auch nicht hinausreden, dass er nicht den anderen größere Lasten auferlegt hat. Wir als Länder sind zusätzlich belastet, weil der Bundesfinanzminister zum Beispiel über den Bundesinnenminister bei der Frage der Zuwanderung nicht genau gesagt hat, was uns das kosten wird. Wir werden Unsummen von Geld bezahlen müssen, wieder neu, weil der Bundesinnenminister sich ein Gesetz ausgedacht hat, das letztlich bei den Ländern und Kommunen sich auswirkt. Also da wird schon eine Menge zusätzlich geaast.
Ensminger: Herr Goppel, Sie haben einen Punkt angesprochen, das Zuwanderungsgesetz, den ich aber nicht nur auf die Kosten beziehen will, sondern - -
Goppel: Der gehört in den nächsten Haushalt. Da haben Sie Recht!
Ensminger: Otto Schily ist gestern in der Haushaltsdebatte zu Wort gekommen und er warf der Union im Streit um das Zuwanderungsgesetz eben noch einmal Parteitaktik vor. Nun hat sich gestern der saarländische Ministerpräsident Müller von der CDU zuversichtlich über die Einigungschancen geäußert. Die CSU lehnt weiter ab und auch die Unterschriftenaktion ist noch nicht ganz vom Tisch. Gibt es nun eine oder nicht?
Goppel: Darf ich Ihnen sagen, es ist ein großer Unterschied in der Betrachtungsweise und nicht im Inhalt. Der Ministerpräsident des Saarlandes geht davon aus, dass man weiter redet. Der Bundesinnenminister hat immer geredet und immer neue Vorschläge gemacht. Jetzt kann man nicht wissen wie. Wir gehen vom Bestand der heutigen Gesetzesvorlage aus. Wenn das Ding so daliegt, wie es liegt, ist es zustimmungsunfähig und wir werden nicht zustimmen.
Ensminger: Das heißt dann kommt die Unterschriftenaktion?
Goppel: Nein, das ist eine Frage, die insgesamt die nächsten Verhandlungen abgeht, dass selbstverständlich das Szenario so aufgezeigt wird, wie es sich gehört. Die Opposition hat am Ende niemand anderen als die Bürger, die wo möglich mit ihr gegen die Linien der Regierung stimmen. Eine hartnäckige Regierung braucht am Ende gelegentlich die Meinung des Volkes, wenn sie es selber nicht hört. Deswegen ist es nicht ausgeschlossen, so etwas zu machen, aber es ist nicht die Regel, denn jede scharfe Waffe wird stumpf, wenn sie im Einsatz ist.
Ensminger: Vielen Dank Thomas Goppel. Zuwanderung, Haushalt, es wird heute im Bundestag viel Diskussions- und Konfliktstoff geben.
Goppel: Mit Sicherheit!
Link: Interview als RealAudio