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Die Zeichen stehen auf Teilung

Der arme, unterentwickelte Süden des Sudan steht vor einer ungewissen Zukunft. Die Volksstämme sind heillos zerstritten, nicht einmal die Landesgrenzen stehen fest. Dennoch sagen viele junge Leute aus dem Süden: "Es gibt keine Chance mehr auf Einheit mit dem Norden."

Von Linda Staude | 08.01.2011
    Eine Nationalhymne gibt es schon für ein Land, das erst noch geschaffen werden muss. Komponiert haben es die Studenten an der Universität Juba.

    Die jungen Leute aus dem Süden des Sudans wollen nur eins: "Ich will frei sein", sagt einer, "in dem Land, in dem ich sein will." Sein Freund nickt heftig: "Es gibt keine Chance mehr auf Einheit mit dem Norden. Wir haben Angst vor denen. Wir wollen unser eigenes Land. Und sie sollen ihres haben. Jeder hat Angst vor denen."

    Die Ursachen dafür reichen bis in die Kolonialzeit zurück, Jahrzehnte vor die Geburt der beiden jungen Männer. In die 50er-Jahre, als vor allem die Briten die Grenzen in Afrika praktisch mit dem Lineal gezogen haben – ohne Rücksicht auf Volksstämme, uralte Fehden und Glaubenskonflikte. Die Folge im Sudan: Ein endloser blutiger Bürgerkrieg, kaum dass die Kolonialherren abgezogen waren, nur ein paar Jahre unterbrochen von einem wackeligen Waffenstillstand.

    "Wir haben gelitten seit der Unabhängigkeit", klagt ein dritter Student.

    Zwei Millionen Menschen haben den Dauerkonflikt mit ihrem Leben bezahlt. Im Sudan stehen sich der arabisch-muslimische Norden und der afrikanische Süden mit seiner Mehrheit von Christen und Anhängern von Naturreligionen gegenüber. Unversöhnlich – bis zum Friedensabkommen 2005, in dem das Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan bereits vereinbart wurde. Im Norden wollte man trotzdem lange nichts von einer Teilung des größten Landes in Afrika wissen.

    Wahlkampagne in Khartum. Die Südsudanesen, die noch im Norden des Landes leben, werden darüber informiert, wo sie morgen abstimmen können. Gleichzeitig machen die Veranstalter auch Werbung für die Einheit. Das hat auch der Präsident des Sudan noch einmal getan. Bei seinem Besuch in Juba, der Hauptstadt des Südens, am Dienstag. Omar Al-Bashir hat aber auch versprochen:

    "Wir werden uns immer für die Einheit einsetzen, denn wir sind überzeugt, dass sie im Interesse des Sudan liegt und gut ist für die Sicherheit und die Entwicklung für alle Sudanesen. Aber wenn die Trennung der Wille der Südsudanesen ist, dann werden wir das begrüßen."

    Die Rolle des Friedensbotschafters ist ungewohnt für den Präsidenten. Wird er doch vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht. Wegen Völkermordes in der zweiten Krisenregion seines Landes: Darfur. Dort ist ein Streit über Weide- und Wasserrechte längst zu einem offenen Krieg geworden – mit über 300.000 Toten. Die Friedensverhandlungen hat Al-Bashir nach zwei Jahren gerade abgebrochen, aber Richtung Süden streckt er nach langem Säbelrasseln jetzt die Hand aus:

    "Nach der Entstehung des südlichen Staates sind wir selbstverständlich bereit, logistische Unterstützung zu geben und Beratung oder Ausbildung anzubieten."

    Hilfe und kein neuer Krieg – egal, wie die vier Millionen registrierten Wähler entscheiden. Die Botschaft ist willkommen im Süden. Fühlen die Menschen dort sich doch ausgebeutet von den Machthabern im Norden:

    "Wir Südsudanesen sind es leid. Wir waren mit den Norden zusammen seit der Unabhängigkeit 1956. Und die Einheit hat uns nichts gebracht. Wir brauchen unsere eigene Regierung. Alles hier muss uns gehören."

    Alles, das ist in erster Linie Erdöl. Doch der Süden hat zwar die Quellen, aber der Norden den Zugang zum Meer und eine Pipeline dorthin – und bisher den Löwenanteil der Einnahmen eingestrichen. Wie die Milliarden jetzt geteilt werden, ist unklar – ein Tag vor dem Referendum. Niemand weiß außerdem, was aus den tausenden Bürgerkriegsflüchtlingen werden soll, die sich bisher im Norden ihren Lebensunterhalt verdient haben. Zwar hat Innenminister Ibrahim Mahmud erklärt:

    "Wir wollen, dass unsere Brüder aus dem Süden weiter ungestört und problemlos im Norden leben können, wo sie selbst und auch ihr Erspartes sicher sind. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung."

    Doch seit der Präsident den Norden nach der Teilung zu einem rein islamischen Staat machen will, haben sich viele schon jetzt auf den langen Weg zurück gemacht – in den bitter armen und unterentwickelten Süden und in eine ungewisse Zukunft. Denn auch im Süden sind die Volksstämme untereinander heillos zerstritten, und noch nicht einmal die Landesgrenzen liegen bereits fest.

    Besonders heikel: die Lage in der ölreichen Grenzprovinz Abyei. Dort schwelt der uralte Konflikt zwischen viehzüchtenden Nomaden und Ackerbauern. Die sesshaften Dinka wollen zum Süden gehören und würden die wandernden Misseriya damit von ihren Sommerweiden abschneiden. Babu Nimir, ihr Stammesoberhaupt, auf dem Fernsehsender Al Jazeera:

    "Wenn die Dinka sagen, dass sie uns nicht erlauben, das Wasser zu erreichen, werden wir kämpfen, kämpfen, kämpfen. Wir werden sogar über Abyei hinausgehen für Wasser und Weideland."

    Eigentlich sollten die beiden Volksstämme in Abyei separat über ihre Zukunft abstimmen. Aber dieses Referendum ist abgesagt – und damit droht in der Provinz einmal mehr ein Bürgerkrieg. Und da sich an der künftigen Grenze Soldaten aus dem Norden und aus dem Süden schwer bewaffnet gegenüberstehen, könnte das der Funke sein, der den gesamten Sudan in Brand setzt.