Ensminger: Der Ausgang des Bundestagswahlkampfes wird natürlich mit Spannung erwartet. Alles blickt auf den Wahlkampfendspurt der Parteien, und dabei wird schon mal vergessen, dass ja auch in Mecklenburg-Vorpommern gewählt wird. Auch hier gibt es selbstverständlich Umfragen, und die Meinungsforscher sagen, ähnlich wie auf Bundesebene, auch den Landespolitikern der SPD recht gute Ergebnisse voraus, wenn auch mit weniger Prozentpunkten. Doch sollten die prognostizierten 37 Prozent der Wählerstimmen tatsächlich erzielt werden, könnten die Sozialdemokraten doch zufrieden sein. Die CDU käme laut EMNID auf 33 Prozent, die PDS auf 19 Prozent, FDP und Grüne zögen demnach nicht in den Schweriner Landtag ein. Jörg Hennecke ist Politikwissenschaftler an der Universität Rostock, und er ist auch Mitherausgeber des Buches Parteien und Politik in Mecklenburg-Vorpommern, und er ist jetzt am Telefon. Herr Hennecke, glauben Sie an die Prognosen?
Hennecke: Die Prognosen geben sicher einen richtigen Trend an, der sich also ähnlich wie auf der Bundesebene entwickelt hat. Allerdings muss man mit den genauen Zahlen etwas vorsichtig sein, also etwa 1998 lagen die Ergebnisse zum Teil 4 Prozent neben den Prognosen. Insofern wird man da einige Vorbehalte machen müssen, aber insgesamt kann man sicher sagen, dass es für die SPD-PDS-Koalition gute Chancen gibt, auch nach dem 22. September in Schwerin weiter zu regieren.
Ensminger: Wie ist denn die Wählerstimmung gerade in Mecklenburg-Vorpommern?
Hennecke: Die Stimmung ist sehr stark beeinflusst worden durch den Bundestrend. Es fällt den Parteien im Land sehr schwer, mit Landesthemen die Wähler zu erreichen. Viele Veranstaltungen laufen parallel mit Bundespolitikern. Viele Themen des Bundestagswahlkampfes lassen sich einfach nicht aus dem Landtagswahlkampf herausbringen, so dass es also auch sehr schwer fällt, einfach die Bilanz, die Leistungen, die Versäumnisse der Landespolitik in den letzten Jahren jetzt wirklich auch punktgenau zu thematisieren.
Ensminger: Wer profitiert davon? Wer hat das Nachsehen?
Hennecke: Lange Zeit sah es so aus, als würde die CDU sehr stark davon profitieren. Mittlerweile sieht es aus, als würde die SPD davon eher etwas profitieren. Das war ja auch schon 1994 und 1998 so, dass also einmal die CDU davon profitiert hatte und weiterhin den Ministerpräsidenten stellen konnte, und 1998 hat es der SPD genutzt, so dass dort auch ein Wechsel zusammen mit der Bundestagswahl möglich war. Es scheint, dass sich einfach dieser Trend, diese enge Ankopplung an den Bundestrend jetzt auch diesmal fortsetzt.
Ensminger: Das heißt es ist im Prinzip ein Spiegel?
Hennecke: Ein Spiegel nicht, aber es ist einfach sehr schwierig für die Landesparteien, mit eigenen Themen durchzudringen. Es ist schon ein großer Erfolg, dass es den beiden großen Parteien gelingt, ihre Spitzenkandidaten zu positionieren und im eigenen Land bekannt zu machen. Also es gibt Umfragen, nach denen das die beiden einzigen Politiker sind, die überhaupt von mehr als der Hälfte der Bevölkerung gekannt werden.
Ensminger: Nun liegen die Prognosen für die PDS bei etwa 19 Prozent. Vor vier Jahren lagen sie noch bei über 24 Prozent. Ist das auch so ein Zeichen dafür, dass, wie Sie sagen, zum Teil die Spitzenpolitiker noch nicht einmal richtig bekannt sind?
Hennecke: Also der Bekanntheitsgrad etwa von Helmut Holter ist sicher nicht das Problem. Die PDS hat da andere Schwierigkeit. Sie liegen sicher zum einen in der Amtsführung von Holter und Sozialministerin Bunge, die doch erhebliche Schwierigkeiten gehabt haben, ihre Ministerien im Griff zu halten. Da kamen eben zum Teil Stasi-Probleme mit hinzu. Das ist sicher ein wichtiger Komplex, der einfach die Attraktivität der Regierungsbeteiligung der PDS gemindert hat. Dann muss man auch sagen, dass die programmatischen Erwartungen, die die PDS an die Beteiligung hatte, doch im Laufe der Jahre nicht aufgegangen sind, und sich die SPD eigentlich in allen Konfliktsituationen durchgesetzt hat.
Ensminger: Nun gibt es noch zwei andere Parteien, die im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen, aber scheinbar in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt keine, nämlich Grüne und FDP. Die liegen lauft Umfragen mit etwa 3 Prozent jeweils bislang eher chancenlos. Warum kommen diese beiden Parteien in Mecklenburg-Vorpommern nicht voran?
Hennecke: Beide Parteien haben das Problem, dass einfach die Sozialstruktur nicht sehr günstig gesonnen ist. Die Grünen haben allenfalls in Universitätsstädten wie Rostock oder Greifswald Chancen, auch gute Erfolge zu erzielen. Die FDP hat eben das Problem, dass es im Lande eigentlich aus historischen Gründen kaum einen gewachsenen Mittelstand gibt, eine gewachsene Selbständigenkultur, auf die sich Unterstützung für liberale Ideen stützen könnte. Zum Teil versucht das die FDP mit einem gewissen Erfolg durch eine sehr jugendliche Kampagne wettzumachen. Es gibt auch eine sehr starke Verjüngung in der FDP, aber es fehlt eben so ein Typ vom Kaliber Möllemann, der wirklich die Leute da mitreißen könnte.
Ensminger: Sie sind Mitherausgeber des Buches Parteien und Politik in Mecklenburg-Vorpommern. Die Parteienlandschaft in dem Land sieht doch ein bisschen anders aus als in anderen. Gibt es noch eine Partei, die eventuell sogar noch Chancen hat, auch reinzukommen?
Hennecke: Ich sehe das nicht so. Ich gehe davon aus, dass es ein Dreiparteien-Parlament wieder geben wird. Möglicherweise kann es ein, dass die FDP noch knapp hineinrutscht. Das muss man abwarten. Aber ich gehe davon aus, dass etwa die Schill-Partei keine Chancen. Da gab es im letzten Jahr Umfragen, die bis zu 19 Prozent hochgingen. Das halte ich einfach für unrealistisch, also sie werden unter ferner Liefen landen.
Ensminger: Ein weiterer Rechter Rand hoffentlich dann auch?
Hennecke: Nein. Also das war ein Thema, das 1998 eine große Rolle gespielt. Da gab es in Sachsen-Anhalt den Erfolg der DVU, und auch hier bei der Landtagswahl 1998 gab es in der Summe zumindest einen relativ hohen Anteil von rechtsextremen Parteien, die aber dann nicht ins Parlament eingezogen sind, weil sie sich einfach nicht zusammengefunden haben. Also dieses Thema sehe ich im Augenblick nicht. Ich habe den Eindruck, dass der Rechtsextremismus hier vor allen Dingen ein soziales Problem ist, aber sich weniger in Parteien artikuliert.
Ensminger: Ist die Landtagswahl schon gelaufen?
Hennecke: Es gibt sicherlich noch einige Wackelfaktoren. Wenn etwa die PDS jetzt wirklich sehr dramatisch verlieren sollte und gleichzeitig aus dem Bundestag herausfliegt, wird es sicher eine Diskussion geben, ob diese Regierungsbeteiligung, dieser Annäherungskurs an die SPD richtig gewesen ist. Es mag sein, dass das zumindest eine Fortsetzung der Koalition auf Dauer schwieriger machen wird, als es in den letzten vier Jahren der Fall gewesen ist, denn bisher hatten ja beide Beteiligten ein strategisches Interesse daran, dass diese Koalition funktioniert.
Ensminger: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Hennecke: Die Prognosen geben sicher einen richtigen Trend an, der sich also ähnlich wie auf der Bundesebene entwickelt hat. Allerdings muss man mit den genauen Zahlen etwas vorsichtig sein, also etwa 1998 lagen die Ergebnisse zum Teil 4 Prozent neben den Prognosen. Insofern wird man da einige Vorbehalte machen müssen, aber insgesamt kann man sicher sagen, dass es für die SPD-PDS-Koalition gute Chancen gibt, auch nach dem 22. September in Schwerin weiter zu regieren.
Ensminger: Wie ist denn die Wählerstimmung gerade in Mecklenburg-Vorpommern?
Hennecke: Die Stimmung ist sehr stark beeinflusst worden durch den Bundestrend. Es fällt den Parteien im Land sehr schwer, mit Landesthemen die Wähler zu erreichen. Viele Veranstaltungen laufen parallel mit Bundespolitikern. Viele Themen des Bundestagswahlkampfes lassen sich einfach nicht aus dem Landtagswahlkampf herausbringen, so dass es also auch sehr schwer fällt, einfach die Bilanz, die Leistungen, die Versäumnisse der Landespolitik in den letzten Jahren jetzt wirklich auch punktgenau zu thematisieren.
Ensminger: Wer profitiert davon? Wer hat das Nachsehen?
Hennecke: Lange Zeit sah es so aus, als würde die CDU sehr stark davon profitieren. Mittlerweile sieht es aus, als würde die SPD davon eher etwas profitieren. Das war ja auch schon 1994 und 1998 so, dass also einmal die CDU davon profitiert hatte und weiterhin den Ministerpräsidenten stellen konnte, und 1998 hat es der SPD genutzt, so dass dort auch ein Wechsel zusammen mit der Bundestagswahl möglich war. Es scheint, dass sich einfach dieser Trend, diese enge Ankopplung an den Bundestrend jetzt auch diesmal fortsetzt.
Ensminger: Das heißt es ist im Prinzip ein Spiegel?
Hennecke: Ein Spiegel nicht, aber es ist einfach sehr schwierig für die Landesparteien, mit eigenen Themen durchzudringen. Es ist schon ein großer Erfolg, dass es den beiden großen Parteien gelingt, ihre Spitzenkandidaten zu positionieren und im eigenen Land bekannt zu machen. Also es gibt Umfragen, nach denen das die beiden einzigen Politiker sind, die überhaupt von mehr als der Hälfte der Bevölkerung gekannt werden.
Ensminger: Nun liegen die Prognosen für die PDS bei etwa 19 Prozent. Vor vier Jahren lagen sie noch bei über 24 Prozent. Ist das auch so ein Zeichen dafür, dass, wie Sie sagen, zum Teil die Spitzenpolitiker noch nicht einmal richtig bekannt sind?
Hennecke: Also der Bekanntheitsgrad etwa von Helmut Holter ist sicher nicht das Problem. Die PDS hat da andere Schwierigkeit. Sie liegen sicher zum einen in der Amtsführung von Holter und Sozialministerin Bunge, die doch erhebliche Schwierigkeiten gehabt haben, ihre Ministerien im Griff zu halten. Da kamen eben zum Teil Stasi-Probleme mit hinzu. Das ist sicher ein wichtiger Komplex, der einfach die Attraktivität der Regierungsbeteiligung der PDS gemindert hat. Dann muss man auch sagen, dass die programmatischen Erwartungen, die die PDS an die Beteiligung hatte, doch im Laufe der Jahre nicht aufgegangen sind, und sich die SPD eigentlich in allen Konfliktsituationen durchgesetzt hat.
Ensminger: Nun gibt es noch zwei andere Parteien, die im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen, aber scheinbar in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt keine, nämlich Grüne und FDP. Die liegen lauft Umfragen mit etwa 3 Prozent jeweils bislang eher chancenlos. Warum kommen diese beiden Parteien in Mecklenburg-Vorpommern nicht voran?
Hennecke: Beide Parteien haben das Problem, dass einfach die Sozialstruktur nicht sehr günstig gesonnen ist. Die Grünen haben allenfalls in Universitätsstädten wie Rostock oder Greifswald Chancen, auch gute Erfolge zu erzielen. Die FDP hat eben das Problem, dass es im Lande eigentlich aus historischen Gründen kaum einen gewachsenen Mittelstand gibt, eine gewachsene Selbständigenkultur, auf die sich Unterstützung für liberale Ideen stützen könnte. Zum Teil versucht das die FDP mit einem gewissen Erfolg durch eine sehr jugendliche Kampagne wettzumachen. Es gibt auch eine sehr starke Verjüngung in der FDP, aber es fehlt eben so ein Typ vom Kaliber Möllemann, der wirklich die Leute da mitreißen könnte.
Ensminger: Sie sind Mitherausgeber des Buches Parteien und Politik in Mecklenburg-Vorpommern. Die Parteienlandschaft in dem Land sieht doch ein bisschen anders aus als in anderen. Gibt es noch eine Partei, die eventuell sogar noch Chancen hat, auch reinzukommen?
Hennecke: Ich sehe das nicht so. Ich gehe davon aus, dass es ein Dreiparteien-Parlament wieder geben wird. Möglicherweise kann es ein, dass die FDP noch knapp hineinrutscht. Das muss man abwarten. Aber ich gehe davon aus, dass etwa die Schill-Partei keine Chancen. Da gab es im letzten Jahr Umfragen, die bis zu 19 Prozent hochgingen. Das halte ich einfach für unrealistisch, also sie werden unter ferner Liefen landen.
Ensminger: Ein weiterer Rechter Rand hoffentlich dann auch?
Hennecke: Nein. Also das war ein Thema, das 1998 eine große Rolle gespielt. Da gab es in Sachsen-Anhalt den Erfolg der DVU, und auch hier bei der Landtagswahl 1998 gab es in der Summe zumindest einen relativ hohen Anteil von rechtsextremen Parteien, die aber dann nicht ins Parlament eingezogen sind, weil sie sich einfach nicht zusammengefunden haben. Also dieses Thema sehe ich im Augenblick nicht. Ich habe den Eindruck, dass der Rechtsextremismus hier vor allen Dingen ein soziales Problem ist, aber sich weniger in Parteien artikuliert.
Ensminger: Ist die Landtagswahl schon gelaufen?
Hennecke: Es gibt sicherlich noch einige Wackelfaktoren. Wenn etwa die PDS jetzt wirklich sehr dramatisch verlieren sollte und gleichzeitig aus dem Bundestag herausfliegt, wird es sicher eine Diskussion geben, ob diese Regierungsbeteiligung, dieser Annäherungskurs an die SPD richtig gewesen ist. Es mag sein, dass das zumindest eine Fortsetzung der Koalition auf Dauer schwieriger machen wird, als es in den letzten vier Jahren der Fall gewesen ist, denn bisher hatten ja beide Beteiligten ein strategisches Interesse daran, dass diese Koalition funktioniert.
Ensminger: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio