Birke: Schwindsüchtig zeigte sich der Euro in den letzten Wochen. Sein Wert gegenüber dem Dollar sackte auf unter 90 Cent ab, zur Freude der europäischen Exporteure, zum Leid der Politik. Die sieht nämlich die Stabilität des Euro und damit das Projekt Einheitswährung in gewisse Gefahrenstrudel geraten. Gerade pünktlich zur Sitzung der europäischen Zentralbank heute in Frankfurt hat sich der Euro wieder leicht erholt. Er notierte zuletzt bei etwas über 90 Cent. In den "Informationen am Morgen" begrüße ich nun Christa Randzio-Plath, Mitglied der sozialistischen Fraktion im Europaparlament und Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses. Einen schönen guten Morgen Frau Randzio-Plath!
Randzio-Plath: Guten Morgen Herr Birke.
Birke: Frau Randzio-Plath, ist die leichte Kurserholung des Euro jetzt Grund zum aufatmen?
Randzio-Plath: Der Kurs des Euro besorgt sehr viele und viele verwechseln den starken und den stabilen Euro. Die Währungsunion ist geschaffen worden, um Geldwertstabilität in der Euro-Elf-Zone zu etablieren. Und das ist gelungen, denn wir haben in der Euro-Elf-Zone die niedrigste Inflationsrate seit Jahrzehnten. Das ist auch Deutschland gut bekommen. Der Außenwert einer Währung ist vielfach Schwankungen unterzogen, wenn es keine Verbundsysteme oder Abmachungen zwischen den großen Weltwährungen gibt, und das haben wir ja nicht. Insofern ist es also zu bedenken, dass wir ja unseren Handel mit Waren und Dienstleistungen zu 90 Prozent auf dem Heimatmarkt Europa abwickeln, und der ist nicht von Schwankungen im Verhältnis Dollar und Euro betroffen. Ganz im Gegenteil, wir haben jetzt auch eine Stabilität in unseren Wirtschaftsbeziehungen und das sind die Wirtschaftsbeziehungen, die bei uns über 25 Prozent aller Arbeitsplätze garantieren und die bei uns für ein Drittel des Bruttosozialprodukts sorgen.
Birke: Wichtige Importgüter wie Öl werden dennoch in Dollar gehandelt, und es gibt durchaus die Befürchtung, dass sich das mit Blick auf den schwachen Euro preissteigernd auswirken könnte. Wäre es da nicht sinnvoll, mit der US-Notenbank zu kooperieren und vielleicht gemeinsam zwischen europäischer Zentralbank und US-Notenbank an den Devisenmärkten zu intervenieren?
Randzio-Plath: Nun haben sich die Ölpreise aus unserer Sicht jedenfalls glücklicherweise ein bisschen erholt. Von daher ist die Inflationsrate in der Euro-Elf-Zone sogar wieder zurückgegangen. Es gibt aber Staaten wie zum Beispiel Spanien, die ganz stark belastet sind durch diese Entwicklung. Sicherlich ist Ihr Vorschlag vernünftig, dass man Vereinbarungen trifft. Die hat es ja auch in früheren Jahrzehnten gegeben. Nur ist die Frage, ob die USA daran ein Interesse haben. Schließlich boomt die robuste amerikanische Wirtschaft und die amerikanischen Zinsen sind hoch. Das Kapital fließt natürlich dahin ab, wo man am meisten verdienen kann. Wir in der Euro-Elf-Zone können kein Interesse haben an höheren Zinsen auf dem Niveau der USA, weil unser Wachstum noch eine weitere Unterfütterung braucht.
Birke: Sie würden also der europäischen Zentralbank heute von einer Zinserhöhung deutlich abraten?
Randzio-Plath: Die europäische Zentralbank ist unabhängig und sie muss ihre Geldpolitik daran messen, ob eine Gefahr für die Preisstabilität besteht. Aber wenn es keine Probleme mit der Preisstabilität gibt, muss sie natürlich auch alles tun, um die Wirtschaftspolitik zu unterstützen und damit eben zu einer guten Beschäftigungsentwicklung beizutragen. Das heißt die europäische Zentralbank sitzt nicht in einem Elfenbeinturm; sie muss auch Argumente abwägen, genau wie die Wirtschaftspolitik, genau wie die Finanzpolitik.
Birke: Welches Signal erwarten Sie denn heute von der Zentralbankratssitzung?
Randzio-Plath: Ich erwarte eigentlich keine Zinserhöhung.
Birke: Die Außenwertsituation einer Währung ist ja stets auch eine politische Bewertung. Was macht die europäische Zentralbank falsch, was könnte sie besser machen, um den Euro international zu stärken?
Randzio-Plath: Die Aufgabe der europäischen Zentralbank ist nicht, eine Wechselkurspolitik zu betreiben, sondern ihre Aufgabe ist es, tatsächlich zu Preisstabilität beizutragen. Dieses Thema ist wichtig genug, um eben getrennt zu sein von einer Tagesaktualität, von Wahlen oder anderen Problemen. Die Wechselkurse müssen sich also einspielen: einmal natürlich auf den Märkten. Das ist vollkommen klar. Die Europäer müssen eben der Welt beweisen, dass ihre wirtschaftlichen Fundamentaldaten stimmen. Und sie stimmen ja! Nur das ist eine so gute Nachricht, dass sie überhaupt nicht wahrgenommen wird oder nicht wahrgenommen werden will. Es ist einfach so, dass auf dieser Welt mit den flexiblen Wechselkursen vieles so abläuft wie im Spielkasino. Ich denke, das ist einfach nicht hinnehmbar, dass auch die reale Wirtschaft dann darunter leidet, dass der stabile Binnenwert einer Währung und die guten Wirtschaftsdaten einer Währung nicht mehr in Relation stehen zu dem Außenwert einer Währung. Von daher sind hier in der Tat abgestimmte Verhaltensweisen zu fordern nicht nur zwischen den Zentralbanken. Hier müssen in der Tat auch die Finanzminister überlegen, ob es nicht doch Wege gibt, um mehr Stabilität in die internationalen Währungsbeziehungen zu bekommen. Der Euro ist heute schon die zweite Weltwährung. Daran müssen sich vielleicht andere Globalwährungen erst gewöhnen.
Birke: Sie sagten, die Grunddaten stimmen. Ist es denn so wichtig, dass wirklich alle Finanzminister der Euro-Zone ihre Hausaufgaben gemacht haben? Die Österreicher sind doch auf der letzten Sitzung etwas in die Schusslinie der Kritik geraten?
Randzio-Plath: Wissen Sie, es gibt nicht nur die Konvergenzkriterien. Es gibt auch den Stabilitätspakt und die Verabredung, dass man möglichst schnell zu einem Überschuss im Haushalt gehen will. Die Wege sind manchmal ein bisschen schwierig und nicht ganz so gradlinig. Aber man muss feststellen, dass fast alle EU-Staaten schneller an eine Absenkung ihrer Defizite gekommen sind als das überhaupt vor zwei Jahren vorstellbar gewesen ist. Von daher ist es doch auch richtig, dass alle Länder, die Mitglied der Euro-Elf-Zone sind, geprüft werden nicht nur zum Zeitpunkt des Beitritts, sondern jedes Jahr, so dass deutlich wird, dass die Europäische Währungsunion eine unkündbare Solidargemeinschaft ist, bei der man dem Partner auf die Finger schaut und ihm auch sagt, was er besser machen muss.
Birke: Eine unkündbare Solidargemeinschaft, damit haben Sie mir ein Stichwort gegeben, Frau Randzio-Plath. Solidargemeinschaft bezieht sich ja auch in andere Richtungen, zum Beispiel beim Thema Österreich. Meinen Sie nicht, gerade wenn man die Kooperation von Österreich bei der Haushaltspolitik in der Währungspolitik haben möchte, dass es an der Zeit wäre, die Isolationspolitik gegenüber der ÖVP-FPÖ-Regierung aufzugeben?
Randzio-Plath: Es ist ja keine Isolationspolitik. Es wird ja auch in den Ministerräten und im Europäischen Parlament normal gearbeitet. Österreich muss aber klar sein, dass ihre politischen Verhältnisse nicht nur Österreich angehen, sondern alle in der Europäischen Union. Man muss sehen, wie die Entwicklung geht. Es gibt ja jetzt auch sehr eindeutige proeuropäische Äußerungen der beiden Koalitionsparteien.
Birke: Sie würden also dafür plädieren, möglichst vielleicht vor französischer Präsidentschaft zum 1. Juli eine Auflockerung dieser Isolationspolitik herbeizuführen?
Randzio-Plath: Im Augenblick gibt es im Parlament dafür keine Anzeichen.
Birke: Wie ist Ihre persönliche Meinung?
Randzio-Plath: Wir müssen uns als Europäisches Parlament und auch als Europäische Union darauf einstellen, dass wir Österreich beobachten. Sanktionen sind meines Erachtens erst dann einzusetzen, wenn tatsächlich etwas passiert ist.
Birke: Christa Randzio-Plath war das, die Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses im Europaparlament und Mitglied der sozialistischen Fraktion. – Vielen Dank für dieses Gespräch und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio
Randzio-Plath: Guten Morgen Herr Birke.
Birke: Frau Randzio-Plath, ist die leichte Kurserholung des Euro jetzt Grund zum aufatmen?
Randzio-Plath: Der Kurs des Euro besorgt sehr viele und viele verwechseln den starken und den stabilen Euro. Die Währungsunion ist geschaffen worden, um Geldwertstabilität in der Euro-Elf-Zone zu etablieren. Und das ist gelungen, denn wir haben in der Euro-Elf-Zone die niedrigste Inflationsrate seit Jahrzehnten. Das ist auch Deutschland gut bekommen. Der Außenwert einer Währung ist vielfach Schwankungen unterzogen, wenn es keine Verbundsysteme oder Abmachungen zwischen den großen Weltwährungen gibt, und das haben wir ja nicht. Insofern ist es also zu bedenken, dass wir ja unseren Handel mit Waren und Dienstleistungen zu 90 Prozent auf dem Heimatmarkt Europa abwickeln, und der ist nicht von Schwankungen im Verhältnis Dollar und Euro betroffen. Ganz im Gegenteil, wir haben jetzt auch eine Stabilität in unseren Wirtschaftsbeziehungen und das sind die Wirtschaftsbeziehungen, die bei uns über 25 Prozent aller Arbeitsplätze garantieren und die bei uns für ein Drittel des Bruttosozialprodukts sorgen.
Birke: Wichtige Importgüter wie Öl werden dennoch in Dollar gehandelt, und es gibt durchaus die Befürchtung, dass sich das mit Blick auf den schwachen Euro preissteigernd auswirken könnte. Wäre es da nicht sinnvoll, mit der US-Notenbank zu kooperieren und vielleicht gemeinsam zwischen europäischer Zentralbank und US-Notenbank an den Devisenmärkten zu intervenieren?
Randzio-Plath: Nun haben sich die Ölpreise aus unserer Sicht jedenfalls glücklicherweise ein bisschen erholt. Von daher ist die Inflationsrate in der Euro-Elf-Zone sogar wieder zurückgegangen. Es gibt aber Staaten wie zum Beispiel Spanien, die ganz stark belastet sind durch diese Entwicklung. Sicherlich ist Ihr Vorschlag vernünftig, dass man Vereinbarungen trifft. Die hat es ja auch in früheren Jahrzehnten gegeben. Nur ist die Frage, ob die USA daran ein Interesse haben. Schließlich boomt die robuste amerikanische Wirtschaft und die amerikanischen Zinsen sind hoch. Das Kapital fließt natürlich dahin ab, wo man am meisten verdienen kann. Wir in der Euro-Elf-Zone können kein Interesse haben an höheren Zinsen auf dem Niveau der USA, weil unser Wachstum noch eine weitere Unterfütterung braucht.
Birke: Sie würden also der europäischen Zentralbank heute von einer Zinserhöhung deutlich abraten?
Randzio-Plath: Die europäische Zentralbank ist unabhängig und sie muss ihre Geldpolitik daran messen, ob eine Gefahr für die Preisstabilität besteht. Aber wenn es keine Probleme mit der Preisstabilität gibt, muss sie natürlich auch alles tun, um die Wirtschaftspolitik zu unterstützen und damit eben zu einer guten Beschäftigungsentwicklung beizutragen. Das heißt die europäische Zentralbank sitzt nicht in einem Elfenbeinturm; sie muss auch Argumente abwägen, genau wie die Wirtschaftspolitik, genau wie die Finanzpolitik.
Birke: Welches Signal erwarten Sie denn heute von der Zentralbankratssitzung?
Randzio-Plath: Ich erwarte eigentlich keine Zinserhöhung.
Birke: Die Außenwertsituation einer Währung ist ja stets auch eine politische Bewertung. Was macht die europäische Zentralbank falsch, was könnte sie besser machen, um den Euro international zu stärken?
Randzio-Plath: Die Aufgabe der europäischen Zentralbank ist nicht, eine Wechselkurspolitik zu betreiben, sondern ihre Aufgabe ist es, tatsächlich zu Preisstabilität beizutragen. Dieses Thema ist wichtig genug, um eben getrennt zu sein von einer Tagesaktualität, von Wahlen oder anderen Problemen. Die Wechselkurse müssen sich also einspielen: einmal natürlich auf den Märkten. Das ist vollkommen klar. Die Europäer müssen eben der Welt beweisen, dass ihre wirtschaftlichen Fundamentaldaten stimmen. Und sie stimmen ja! Nur das ist eine so gute Nachricht, dass sie überhaupt nicht wahrgenommen wird oder nicht wahrgenommen werden will. Es ist einfach so, dass auf dieser Welt mit den flexiblen Wechselkursen vieles so abläuft wie im Spielkasino. Ich denke, das ist einfach nicht hinnehmbar, dass auch die reale Wirtschaft dann darunter leidet, dass der stabile Binnenwert einer Währung und die guten Wirtschaftsdaten einer Währung nicht mehr in Relation stehen zu dem Außenwert einer Währung. Von daher sind hier in der Tat abgestimmte Verhaltensweisen zu fordern nicht nur zwischen den Zentralbanken. Hier müssen in der Tat auch die Finanzminister überlegen, ob es nicht doch Wege gibt, um mehr Stabilität in die internationalen Währungsbeziehungen zu bekommen. Der Euro ist heute schon die zweite Weltwährung. Daran müssen sich vielleicht andere Globalwährungen erst gewöhnen.
Birke: Sie sagten, die Grunddaten stimmen. Ist es denn so wichtig, dass wirklich alle Finanzminister der Euro-Zone ihre Hausaufgaben gemacht haben? Die Österreicher sind doch auf der letzten Sitzung etwas in die Schusslinie der Kritik geraten?
Randzio-Plath: Wissen Sie, es gibt nicht nur die Konvergenzkriterien. Es gibt auch den Stabilitätspakt und die Verabredung, dass man möglichst schnell zu einem Überschuss im Haushalt gehen will. Die Wege sind manchmal ein bisschen schwierig und nicht ganz so gradlinig. Aber man muss feststellen, dass fast alle EU-Staaten schneller an eine Absenkung ihrer Defizite gekommen sind als das überhaupt vor zwei Jahren vorstellbar gewesen ist. Von daher ist es doch auch richtig, dass alle Länder, die Mitglied der Euro-Elf-Zone sind, geprüft werden nicht nur zum Zeitpunkt des Beitritts, sondern jedes Jahr, so dass deutlich wird, dass die Europäische Währungsunion eine unkündbare Solidargemeinschaft ist, bei der man dem Partner auf die Finger schaut und ihm auch sagt, was er besser machen muss.
Birke: Eine unkündbare Solidargemeinschaft, damit haben Sie mir ein Stichwort gegeben, Frau Randzio-Plath. Solidargemeinschaft bezieht sich ja auch in andere Richtungen, zum Beispiel beim Thema Österreich. Meinen Sie nicht, gerade wenn man die Kooperation von Österreich bei der Haushaltspolitik in der Währungspolitik haben möchte, dass es an der Zeit wäre, die Isolationspolitik gegenüber der ÖVP-FPÖ-Regierung aufzugeben?
Randzio-Plath: Es ist ja keine Isolationspolitik. Es wird ja auch in den Ministerräten und im Europäischen Parlament normal gearbeitet. Österreich muss aber klar sein, dass ihre politischen Verhältnisse nicht nur Österreich angehen, sondern alle in der Europäischen Union. Man muss sehen, wie die Entwicklung geht. Es gibt ja jetzt auch sehr eindeutige proeuropäische Äußerungen der beiden Koalitionsparteien.
Birke: Sie würden also dafür plädieren, möglichst vielleicht vor französischer Präsidentschaft zum 1. Juli eine Auflockerung dieser Isolationspolitik herbeizuführen?
Randzio-Plath: Im Augenblick gibt es im Parlament dafür keine Anzeichen.
Birke: Wie ist Ihre persönliche Meinung?
Randzio-Plath: Wir müssen uns als Europäisches Parlament und auch als Europäische Union darauf einstellen, dass wir Österreich beobachten. Sanktionen sind meines Erachtens erst dann einzusetzen, wenn tatsächlich etwas passiert ist.
Birke: Christa Randzio-Plath war das, die Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses im Europaparlament und Mitglied der sozialistischen Fraktion. – Vielen Dank für dieses Gespräch und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio