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Die Währungskrise in Argentinien

Breker: Verbunden bin ich nun mit Wolf Grabendorff, er ist der Lateinamerikaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin. Guten Tag, Herr Grabendorff.

    Grabendorff: Schönen guten Tag.

    Breker: Herr Grabendorff, Ihre kurze Analyse: ist das eine ausgemachte Krise oder wirklich wie in Porto Allegro von vielen gemeint wird, eine Folge der Globalisierung?

    Grabendorff: Wie immer bei solchen Dingen weder das eine noch das andere. Sicherlich ist das Hauptgewicht der Krise hausgemacht, aber eben nicht gestern oder vorgestern sondern schon seit 30 Jahren. Aber es haben sicherlich die Umstände wie man so schön sagt, die weltwirtschaftlichen Umstände, vor allen Dingen die Bindung des Pesos an den Dollar, die aus ideologischen Gründen viel zu lange durchgehalten worden ist, dazu beigetragen, dass die Wirtschaft darniederliegt.

    Breker: Diese Bindung nun aufzuheben, Herr Grabendorff, wie es ja geplant ist, ist das ein Weg raus aus der Krise?

    Grabendorff: Es ist der Anfang eines Weges. Denn es war nicht mehr möglich, diese Bindung aufrecht zu erhalten, weil dadurch die Wirtschaft überhaupt nicht mehr wettbewerbsfähig war und außerdem darf man nicht vergessen: die Argentinier sind Weltmeister im Auslandssparen, das heißt die meisten Argentinier haben seit ewigen Zeiten versucht, ihr Geld ins Ausland zu bringen und dort angelegt. Man geht davon aus, dass fast dieselbe Summe der Auslandsverschuldung auch auf privaten Konten in Dollars entweder in Miami oder in der Schweiz liegt.

    Breker: Doch wer hat diese Konten im Ausland? Das ist doch nicht die Unter- und Mittelschicht.

    Grabendorff: Ganz sicherlich nicht. Das ist im wesentlichen die Oberschicht und darunter sind aber auch eine ganze Reihe von Politikern zu rechnen. Sie dürfen nicht vergessen, dass der immerhin zehn Jahre an der Macht verbringende Menem mit vielen hundert Millionen Dollar anschließend das Amt verlassen hat.

    Breker: Das lässt den Blick werfen auf die politische Klasse in Argentinien. Die, die jetzt unter Präsident Duhalde an der Macht ist, ist das die richtige Klasse, sind das die Akteure, die tatsächlich Argentinien aus der Krise führen können?

    Grabendorff: Darüber gehen selbst in Argentinien die Meinungen weit auseinander. Der Peronismus, also die Klasse, die jetzt an der Macht ist, ist sehr gespalten. Wie die Korrespondentin vorhin schon gesagt hat, ist der Menem der Meinung, dass die Dollarisierung irgendwann wiederkommen muss, während Duhalde, der jetzige Präsident, der übrigens früher Vizepräsident von Menem war, jetzt der Meinung ist, es geht nur ein Weg über Blut und Tränen sozusagen, über eine Abwertung, die ja schon erfolgt ist und die Umwandlung in Pesos. Die Umwandlung ist meines Erachtens nicht ungeschickt gemacht worden, weil versucht worden ist, sowohl die Sparer im Inland wie auch die Banken, wie auch die ausländischen Firmen, alle sozusagen, an den Verlusten mitzubeteiligen. Denn das Problem ist natürlich, dass man eine solche Abwertung, wo ja alle Schulden 1:1 abgewertet werden, aber alle Konten 1:1,40, also zu einem besseren Kurs, was natürlich Verlierer auf allen Seiten mit sich bringt.

    Breker: Herr Grabendorff, Sie haben den ehemaligen Präsidenten Menem erwähnt. Das lässt die Frage aufkommen: inwieweit spielt denn Korruption in Argentinien eine Rolle und wenn Korruption eine Rolle spielt, warum sollte das Ausland Geld nach Argentinien pumpen?

    Grabendorff: Die Frage, ob das Ausland Geld nach Argentinien pumpen sollte, hängt mit zwei Dingen zusammen. Das eine ist, dass ein wirklicher Zusammenbruch der argentinischen Wirtschaft natürlich auch eine politische Destabilisierung mit sich bringt und daran hat natürlich auch die amerikanische Regierung keinerlei Interesse. Zum anderen gibt es eine Mitverantwortung des Internationalen Währungsfonds, denn der hat zehn Jahre lang dieses Dollarmodell, dieses sehr stark am Dollar und an amerikanischen Interessen ausgerichtete Modell, immer wieder gelobt und unterstützt. Und man kann sich nachdem dieses Modell in die Krise gekommen ist, nicht einfach zurückziehen und sagen daran sind jetzt nur die korrupten Politiker schuldig. Ich glaube, man muss die Schuld auf mehrere Schultern verteilen und man kann nicht einfach sagen: das Modell war gut, bloß die Durchführung im Land war schlecht und deswegen lassen wir das Land jetzt fallen. Ich glaube gerade das würde die Globalisierungsgegner in der Welt nur noch stärken.

    Breker: Herr Grabendorff, vielleicht noch eine kurze Einschätzung zum Schluss: wäre ein Militärputsch in Argentinien denkbar angesichts der Krise?

    Grabendorff: In Argentinien hätte es längst einen Militärputsch gegeben, denn den hat es oft in Argentinien gegeben, wenn die Militärs dazu in der Lage gewesen wären. Die Militärs sind nach dem Verlust des Krieges 82 und nach dem Verlust der Macht Ende der 80erjahre heute nicht mehr in der Lage, einen Putsch durchzuführen. Im Gegenteil: einer der kommandierenden Generäle hat vor ein paar Tagen noch gesagt: wir gehen nicht auf die Straße, das muss die Polizei machen.

    Breker: Wolf Grabendorff war das in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk, der Lateinamerikaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin.