Archiv


Die Unionskampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft

DLF: Die CDU muß das Kämpfen wieder lernen – das fordert der Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Glos, vor der heute beginnenden Klausurtagung seiner Partei im Wildbad Kreuth. ‚Die Schwesterpartei müsse die Kampagnenfähigkeit wieder zurückgewinnen‘, das schrieb Glos im Parteiorgan BAYERNKURIER, und offensichtlich wollen die Christsozialen den Christdemokraten dabei ordentlich unter die Arme greifen. Auf Drängen des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber nämlich hat die Union eine umstrittene Kampagne gegen die Ausländerpolitik der rot-grünen Koalition in Bonn gestartet. Stoiber hatte zum Thema ‚doppelte Staatsbürgerschaft‘ eine Volksabstimmung angeregt. Verständigt haben sich CDU und CSU nun offenbar auf eine gemeinsame Unterschriftenaktion. Die Ausländerpolitik wird wohl ein zentrales Thema der Kreuther Tagung sein; darüber möchte ich nun mit dem Chef der bayerischen Staatskanzlei sprechen. Ich begrüße am Telefon in München Erwin Huber. Guten Morgen, Herr Huber.

    Huber: Guten Morgen.

    DLF: Herr Huber, Ihnen wird nun vorgeworfen, mit der geplanten Unterschriften-aktion Ausländerhaß in Deutschland zu schüren. Selbst die katholische Kirche kritisiert diese Aktion. Auch aus den Reihen der CDU wir Ihrer Partei Populismus vorgeworfen. Applaus gab es hingegen von den Rechten. DVU-Chef Gerhard Frey meinte, Sie hätten wohl in seinem Parteiprogramm abgekupfert. Das sollte Ihnen doch eigentlich zu denken geben.

    Huber: Zunächst einmal: Diese Aktion richtet sich nicht gegen Ausländer. Sie richtet sich gegen eine falsche und gefährliche Ausländerpolitik der Bundesregierung. Wir werden ja die Integration von Ausländern, die lange hier leben, nicht ablehnen – ja ganz im Gegenteil. Wir wollen diese Integration erleichtern und fördern sie auch. Wir halten nur den Weg der doppelten Staatsbürgerschaft, der eingeschlagen werden soll – einer generellen doppelten Staatsbürgerschaft –, für falsch, denn damit wird bei ihnen die Integration nicht vollzogen. Daß es bei einer solchen Aktion auch Kritik gibt, das muß man in Kauf nehmen. Das sind einzelne Stimmen. Es ist auch nicht die katholische Kirche, sondern es ist ein Landeskomitee . . .

    DLF: . . . in Bayern immerhin . . .

    Huber: . . . ein Landeskomitee ist eine Einzelstimme, aber insgesamt erhalten wir einen breiten und starken Zuspruch. Das war nach der ersten Ankündigung schon so, daß Anfragen aus vielen Bundesländern bei uns eingegangen sind. Sie wollen uns das schreiben und sie begrüßen, daß sie sich endlich einmal äußern können in einer ganz klaren Form gegen eine solche verfehlte Ausländerpolitik der Bundesregierung.

    DLF: Herr Huber, sagen Sie doch einmal ganz konkret: Was sollen die Bürger unterschreiben?

    Huber: Sie sollen unterschreiben, daß sie diese Form der doppelten Staats- bürgerschaft ablehnen und damit zu erkennen geben, daß sie unseren ebenen Weg der Förderung der Integration gehen und der Frage, daß jemand, der deutscher Staatsbürger werden will, sich auch entscheiden muß: Entweder Deutscher zu werden oder bei der bisherigen Staatsbürgerschaft zu bleiben. Zwei Pässe sind keine Integration, sondern schaffen mehr Probleme. Zwei Pässe schaffen eine Privilegierung gegenüber dem, der nur einen Paß hat. Und eine solche Privilegierung schafft sicherlich in der Zukunft große Probleme und Schwierigkeiten, nicht zuletzt auch im Sicherheitsbereich.

    DLF: Worin sehen Sie die Privilegierung?

    Huber: Wenn man zwei Pässe hat, dann hat man ja eine ganze Reihe von Vorteilen, beispielsweise in der Schule, beim Hochschulbereich, mehr Reisemöglichkeiten, bei der Niederlassung und dergleichen mehr. Das heißt, es gibt mit zwei Pässen dann eindeutig eine Bevorzugung. Und dagegen wenden wir uns. Wir sind ja nicht dagegen, daß – und es ist ja schon geltendes Recht und man kann es auch nocht verbessern – langjährig bei uns lebende Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Sie erhalten dann auch den deutschen Paß. Darin soll nun stehen, daß sie bei der doppelten Staatsbürgerschaft ihre bisherige Staatsbürgerschaft behalten und in der Realität dann in zwei Ländern eigentlich Staatsbürger sind. Wir wenden uns also ausschließlich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, nicht gegen die Integration. Wer das sagt, der hat das ganze überhaupt nicht überdacht. Wir werden der breiten Bevölkerung die Möglichkeit geben, als Sprachrohr hier gegen eine verfehlte Ausländerpolitik der Bundesregierung sich zu äußern.

    DLF: Einwanderungswillige Ausländer sollen einen Eid auf die deutsche Verfassung ablegen. Das fordert Ihr Parteifreund Zeidelmann. Das müssen nicht einmal Deutsche tun. Warum verlangen Sie das von Ausländern?

    Huber: Die Form – das kann man überlegen. Aber es geht ja letztlich darum daß man sagt: Wer Deutscher werden will, der muß ja nun auch bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen. Das ist bei der Automatik, die die Bundesregierung vor hat, offenbar nicht der Fall, sondern wenn man eine bestimmte Zahl von Jahren hier ist, soll man einen Rechtsanspruch haben auf einen deutschen Paß. Ob man beispielsweise deutsch kann, ob man sich also zu einer Grundordnung bekennt, ob man sich zur Kultur bekennt – das soll keine Rolle spielen – das ist doch etwas, was sehr problematisch ist. Im übrigen führt es zum Teil in eine Zwangsgermanisierung, wenn Kinder automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen, zum Beispiel gegen den Willen der Eltern. Dann ist das eine weitere Problematisierung. Wir weisen auf die hier anstehenden gewaltigen Probleme hin, die mit der doppelten Staatsbürgerschaft verbunden sind und ich darf daran erinnern: Auch in der Vergangenheit haben Rot-Grün große Aktionen gestaltet, auch politische Demonstrationen. Und deshalb steht uns das Recht natürlich zu, die Bevölkerung zu mobilisieren gegen eine verfehlte Ausländerpolitik.

    DLF: Wenn Sie Angst vor einer Zwangsgermanisierung haben, wie Sie das gerade ausgedrückt haben, dann wäre natürlich die doppelte Staatsbürgerschaft eine Alternative, die sich da anbieten würde.

    Huber: Es geht doch darum – das sagen wir –: Wer sich bei uns einbürgern lassen will, der stelle einen Antrag, der bringt die Nachweise. Der hat den Willen zu erken-nen gegeben, daß er integriert werden will. Integration setzt ja voraus, daß wir bereit sind, Ausländer bei uns aufzunehmen, auf Dauer, auch als Mitbürger. Den Willen haben wir. Es setzt aber auch voraus, daß die Ausländer selber den Willen haben, sich integrieren zu wollen, Deutsche werden zu wollen. Und das kann man aus unserer Sicht nicht durch einen reinen Zeitablauf machen, sondern da müssen weitere Voraussetzungen gegeben sein. Und bei dieser sogenannten Zwangs germanisierung geht es ja darum, daß beispielsweise ausländische Eltern gar kein Recht haben, es abzulehnen, wenn ihre Kinder in Deutschland geboren sind. Jetzt nehme ich beispielsweise an die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Hier ist es natürlich möglich, daß meinetwegen Franzosen oder Italiener sich in Deutschland niederlassen, dann werden ja die Kinder automatisch zusätzlich noch die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen. Sie können es gar nicht ablehnen. Hätten wir so einen Vorschlag gemacht, hätte man wahrscheinlich von Zwangsgermanisierung gesprochen. Ich weise nur auf eine ganze Reihe ungelöster Fragen zusätzlicher Probleme hin und behaupte: Die doppelte Staatsbürgerschaft löst keine Integrationsprobleme, sondern sie schafft im Grunde eine ganze Fülle weiterer Probleme des Nachzugs und der Sicherheit. Und deshalb sind wir gegen die generelle doppelte Staatsbürgerschaft.

    DLF: Herr Huber, Stichwort ‚Sicherheit‘. Also, sie stimmen Edmund Stoiber, dem Ministerpräsidenten von Bayern, zu, der da sagt, eine doppelte Staatsbürgerschaft könne die Sicherheitslage in Deutschland stärker gefährden, als die Aktivitäten der RAF in den 70er und 80er Jahren?

    Huber: Es ist so, daß beispielsweise der Haftbefehl gegen den PKK-Führer Öcalan ja nicht umgesetzt wurde, weil man große Unruhen in Deutschland befürchtete, weil die PKK etwa 50.000 sehr starke Anhänger in Deutschland hat, zum Teil auch gewaltbereit. Und wenn dann ein schöner Teil dieser möglichen PKK-Kämpfer dann zusätzlich auch noch deutscher Staatsbürger würde, könnte man beispielsweise gewalttätige Straftäter auch nicht mehr ausweisen. Das heißt, wir bekommen ein zusätzliches Sicherheitsproblem . . .

    DLF: . . . aber wäre es ohnehin nicht sinnvoller, Entschuldigung, Straftäter dort zu bestrafen, wo sie Straftaten begangen haben? . . .

    Huber: . . . aber wir haben die Möglichkeit, straftätige Ausländer – und wir haben leider einen hohen Anteil von Kriminalität von Ausländern –, hier haben wir die Mög-lichkeit, daß wir sie des Landes verweisen. Ich verweise auf die Ausweisung des Mechmet, der nun 63 Straftaten in Deutschland begangen hat.

    DLF: Der aber in der Türkei wahrscheinlich nicht bestraft werden wird.

    Huber: Wir haben die Möglichkeit, bei Ausländern die Bestrafung – sie liegt zum Teil bei uns – vorzunehmen, und zusätzlich eine Ausweisung zu machen. In dem Moment, wo jemand die doppelte Staatsbürgerschaft hat, ist natürlich die Möglichkeit der Ausweisung nicht mehr gegeben. Und da muß man sagen: Damit verzichten wir auf ein weiteres Instrument, um gegen Gewalttätige vorzugehen. Das heißt, wir haben dann nicht mehr die Möglichkeit, Ausländer, die bei uns straffällig werden, die nachweislich gegen den inneren Frieden verstoßen, auszuweisen, weil sie die doppelte Staatsbürgerschaft haben. Ich verweise auf diese Sicherheitsproblematik, auf die die bayerische Ministerpräsident hingewiesen hat.

    DLF: Herr Huber, selbst die Ausländerbeauftragte von Berlin, die CDU-Politikerin Barbara John, spricht davon, daß es sich bei dieser ganzen Unterschriftenaktion nur um einen Machtkampf zwischen Stoiber und dem CDU-Vorsitzenden Schäuble handele, einen Machtkampf um die Führungsrolle in der Union. Und es fällt ja in der Tat auf, daß solche Volksbefragungen oder Unterschriftenaktionen, eine solche Form von direkter Demokratie, bisher ja von CDU und CSU eher abgelehnt wurden. Warum jetzt dieser Vorstoß?

    Huber: Der Vorwurf ‚Machtkampf‘ ist völlig abwegig, denn diese Aktion ist in der letzten Woche zwischen Wolfgang Schäuble und Edmund Stoiber besprochen worden und erörtert worden. Da gibt es völlige Übereinstimmung. Und wir werden die Unionsparteien am 24. Januar bei einem Gipfeltreffen die Details dazu festlegen. Sie sehen, es besteht großer Konsens. Es gibt also keinen Machtkampf. Da ist man hereingefallen auf eine Parole, die von den Grünen ausgegeben wurde. Und daß wir ein Plebiszit jetzt nicht haben, das ist uns bekannt. Das hat ja auch keine unmittelbare Rechtsfolge. Es ist eine politische Demonstration, die mit der Unterschriftenliste und der Eintragung der Bürger ermöglicht wird. Wir wollen damit der rot-grünen Bundesregierung demonstrieren, daß sie in dieser Frage gegen den klaren Mehrheitswillen der Bevölkerung handelt. Man soll auf die große Mehrheit der Bürger in diesem Lande in dieser Frage hören.

    DLF: Ob das der Mehrheitswille der Bevölkerung wirklich ist, das sei dahingestellt. Aber vielmehr interessiert sicherlich viele Menschen, was man im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit tun könnte. Warum ziehen Sie dieses Thema ‚Ausländerpolitik‘ so weit nach vorne?

    Huber: Die Bundesregierung hat angekündigt, in kurzer Zeit einen Gesetzentwurf dazu vorzulegen. Sie will ihn noch vor der Sommerpause durch Bundestag und Bundesrat bringen. Das ist eine ganz aktuelle Frage mit sehr weitreichenden Wirkungen. Es können da bei Schätzungen 4 Millionen Ausländer in den Genuß dieser doppelten Staatsbürgerschaft kommen. Wir haben den Zeitdruck nicht erzeugt, aber wir reagie-ren darauf, daß die Bundesregierung dies in ganz kurzer Zeit durchpeitschen will mit dem falschen Weg.

    DLF: Erwin Huber war das, Chef der bayerischen Staatskanzlei, CSU-Politiker. Ich danke Ihnen, auf Wiederhören.

    Huber: Bitte sehr, auf Wiederhören.