Jürgen Liminski: Johannes Paul II. wird unter anderem als der Papst in die Geschichte eingehen, der die Trennung des alten Kontinents Europa mit überwunden hat. Er selbst sprach von den zwei Flügeln einer Lunge, dem Westen und dem Osten Europas. Was ihm politisch gelang, das blieb religiös allerdings unvollendet. Die Versöhnung Roms mit Moskau, der katholischen Kirche mit der russisch-orthodoxen Kirche, die hat er nicht erreicht. Sein Wunsch, auch in Moskau die Erde zu küssen, blieb ihm verwehrt.
Gab es überhaupt Fortschritte bei der religiösen Aussöhnung mit dem Osten? Stand ihm sein Heimatland Polen im Weg? Geht es nun weiter oder kommt die große Stagnation? - Über diese Fragen wollen wir nun sprechen mit Antonia Willemsen. Sie ist Generalsekretärin des internationalen Hilfswerks päpstlichen Rechts "Kirche in Not" und hat - das darf man wohl sagen - an der Seite des vor gut zwei Jahren verstorbenen Gründers des Hilfswerks, als Speckpater bekannt gewordenen Werenfried van Straaten, Pionierdienste für diese Aussöhnung in Russland geleistet. Zunächst mal guten Morgen Frau Willemsen.
Antonia Willemsen: Guten Morgen Herr Liminski.
Liminski: Frau Willemsen, Ihr Werk heißt "Kirche in Not - Ostpriesterhilfe" und in diesem Namen klingt an, dass es von Anfang an mit dem Osten befasst war. Woher kommt diese Ausrichtung?
Willemsen: Das stimmt. Das hieß ursprünglich nur "Ostpriesterhilfe" und Pater Werenfried hat es gegründet, um den deutschen Heimatvertriebenen zu helfen: vor allem den Priestern, die aus dem Osten kamen, mit ihren Gläubigen. Als dann die Lage der Heimat-vertriebenen sich verbessert hat, hat er 1956 den Schwerpunkt unseres Werkes nach Osteuropa verlagert, wo wir den Opfern des Kommunismus in erster Linie geholfen haben.
Liminski: Und in dieser Weise natürlich auch mit dem jetzt verstorbenen Papst vermutlich zusammengekommen sind?
Willemsen: Ja. Später ist Pater Werenfried mit dem jetzt verstorbenen Papst in Verbindung gekommen, als er Erzbischof in Krakau war, wo er ihm geholfen hat beim Bau einer Kirche in Nova Huta, aber auch, weil Kardinal Wojtyla von der polnischen Bischofskonferenz immer zu Pater Werenfried geschickt wurde, um das Budget für Polen mit ihm zu besprechen.
Liminski: Haben Sie auf seinen Wunsch, also auf Wunsch des Papstes, auch in Russland begonnen, an der Versöhnung zu arbeiten?
Willemsen: Ja, das war der Auslöser, denn unser Werk ist ein katholisches Hilfswerk. Es war für wirklich Jedermann eine große Überraschung, als Pater Werenfried sagte, der Papst hat mich gebeten, etwas zu tun für die russisch-orthodoxen Kirchen und wir werden das tun. Denn was der Papst uns sagt, was der Papst will, das ist für uns ein Gesetz. Wir müssen das machen. Deswegen hat Pater Werenfried das Anfang der 90er Jahre angefangen.
Liminski: Würden Sie denn Ihre Funktion als Brücken bauen bezeichnen? Kennen Sie die einzelnen Persönlichkeiten, auf die es da ankommt? Ist das die Hauptfunktion Ihres Werkes geworden?
Willemsen: Nein, es ist nicht die Hauptfunktion. Wir waren und wir sind ein katholisches Hilfswerk. Wir helfen in der ganzen Welt, aber im Falle von Russland hat Pater Werenfried versucht, auf Bitte des Papstes die Versöhnung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche vorzubereiten. Das hat in erster Linie bedeutet, den Patriarchen Alexis II. in Moskau zu besuchen. Ich war damals dabei, sowohl das erste wie auch das zweite Mal.
Liminski: Warum ist man denn bei dieser Versöhnung nicht weiter gekommen?
Willemsen: Ich denke, dass man weiter gekommen ist. Man darf nicht vergessen, dass die russisch-orthodoxe Kirche 70 Jahre Verfolgung hinter sich hatte, als dann plötzlich Anfang der 90er Jahre die Freiheit ausbrach, kann man wohl sagen. Die Kirche war sehr geschwächt und sah sich plötzlich einer katholischen Kirche und auch anderen Kirchen gegenüber, die sich seit 1917 normal weiterentwickelt hatten, was bei der orthodoxen Kirche nicht der Fall war. Die mussten so viel nachholen, dass die Situation dadurch denke ich auch von katholischer Seite her manchmal verkannt wurde.
Liminski: Gibt es denn auch politische Gründe, die einen Fortschritt der Versöhnung verhindern?
Willemsen: Ich denke, dass einer der Gründe der schwere polnische Akzent in der katholischen Kirche in Russland sein könnte. Das hört man immer wieder. Man kann sich natürlich fragen, ob es eine Alternative gäbe oder damals gegeben hat, denn Polen verfügt über sehr viele Priester, war auch bereit, die dort hinzuschicken. Die Sprache ist kein allzu großes Problem, so dass dies das Naheliegendste war. Aber die Geschichte zwschen Polen und Russland ist natürlich so, dass dies nicht unbedingt eine große Freundschaft voraussetzt, auch nicht im religiösen Bereich.
Liminski: Wurden denn auch Fehler in Rom gemacht?
Willemsen: Ja, ich denke schon. Wir haben auch einiges erlebt diesbezüglich. Aber auch das ist zurückzuführen auf die Tatsache, dass Russland 70 Jahre hermetisch geschlossen war. Es gab keine Leute, die Russland von vor 1917 gekannt haben. Plötzlich musste auch der Vatikan sich damit abfinden und schauen, was machen wir jetzt. Dass dabei natürlich Fehler gemacht wurden, sowohl auf der Seite des Vatikans wie auch des Patriarchates, das ist eigentlich das normalste der Welt.
Liminski: Frau Willemsen, wie kann es denn nun weiter gehen? Eigentlich haben die christlichen Kirchen in Ost und West ja ein gemeinsames Problem, nämlich das Vordringen des Islam. Da müsste es doch relativ leicht sein, stärker zusammenzufinden?
Willemsen: Es gibt das Vordringen des Islams - das ist eine Sache. Was aber die orthodoxe Kirche im zunehmenden Maße auch belastet, ist die Präsenz der Sekten in Russland und das sieht sie auch als eine große Bedrohung, die katholische Kirche. Denn die Sekten sind wirklich überall in Russland vorhanden und deswegen haben sie völlig Recht, wenn sie sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche eigentlich nur für beide von Vorteil sein könnte. Ich denke aber, dass hier auch Fortschritte gemacht worden sind, vor allem in der letzten Zeit. Es wurde eine gemeinsame Kommission gebildet, mit Katholiken und Orthodoxen, das ist eine kleine Kommission, nach dem Kardinal Kasper in Russland gewesen ist und die Ikone von Kasan zurück nach Russland gebracht hat. Ich denke, dass das ein Zeichen ist, diese gemeinsame Kommission. Dass man bevor man öffentlich in der Zeitung schreibt, was für Probleme es gibt, dass man versucht diese erstmal zusammen zu besprechen. Das ist ein Fortschritt. Dann gibt es ökumenische Projekte, wo Katholiken und Orthodoxen tagtäglich zusammen arbeiten. Ich denke, dass ist auch ganz wichtig, dass man sich kennen lernt. Wenn man sich nicht kennt, dann redet man übereinander, aber nicht miteinander und deswegen gehen diese Entwicklungen meines Erachtens in eine positive Richtung.
Liminski: Letzte Frage, Frau Willemsen mit Blick nach Rom. Ich vermute, Sie haben dort gute Einblicke. Wie lautet denn ihr Tipp für das kommende Konklave? Wer wird denn Nachfolger von Johannes Paul II. Ratzinger wird immer wieder genannt.
Willemsen: Also, an diesen Spekulationen werde ich mich nicht beteiligen und glauben Sie wirklich, dass meine Meinung, eine Frau in Deutschland, die in einem Hilfsprojekt ar-beitet, wichtig sein könnte. Ich denke, wir überlassen es den Kardinälen und dem Heiligen Geist.
Gab es überhaupt Fortschritte bei der religiösen Aussöhnung mit dem Osten? Stand ihm sein Heimatland Polen im Weg? Geht es nun weiter oder kommt die große Stagnation? - Über diese Fragen wollen wir nun sprechen mit Antonia Willemsen. Sie ist Generalsekretärin des internationalen Hilfswerks päpstlichen Rechts "Kirche in Not" und hat - das darf man wohl sagen - an der Seite des vor gut zwei Jahren verstorbenen Gründers des Hilfswerks, als Speckpater bekannt gewordenen Werenfried van Straaten, Pionierdienste für diese Aussöhnung in Russland geleistet. Zunächst mal guten Morgen Frau Willemsen.
Antonia Willemsen: Guten Morgen Herr Liminski.
Liminski: Frau Willemsen, Ihr Werk heißt "Kirche in Not - Ostpriesterhilfe" und in diesem Namen klingt an, dass es von Anfang an mit dem Osten befasst war. Woher kommt diese Ausrichtung?
Willemsen: Das stimmt. Das hieß ursprünglich nur "Ostpriesterhilfe" und Pater Werenfried hat es gegründet, um den deutschen Heimatvertriebenen zu helfen: vor allem den Priestern, die aus dem Osten kamen, mit ihren Gläubigen. Als dann die Lage der Heimat-vertriebenen sich verbessert hat, hat er 1956 den Schwerpunkt unseres Werkes nach Osteuropa verlagert, wo wir den Opfern des Kommunismus in erster Linie geholfen haben.
Liminski: Und in dieser Weise natürlich auch mit dem jetzt verstorbenen Papst vermutlich zusammengekommen sind?
Willemsen: Ja. Später ist Pater Werenfried mit dem jetzt verstorbenen Papst in Verbindung gekommen, als er Erzbischof in Krakau war, wo er ihm geholfen hat beim Bau einer Kirche in Nova Huta, aber auch, weil Kardinal Wojtyla von der polnischen Bischofskonferenz immer zu Pater Werenfried geschickt wurde, um das Budget für Polen mit ihm zu besprechen.
Liminski: Haben Sie auf seinen Wunsch, also auf Wunsch des Papstes, auch in Russland begonnen, an der Versöhnung zu arbeiten?
Willemsen: Ja, das war der Auslöser, denn unser Werk ist ein katholisches Hilfswerk. Es war für wirklich Jedermann eine große Überraschung, als Pater Werenfried sagte, der Papst hat mich gebeten, etwas zu tun für die russisch-orthodoxen Kirchen und wir werden das tun. Denn was der Papst uns sagt, was der Papst will, das ist für uns ein Gesetz. Wir müssen das machen. Deswegen hat Pater Werenfried das Anfang der 90er Jahre angefangen.
Liminski: Würden Sie denn Ihre Funktion als Brücken bauen bezeichnen? Kennen Sie die einzelnen Persönlichkeiten, auf die es da ankommt? Ist das die Hauptfunktion Ihres Werkes geworden?
Willemsen: Nein, es ist nicht die Hauptfunktion. Wir waren und wir sind ein katholisches Hilfswerk. Wir helfen in der ganzen Welt, aber im Falle von Russland hat Pater Werenfried versucht, auf Bitte des Papstes die Versöhnung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche vorzubereiten. Das hat in erster Linie bedeutet, den Patriarchen Alexis II. in Moskau zu besuchen. Ich war damals dabei, sowohl das erste wie auch das zweite Mal.
Liminski: Warum ist man denn bei dieser Versöhnung nicht weiter gekommen?
Willemsen: Ich denke, dass man weiter gekommen ist. Man darf nicht vergessen, dass die russisch-orthodoxe Kirche 70 Jahre Verfolgung hinter sich hatte, als dann plötzlich Anfang der 90er Jahre die Freiheit ausbrach, kann man wohl sagen. Die Kirche war sehr geschwächt und sah sich plötzlich einer katholischen Kirche und auch anderen Kirchen gegenüber, die sich seit 1917 normal weiterentwickelt hatten, was bei der orthodoxen Kirche nicht der Fall war. Die mussten so viel nachholen, dass die Situation dadurch denke ich auch von katholischer Seite her manchmal verkannt wurde.
Liminski: Gibt es denn auch politische Gründe, die einen Fortschritt der Versöhnung verhindern?
Willemsen: Ich denke, dass einer der Gründe der schwere polnische Akzent in der katholischen Kirche in Russland sein könnte. Das hört man immer wieder. Man kann sich natürlich fragen, ob es eine Alternative gäbe oder damals gegeben hat, denn Polen verfügt über sehr viele Priester, war auch bereit, die dort hinzuschicken. Die Sprache ist kein allzu großes Problem, so dass dies das Naheliegendste war. Aber die Geschichte zwschen Polen und Russland ist natürlich so, dass dies nicht unbedingt eine große Freundschaft voraussetzt, auch nicht im religiösen Bereich.
Liminski: Wurden denn auch Fehler in Rom gemacht?
Willemsen: Ja, ich denke schon. Wir haben auch einiges erlebt diesbezüglich. Aber auch das ist zurückzuführen auf die Tatsache, dass Russland 70 Jahre hermetisch geschlossen war. Es gab keine Leute, die Russland von vor 1917 gekannt haben. Plötzlich musste auch der Vatikan sich damit abfinden und schauen, was machen wir jetzt. Dass dabei natürlich Fehler gemacht wurden, sowohl auf der Seite des Vatikans wie auch des Patriarchates, das ist eigentlich das normalste der Welt.
Liminski: Frau Willemsen, wie kann es denn nun weiter gehen? Eigentlich haben die christlichen Kirchen in Ost und West ja ein gemeinsames Problem, nämlich das Vordringen des Islam. Da müsste es doch relativ leicht sein, stärker zusammenzufinden?
Willemsen: Es gibt das Vordringen des Islams - das ist eine Sache. Was aber die orthodoxe Kirche im zunehmenden Maße auch belastet, ist die Präsenz der Sekten in Russland und das sieht sie auch als eine große Bedrohung, die katholische Kirche. Denn die Sekten sind wirklich überall in Russland vorhanden und deswegen haben sie völlig Recht, wenn sie sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche eigentlich nur für beide von Vorteil sein könnte. Ich denke aber, dass hier auch Fortschritte gemacht worden sind, vor allem in der letzten Zeit. Es wurde eine gemeinsame Kommission gebildet, mit Katholiken und Orthodoxen, das ist eine kleine Kommission, nach dem Kardinal Kasper in Russland gewesen ist und die Ikone von Kasan zurück nach Russland gebracht hat. Ich denke, dass das ein Zeichen ist, diese gemeinsame Kommission. Dass man bevor man öffentlich in der Zeitung schreibt, was für Probleme es gibt, dass man versucht diese erstmal zusammen zu besprechen. Das ist ein Fortschritt. Dann gibt es ökumenische Projekte, wo Katholiken und Orthodoxen tagtäglich zusammen arbeiten. Ich denke, dass ist auch ganz wichtig, dass man sich kennen lernt. Wenn man sich nicht kennt, dann redet man übereinander, aber nicht miteinander und deswegen gehen diese Entwicklungen meines Erachtens in eine positive Richtung.
Liminski: Letzte Frage, Frau Willemsen mit Blick nach Rom. Ich vermute, Sie haben dort gute Einblicke. Wie lautet denn ihr Tipp für das kommende Konklave? Wer wird denn Nachfolger von Johannes Paul II. Ratzinger wird immer wieder genannt.
Willemsen: Also, an diesen Spekulationen werde ich mich nicht beteiligen und glauben Sie wirklich, dass meine Meinung, eine Frau in Deutschland, die in einem Hilfsprojekt ar-beitet, wichtig sein könnte. Ich denke, wir überlassen es den Kardinälen und dem Heiligen Geist.