Heuer: Optimismus hat gestern Gerhard Schröder nach seinem Treffen mit der Hartz-Kommission verbreitet. "Die Richtung stimmt wirklich", sagte der Bundeskanzler, und er hat angedeutet, die Vorschläge der Kommission nach ihrem Abschlussbericht, der für den 16. August erwartet wird, ohne Abstriche umsetzen zu wollen. Bloß: Welche Vorschläge er genau meint, hat Schröder gestern nicht erläutert, und auch der Namensgeber des Gremiums, VW-Manager Peter Hartz, mochte sich nach dem Treffen mit dem Bundeskanzler zu Details nicht äußern. Und so geht die Diskussion um Einschnitte bei den Sozialleistungen oder mehr Billigjobs in Deutschland weiter. Hier und heute mit Hubertus Schmoldt, dem Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, kurz: IGBCE. BDI-Chef Michael Rogowski hat gesagt, ohne Kürzungen bei den Sozialleistungen gehe es in Deutschland nicht bergauf. Geht es doch ohne Kürzungen bei den Sozialleistungen?
Schmoldt: Was am Ende bei den Hartz-Vorschlägen auf den Tisch gelegt wird, weiß ja im Moment noch niemand, und die Debatte um Kürzungen verschafft uns überhaupt nicht einen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz. Herrn Rogowski müsste man auffordern - das will ich auch gerne hier tun -, dass endlich die Industrie ihren Verpflichtungen und Zusagen nachkommt. Da sind ja die Zusagen, die sie im Bündnis gemacht haben, also Abbau von Überstunden, mehr Teilzeitplätze, und nach wie vor ganz dramatisch eine Unterversorgung mit Ausbildungsstellen für die Jugendlichen. Und wenn Herr Rogowski vor gut einer Woche von den bisher immer offenen 1,5 Millionen Stellen nun 500.000 wegnimmt und sagt, die seien nicht vorhanden, dann ist das dramatisch, aber wenn er wenigstens diese eine Million besetzen würde, wäre das ein gewaltiger Schub für den Arbeitsmarkt.
Heuer: In der Hartz-Kommission - der Eindruck tut sich auf - gibt es eine Veränderung in Ihre Richtung. Statt pauschalen Einschnitten bei den Sozialleistungen sind jetzt Sanktionen für einzelne im Gespräch, nämlich für Arbeitslose, die sich nicht genug Mühe bei der Arbeitssuche geben. Wären Sie mit einer solchen Regelung einverstanden?
Schmoldt: Wir haben als Gewerkschaften gesagt: Jeder Arbeitslose muss auch seiner Verpflichtung gegenüber der Solidargemeinschaft nachkommen, das heißt er selber muss auch alles tun, damit er möglich schnell wieder in einen Arbeitsplatz vermittelt wird. Und wenn er dazu nicht bereit ist, dann muss er auch mit Sanktionen rechnen. Das ist ein ganz normaler Vorgang, und ich denke, das wäre auch eine richtige Zielrichtung. Worauf es des weiteren ankommt ist, dass die Hartz-Kommission Vorschläge entwickelt, die insgesamt die Arbeitsvermittlung und auch die Vorbereitung, Qualifizierung auf bestimmte Arbeitsplätze beschleunigt und zielgenauer macht. Das war ja ein Problem, das wir in der Vergangenheit stets hatten, und wo dann diejenigen, die gesucht wurden, entweder nicht am Ort vorhanden waren oder auch die notwendige Qualifikation nicht hatten.
Heuer: Wie stark sollten denn die Sozialleistungen für Arbeitsunwillige, wenn man so möchte, Arbeitssuchende gekürzt werden?
Schmoldt: Da gibt es Beispiele in den anderen europäischen Ländern, ob in Dänemark oder England, wo mit empfindlichen Reduzierungen der Leistungen dem einzelnen Arbeitslosen auch seine Pflicht nochmals deutlich vor Augen geführt wird. In welche Größenordnung das geschieht, ist eine Frage, die in der Hartz-Kommission, hoffe ich, ein bisschen intensiver diskutiert worden ist, aber wir haben da ja auch bestimmte Mindestsätze, beispielsweise Sozialhilfesätze. Jeder muss ja irgendwo am Ende über die Runden kommen. Der Gesellschaft ist ja nicht damit gedient, dass man jemandem die Leistung wegnimmt und ihn dann sich selbst überlässt.
Heuer: Wie könnte das denn praktisch funktionieren? Wer soll denn kontrollieren, ob jemand wirklich intensiv genug nach Arbeit sucht, oder ob er das eben nicht tut?
Schmoldt: Die Arbeitgeber haben in der Vergangenheit sehr häufig die ihnen zur Besetzung eines Arbeitsplatzes vermittelten Arbeitslosen wieder zurückgeschickt mit Vermerken in den jeweiligen Bögen. Hier müssen die Arbeitgeber sich ein bisschen mehr Mühe geben, und wenn es dann im Verhalten des einzelnen Arbeitslosen liegt, muss man das da hineinschreiben, wenn es eine Frage der Qualifikation ist, muss man das hineinschreiben. Aber die Arbeitsverwaltung selber wäre natürlich viel effizienter, wenn die Arbeitgeber die bei ihnen nicht besetzten Arbeitsplätze dem Arbeitsamt übermitteln und genau auch den Qualifikationsbedarf angeben.
Heuer: Ist es nicht aber realistischer anzunehmen, dass der Verwaltungsaufwand am Schluss bei der Arbeitsvermittlung hängen bleiben wird?
Schmoldt: Das muss er ja bisher auch schon, aber man kann ja solche Prozesse kürzer und effizienter machen.
Heuer: Das funktioniert jetzt schon nicht.
Schmoldt: Die Arbeitsverwaltung ist ja dabei, auch ihr Verhältnis zu den Unternehmen enger zu knüpfen. Es kann ja nicht angehen, dass auf der einen Seite die Unternehmen jemanden suchen und auf der anderen Seite die Arbeitsverwaltung nicht in diesem Prozess mit dem Unternehmen einbezogen wird. Hier muss es ein engeres Zusammenspiel zwischen der Arbeitsverwaltung und dem einzelnen Unternehmen geben. Der Arbeitsvermittler ist doch froh, wenn er hier einen Erfolg hat, und auch der Arbeitslose ist froh, wenn er einen richtigen Arbeitsplatz bekommt, aber da müssen alle drei miteinander kommunizieren und die Voraussetzungen dafür schaffen.
Heuer: In der Hartz-Kommission wird auch debattiert, Billigjobs zu vermehren. Es gibt den Vorschlag, die 325 Euro Einkommensgrenze auf 500 Euro zu erhöhen. Könnte eine solche Maßnahme die Arbeitslosigkeit senken?
Schmoldt: Also da bin ich sehr skeptisch. Wir haben derzeit den Versuch "Mainzer Modell" laufen, mit der entsprechenden Zuschussregelung, und wir müssen leider entgegen unseren Erwartungen feststellen, dass dieses Modell von der Wirtschaft nicht angenommen wird, denn die entscheidet am Ende, ob sie über diesem Weg zusätzliche Arbeitnehmer einstellt und damit auch neue Arbeitsplätze schafft. Ich wäre nicht grundsätzlich dagegen, andere Wege auszuprobieren. Hier muss man überlegen, was man tun könnte, aber man muss immer eins im Auge behalten: Man darf nicht die Arbeitslosen bestrafen, und alleine die Senkung von Leistungen schafft nicht einen zusätzlichen Arbeitsplatz. Wenn man diese Grenzen beispielsweise von 325 Euro ausdehnen will, dann muss man gleichzeitig die Unternehmen verpflichten, eine Beschäftigungsbilanz zu erstellen. Wir müssen ja verhindern, dass bisher bestehende Stammarbeitsplätze, unbefristete Arbeitsplätze dann in solche Teilzeitarbeitsplätze oder befristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Damit ist ja weder der Arbeitsvermittlung noch der Arbeitslosigkeit insgesamt gedient, sondern hier würden ja nur die Unternehmen versuchen, zu Lasten der Solidargemeinschaft zu sparen.
Heuer: Halten Sie denn die debattierten Niedriglohnjobs wirklich für attraktiv? Was könnte zum Beispiel einen Arbeitslosen, möglicherweise schwarz arbeitenden Menschen dazu bewegen, solche Niedriglohnjobs anzunehmen?
Schmoldt: Zum einen wenn er beispielsweise die Dinge, die er jetzt schwarz verdient, nicht mehr, wenn er sie angibt, ganz auf seine bisherigen Leistung angerechnet bekommt. Wenn wir uns überlegen, wann die Progression in der Steuergesetzgebung greift, wenn wir uns überlegen würden, ab wann wir möglicherweise die Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe ansetzen, da kann man sicherlich gestaffelte Sozialversicherungsbeiträge je nach Einkommenshöhe vorstellen. Insgesamt muss der einzelne das Gefühl haben, dass Schwarzarbeit sich nicht lohnt, und dass die Gesellschaft das nicht akzeptiert. Auch hierfür müssen dann die Vorkehrungen getroffen werden, dass man der Schwarzarbeit ein bisschen mehr an die Hammelbeine geht und hier so etwas verhindert, so weit es möglich ist.
Heuer: In der Hartz-Kommission wird aber gerade über eine Senkung der Sozialabgaben bei Billigjobs debattiert.
Schmoldt: Es war ja deshalb meine Überlegung. Heute ist es ja so, dass derjenige, der ein Einkommen erzielt, ab einer bestimmten Grenze sofort die vollen Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss. Das war ja schon bei der Diskussion der 325 Euro Jobs eine Frage, ob das nicht dann das mögliche Einkommen so weit reduziert, dass damit jede Attraktivität verloren geht. Einen solchen Ansatz der Hartz-Kommission halte ich im Grundsatz für richtig. Auf der anderen Seite wissen wir aufgrund von vielen Berechnungen von Instituten, dass alleine über Zuschüsse solche zusätzlichen Arbeitsplätze zu bekommen, dem Bund und damit der Arbeitsverwaltung Milliardensummen kosten würde, die gar nicht vorhanden sind.
Heuer: Michael Sommer, der DGB-Chef, spricht von einer faktischen Rücknahme der Reform der 630 Mark Jobs durch Rot-Grün. Teilen Sie diese Ansicht?
Schmoldt: Wenn man sie weiterentwickeln würde, wäre es ja eine Frage der bisherigen Erfahrung, die man damit gesammelt hat und damit ein Angebot an die einzelnen Beschäftigten, doch den Sprung von der Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfe in solche Arbeitsverhältnisse zu wagen. Sie können ja auch zunächst ein erster Schritt sein, dem dann weitere folgen, und insoweit, denke ich, müssen auch die Gewerkschaften offen sein, über solche Fragen zu reden.
Heuer: In der Hartz-Kommission wird schließlich auch über Zumutbarkeitsregeln bei der Arbeitssuche gesprochen. Sie sollen verändert werden. Was ist denn nicht mehr zumutbar für Arbeitssuchende?
Schmoldt: Es gibt schon ganz erhebliche Zumutungen an den Arbeitslosen. Was im Moment diskutiert wird, ist dass man den Arbeitslosen auch zumutet, einen Job anzunehmen, der nicht in der gleichen Bezahlungsgröße liegt wie sein bisheriger. Das hat deshalb bisher nicht funktioniert, weil wenn er aus diesem Job erneut arbeitslos wird, dann die Berechnungen der Arbeitslosenleistungen auf diesem niedrigen, neuen Einkommen basiert. Das müsste man ändern. Zum zweiten, glaube ich, muss man denjenigen, denn man einen Arbeitsplatz in einer anderen Region, Stadt anbietet, bei der Veränderung behilflich sein, also Mobilitätszulage, die man auch staffeln, zeitlich begrenzen kann. Und man muss insgesamt den Qualifizierungsbedarf der Unternehmen ermitteln und entsprechende Angebote machen, denn Qualifizierung ohne konkrete Chancen auf die Vermittlung bringt nichts, sondern das bedeutet nur permanente Qualifizierung ohne Chancen auf einen Arbeitsplatz.
Heuer: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Schmoldt: Was am Ende bei den Hartz-Vorschlägen auf den Tisch gelegt wird, weiß ja im Moment noch niemand, und die Debatte um Kürzungen verschafft uns überhaupt nicht einen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz. Herrn Rogowski müsste man auffordern - das will ich auch gerne hier tun -, dass endlich die Industrie ihren Verpflichtungen und Zusagen nachkommt. Da sind ja die Zusagen, die sie im Bündnis gemacht haben, also Abbau von Überstunden, mehr Teilzeitplätze, und nach wie vor ganz dramatisch eine Unterversorgung mit Ausbildungsstellen für die Jugendlichen. Und wenn Herr Rogowski vor gut einer Woche von den bisher immer offenen 1,5 Millionen Stellen nun 500.000 wegnimmt und sagt, die seien nicht vorhanden, dann ist das dramatisch, aber wenn er wenigstens diese eine Million besetzen würde, wäre das ein gewaltiger Schub für den Arbeitsmarkt.
Heuer: In der Hartz-Kommission - der Eindruck tut sich auf - gibt es eine Veränderung in Ihre Richtung. Statt pauschalen Einschnitten bei den Sozialleistungen sind jetzt Sanktionen für einzelne im Gespräch, nämlich für Arbeitslose, die sich nicht genug Mühe bei der Arbeitssuche geben. Wären Sie mit einer solchen Regelung einverstanden?
Schmoldt: Wir haben als Gewerkschaften gesagt: Jeder Arbeitslose muss auch seiner Verpflichtung gegenüber der Solidargemeinschaft nachkommen, das heißt er selber muss auch alles tun, damit er möglich schnell wieder in einen Arbeitsplatz vermittelt wird. Und wenn er dazu nicht bereit ist, dann muss er auch mit Sanktionen rechnen. Das ist ein ganz normaler Vorgang, und ich denke, das wäre auch eine richtige Zielrichtung. Worauf es des weiteren ankommt ist, dass die Hartz-Kommission Vorschläge entwickelt, die insgesamt die Arbeitsvermittlung und auch die Vorbereitung, Qualifizierung auf bestimmte Arbeitsplätze beschleunigt und zielgenauer macht. Das war ja ein Problem, das wir in der Vergangenheit stets hatten, und wo dann diejenigen, die gesucht wurden, entweder nicht am Ort vorhanden waren oder auch die notwendige Qualifikation nicht hatten.
Heuer: Wie stark sollten denn die Sozialleistungen für Arbeitsunwillige, wenn man so möchte, Arbeitssuchende gekürzt werden?
Schmoldt: Da gibt es Beispiele in den anderen europäischen Ländern, ob in Dänemark oder England, wo mit empfindlichen Reduzierungen der Leistungen dem einzelnen Arbeitslosen auch seine Pflicht nochmals deutlich vor Augen geführt wird. In welche Größenordnung das geschieht, ist eine Frage, die in der Hartz-Kommission, hoffe ich, ein bisschen intensiver diskutiert worden ist, aber wir haben da ja auch bestimmte Mindestsätze, beispielsweise Sozialhilfesätze. Jeder muss ja irgendwo am Ende über die Runden kommen. Der Gesellschaft ist ja nicht damit gedient, dass man jemandem die Leistung wegnimmt und ihn dann sich selbst überlässt.
Heuer: Wie könnte das denn praktisch funktionieren? Wer soll denn kontrollieren, ob jemand wirklich intensiv genug nach Arbeit sucht, oder ob er das eben nicht tut?
Schmoldt: Die Arbeitgeber haben in der Vergangenheit sehr häufig die ihnen zur Besetzung eines Arbeitsplatzes vermittelten Arbeitslosen wieder zurückgeschickt mit Vermerken in den jeweiligen Bögen. Hier müssen die Arbeitgeber sich ein bisschen mehr Mühe geben, und wenn es dann im Verhalten des einzelnen Arbeitslosen liegt, muss man das da hineinschreiben, wenn es eine Frage der Qualifikation ist, muss man das hineinschreiben. Aber die Arbeitsverwaltung selber wäre natürlich viel effizienter, wenn die Arbeitgeber die bei ihnen nicht besetzten Arbeitsplätze dem Arbeitsamt übermitteln und genau auch den Qualifikationsbedarf angeben.
Heuer: Ist es nicht aber realistischer anzunehmen, dass der Verwaltungsaufwand am Schluss bei der Arbeitsvermittlung hängen bleiben wird?
Schmoldt: Das muss er ja bisher auch schon, aber man kann ja solche Prozesse kürzer und effizienter machen.
Heuer: Das funktioniert jetzt schon nicht.
Schmoldt: Die Arbeitsverwaltung ist ja dabei, auch ihr Verhältnis zu den Unternehmen enger zu knüpfen. Es kann ja nicht angehen, dass auf der einen Seite die Unternehmen jemanden suchen und auf der anderen Seite die Arbeitsverwaltung nicht in diesem Prozess mit dem Unternehmen einbezogen wird. Hier muss es ein engeres Zusammenspiel zwischen der Arbeitsverwaltung und dem einzelnen Unternehmen geben. Der Arbeitsvermittler ist doch froh, wenn er hier einen Erfolg hat, und auch der Arbeitslose ist froh, wenn er einen richtigen Arbeitsplatz bekommt, aber da müssen alle drei miteinander kommunizieren und die Voraussetzungen dafür schaffen.
Heuer: In der Hartz-Kommission wird auch debattiert, Billigjobs zu vermehren. Es gibt den Vorschlag, die 325 Euro Einkommensgrenze auf 500 Euro zu erhöhen. Könnte eine solche Maßnahme die Arbeitslosigkeit senken?
Schmoldt: Also da bin ich sehr skeptisch. Wir haben derzeit den Versuch "Mainzer Modell" laufen, mit der entsprechenden Zuschussregelung, und wir müssen leider entgegen unseren Erwartungen feststellen, dass dieses Modell von der Wirtschaft nicht angenommen wird, denn die entscheidet am Ende, ob sie über diesem Weg zusätzliche Arbeitnehmer einstellt und damit auch neue Arbeitsplätze schafft. Ich wäre nicht grundsätzlich dagegen, andere Wege auszuprobieren. Hier muss man überlegen, was man tun könnte, aber man muss immer eins im Auge behalten: Man darf nicht die Arbeitslosen bestrafen, und alleine die Senkung von Leistungen schafft nicht einen zusätzlichen Arbeitsplatz. Wenn man diese Grenzen beispielsweise von 325 Euro ausdehnen will, dann muss man gleichzeitig die Unternehmen verpflichten, eine Beschäftigungsbilanz zu erstellen. Wir müssen ja verhindern, dass bisher bestehende Stammarbeitsplätze, unbefristete Arbeitsplätze dann in solche Teilzeitarbeitsplätze oder befristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Damit ist ja weder der Arbeitsvermittlung noch der Arbeitslosigkeit insgesamt gedient, sondern hier würden ja nur die Unternehmen versuchen, zu Lasten der Solidargemeinschaft zu sparen.
Heuer: Halten Sie denn die debattierten Niedriglohnjobs wirklich für attraktiv? Was könnte zum Beispiel einen Arbeitslosen, möglicherweise schwarz arbeitenden Menschen dazu bewegen, solche Niedriglohnjobs anzunehmen?
Schmoldt: Zum einen wenn er beispielsweise die Dinge, die er jetzt schwarz verdient, nicht mehr, wenn er sie angibt, ganz auf seine bisherigen Leistung angerechnet bekommt. Wenn wir uns überlegen, wann die Progression in der Steuergesetzgebung greift, wenn wir uns überlegen würden, ab wann wir möglicherweise die Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe ansetzen, da kann man sicherlich gestaffelte Sozialversicherungsbeiträge je nach Einkommenshöhe vorstellen. Insgesamt muss der einzelne das Gefühl haben, dass Schwarzarbeit sich nicht lohnt, und dass die Gesellschaft das nicht akzeptiert. Auch hierfür müssen dann die Vorkehrungen getroffen werden, dass man der Schwarzarbeit ein bisschen mehr an die Hammelbeine geht und hier so etwas verhindert, so weit es möglich ist.
Heuer: In der Hartz-Kommission wird aber gerade über eine Senkung der Sozialabgaben bei Billigjobs debattiert.
Schmoldt: Es war ja deshalb meine Überlegung. Heute ist es ja so, dass derjenige, der ein Einkommen erzielt, ab einer bestimmten Grenze sofort die vollen Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss. Das war ja schon bei der Diskussion der 325 Euro Jobs eine Frage, ob das nicht dann das mögliche Einkommen so weit reduziert, dass damit jede Attraktivität verloren geht. Einen solchen Ansatz der Hartz-Kommission halte ich im Grundsatz für richtig. Auf der anderen Seite wissen wir aufgrund von vielen Berechnungen von Instituten, dass alleine über Zuschüsse solche zusätzlichen Arbeitsplätze zu bekommen, dem Bund und damit der Arbeitsverwaltung Milliardensummen kosten würde, die gar nicht vorhanden sind.
Heuer: Michael Sommer, der DGB-Chef, spricht von einer faktischen Rücknahme der Reform der 630 Mark Jobs durch Rot-Grün. Teilen Sie diese Ansicht?
Schmoldt: Wenn man sie weiterentwickeln würde, wäre es ja eine Frage der bisherigen Erfahrung, die man damit gesammelt hat und damit ein Angebot an die einzelnen Beschäftigten, doch den Sprung von der Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfe in solche Arbeitsverhältnisse zu wagen. Sie können ja auch zunächst ein erster Schritt sein, dem dann weitere folgen, und insoweit, denke ich, müssen auch die Gewerkschaften offen sein, über solche Fragen zu reden.
Heuer: In der Hartz-Kommission wird schließlich auch über Zumutbarkeitsregeln bei der Arbeitssuche gesprochen. Sie sollen verändert werden. Was ist denn nicht mehr zumutbar für Arbeitssuchende?
Schmoldt: Es gibt schon ganz erhebliche Zumutungen an den Arbeitslosen. Was im Moment diskutiert wird, ist dass man den Arbeitslosen auch zumutet, einen Job anzunehmen, der nicht in der gleichen Bezahlungsgröße liegt wie sein bisheriger. Das hat deshalb bisher nicht funktioniert, weil wenn er aus diesem Job erneut arbeitslos wird, dann die Berechnungen der Arbeitslosenleistungen auf diesem niedrigen, neuen Einkommen basiert. Das müsste man ändern. Zum zweiten, glaube ich, muss man denjenigen, denn man einen Arbeitsplatz in einer anderen Region, Stadt anbietet, bei der Veränderung behilflich sein, also Mobilitätszulage, die man auch staffeln, zeitlich begrenzen kann. Und man muss insgesamt den Qualifizierungsbedarf der Unternehmen ermitteln und entsprechende Angebote machen, denn Qualifizierung ohne konkrete Chancen auf die Vermittlung bringt nichts, sondern das bedeutet nur permanente Qualifizierung ohne Chancen auf einen Arbeitsplatz.
Heuer: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio