Müller: Guten Morgen.
Müller, DLF: Haben Sie jetzt ein Problem?
Müller: Nein, haben wir nicht, weil wir sind ja schon seit geraumer Zeit, und das auch einmütig in der Fraktion, auch nach intensiver Darlegung der Fakten der Auffassung, daß dies der falsche Weg ist. Ich will die drei wichtigsten Gründe nennen: Der erste Grund ist: Verschiedene Studien, unter anderem von der Weltbank zeigen, daß andere Wege, beispielsweise die Verbesserung der heutigen Energieversorgung in der Ukraine, ein sehr viel besserer, günstiger und auch preiswerterer Weg ist, um Versorgungssicherheit in der Ukraine zu garantieren. - Zweitens: Es paßt einfach nicht zusammen, hier in der Bundesrepublik die Atomkraftwerke ausschalten zu wollen, gleichzeitig in der Ukraine Reaktoren mitzufinanzieren, die einem Sicherheitsstandard entsprechend, der hier vielleicht mal Anfang der 70er Jahre gegolten hat. - Drittens: Man muß auch den Präzedenzfall sehen. Wir haben in Mittel- und Osteuropa etwa 70 Atomkraftwerke, von denen etwa 50 bis 60 in einem sehr schwierigen, maroden Zustand sind. Wir würden einen Präzedenzfall schaffen, der ein Faß ohne Boden wäre, obwohl es bessere Alternativen gibt.
Müller, DLF: Also absolute Übereinstimmung mit der Position der Grünen-Fraktion?
Müller: Ich weiß nicht, ob man das so debattieren sollte, denn wir haben unabhängig von den Grünen unsere Position auch gefunden. Da ist ja manchmal auch bei den Journalisten ein bißchen Unklarheit, wer der erste war.
Müller, DLF: Deswegen unterhalten wir uns ja auch, Herr Müller. Hat das denn der Kanzler bisher noch nicht so richtig mitbekommen?
Müller: Ich glaube, daß man feststellen muß, hier gibt es unterschiedliche Ebenen. Die eine Ebene ist das, wie wir unsere Energiepolitik definieren, wozu natürlich auch gehört, daß wir Osteuropa und speziell auch der Ukraine helfen wollen. Wenn ich beispielsweise aber den eben gebrachten Beitrag sehe, ist dort ja ein Widerspruch. Tschernobyl soll im Jahre 2000 abgeschaltet werden. Die beiden Kraftwerke K2 und R4 würden frühestens 2004, wenn nicht erst 2005 am Netz sein. Wie will man denn diese Lücke schließen, wenn nicht sowieso durch eine veränderte Energiepilitik. Wir sind sehr wohl bereit zu helfen, aber es ist dringend notwendig, daß man ein langfristiges Energiekonzept hat, das vor allem auf Energiesparen, verbesserte Energie-Effizienz setzt und das auch die sehr viel preisgünstigeren Alternativen nutzt, denn ich weise darauf hin, daß das Dokument von 1995, das sogenannte "Memorandum of understanding", sagt, es soll die preisgünstigste Lösung gefunden werden. In der Zwischenzeit liegt die Nachrüstung bei etwa zwei Milliarden Dollar. Ein Gaskraftwerk liegt bei etwa 800 Millionen bis einer Milliarde Dollar, also deutlich preisgünstiger. Dort ist auch sicherlich der richtige Weg zu sehen.
Müller, DLF: Hat Gerhard Schröder schon die Zusage an Kiew gegeben oder nicht?
Müller: Es hat Gespräche gegeben am Rande, beispielsweise der Vereinten Nationen, wo die Ukraine auf eine Einlösung ihrer Zusage drängt. Nur wie gesagt, die kann man unterschiedlich auslegen. Die wirtschaftlichste Lösung ist Atomkraft zweifellos nicht. Ich verstehe das Grundproblem der Ukraine. Das ist ja auch angesprochen worden. Man will nicht von Russland abhängig sein. Deshalb muß man gucken, ob es nicht andere Wege gibt, auch vom Westen her der Ukraine energiepolitisch mehr zu helfen.
Müller, DLF: Was machen Sie, wenn Herr Schröder von seiner Position nicht abrückt?
Müller: Dann haben wir in dieser Frage halt einen Dissens, wie das immer mal passiert, woraus ich auch kein Drama machen würde. Nur Tatbestand ist, die Fraktion hat einstimmig vor geraumer Zeit sich der Haltung angeschlossen, daß ein solches Atomkraftwerk zu fördern beziehungsweise die Atomkraftwerke zu fördern, denn es stehen weitere an in anderen osteuropäischen Ländern, daß dies nicht der richtige Weg ist.
Müller, DLF: Und das ist auch das letzte Wort aus Sicht der Fraktion?
Müller: Die Fraktion hat das erst einmal beschlossen, und warum sollten wir davon heruntergehen. Wir verstehen die außenpolitischen Zwänge der Regierung. Wir akzeptieren, daß es hier eine Altlast gibt, und wir bedauern insbesondere - das ist ja der eigentliche Kern des Konfliktes -, daß es lange Zeit in der Bundesrepublik Bestrebungen gegeben hat, die Atomkraftwerke vor allem über Osteuropa wieder nach vorne zu bringen, also sozusagen den Ausstieg übers Ausland auch in die Bundesrepublik rückgängig zu machen. Das ist aber nicht unser Weg. Es war klar, daß wir den Ausstieg wollen, und das ist auch politisch so festgelegt.
Müller, DLF: Nun gibt es ja die Vereinbarung mit der Ukraine von 1995. Da hat es die Zusage gegeben.
Müller: Aber nicht für Atomkraft!
Müller, DLF: Es waren ja die G-7-Staaten beteiligt. Dahin zielt meine Frage. Sehen Sie denn eine Chance, einen Konsens innerhalb der G-7 zu erreichen, daß man jetzt umsteuert und auf Gaskraftwerke beispielsweise setzt?
Müller: Zumindest muß man es sehr ernsthaft und mit Nachdruck versuchen. In Wahrheit ist es ja auch zum Teil eine Auseinandersetzung unterschiedlicher Firmeninteressen. Es ist ja eine der beteiligten Firmen genannt worden; im Ausland sind es wiederum andere. Was ich einfach nicht verstehe ist, daß sehr viele sehr renomierte und sicherlich auch nicht dem Atomausstieg verdächtige Institutionen wie beispielsweise die Weltbank nachdrücklich darauf hinweisen, daß dies sowohl aus sicherheitstechnischen Gründen als auch aus wirtschaftlichen Gründen der falsche Weg ist. Darüber muß man doch einmal ernsthaft reden, besonders diejenigen, die doch sonst immer das ökonomische Prinzip so hochstellen.
Müller, DLF: Sie setzen auf Überzeugungsarbeit. Wieviel Zeit haben Sie denn?
Müller: Wenn es so ist, daß wir schnell ein Gaskraftwerk bauen können und uns darauf verständigen, würde es keine zeitliche Verzögerung geben, wenn die Entscheidung innerhalb des nächsten halben Jahres getroffen würde.
Müller, DLF: Welche Signale haben Sie oder auch die Fraktion ja möglicherweise aus der Ukraine erhalten?
Müller: Wir haben mit sehr vielen Gruppen gesprochen. Wir wissen beispielsweise, daß in der Ukraine auch das Atomkraftwerk sehr kritisch gesehen wird. Sie müssen wissen, die Ukraine hat ungefähr 50 Prozent der Stromversorgung auf atomarer Basis. Viele sehen das sehr kritisch, zumal die meisten dieser Kraftwerke in einem sehr kritischen Zustand sind. Viele Menschen in der Ukraine sind immer noch vom Reaktorunfall von Tschernobyl schwer geschädigt. Dort besteht eine breite Distanz auch zur Atomkraft, und man will gerne dort heraus. Wir haben beispielsweise auch Signale bekommen - das ist ja auch in dem Beitrag am Rande angesprochen worden -, daß das eigentliche Problem für die Ukraine ist, daß der Westen stärker mit der Ukraine zusammenarbeitet. Die Regierung sieht gerade in der Nachrüstung oder beziehungsweise in dem Bau dieser beiden Reaktoren eine Chance, dies zu verbessern. Wenn man es hinbekommt über die G-7-Staaten - und ich glaube, das ist übrigens auch eine der Konsequenzen aus dem Kosovo-Krieg -, daß man sehr viel enger mit den Staaten mittel- und osteuropas zusammenarbeitet, dann muß man sehr viel stärker die wirtschaftliche, kulturelle, soziale Zusammenarbeit intensivieren. Und im übrigen, wenn die Ukraine langfristig auch Mitglied in der Europäischen Union werden will, dann kann sie kaum diesen Weg, den sie heute geht, weitermachen.
Müller, DLF: Der SPD-Umweltpolitiker Michael Müller war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Düsseldorf!
Müller, DLF: Haben Sie jetzt ein Problem?
Müller: Nein, haben wir nicht, weil wir sind ja schon seit geraumer Zeit, und das auch einmütig in der Fraktion, auch nach intensiver Darlegung der Fakten der Auffassung, daß dies der falsche Weg ist. Ich will die drei wichtigsten Gründe nennen: Der erste Grund ist: Verschiedene Studien, unter anderem von der Weltbank zeigen, daß andere Wege, beispielsweise die Verbesserung der heutigen Energieversorgung in der Ukraine, ein sehr viel besserer, günstiger und auch preiswerterer Weg ist, um Versorgungssicherheit in der Ukraine zu garantieren. - Zweitens: Es paßt einfach nicht zusammen, hier in der Bundesrepublik die Atomkraftwerke ausschalten zu wollen, gleichzeitig in der Ukraine Reaktoren mitzufinanzieren, die einem Sicherheitsstandard entsprechend, der hier vielleicht mal Anfang der 70er Jahre gegolten hat. - Drittens: Man muß auch den Präzedenzfall sehen. Wir haben in Mittel- und Osteuropa etwa 70 Atomkraftwerke, von denen etwa 50 bis 60 in einem sehr schwierigen, maroden Zustand sind. Wir würden einen Präzedenzfall schaffen, der ein Faß ohne Boden wäre, obwohl es bessere Alternativen gibt.
Müller, DLF: Also absolute Übereinstimmung mit der Position der Grünen-Fraktion?
Müller: Ich weiß nicht, ob man das so debattieren sollte, denn wir haben unabhängig von den Grünen unsere Position auch gefunden. Da ist ja manchmal auch bei den Journalisten ein bißchen Unklarheit, wer der erste war.
Müller, DLF: Deswegen unterhalten wir uns ja auch, Herr Müller. Hat das denn der Kanzler bisher noch nicht so richtig mitbekommen?
Müller: Ich glaube, daß man feststellen muß, hier gibt es unterschiedliche Ebenen. Die eine Ebene ist das, wie wir unsere Energiepolitik definieren, wozu natürlich auch gehört, daß wir Osteuropa und speziell auch der Ukraine helfen wollen. Wenn ich beispielsweise aber den eben gebrachten Beitrag sehe, ist dort ja ein Widerspruch. Tschernobyl soll im Jahre 2000 abgeschaltet werden. Die beiden Kraftwerke K2 und R4 würden frühestens 2004, wenn nicht erst 2005 am Netz sein. Wie will man denn diese Lücke schließen, wenn nicht sowieso durch eine veränderte Energiepilitik. Wir sind sehr wohl bereit zu helfen, aber es ist dringend notwendig, daß man ein langfristiges Energiekonzept hat, das vor allem auf Energiesparen, verbesserte Energie-Effizienz setzt und das auch die sehr viel preisgünstigeren Alternativen nutzt, denn ich weise darauf hin, daß das Dokument von 1995, das sogenannte "Memorandum of understanding", sagt, es soll die preisgünstigste Lösung gefunden werden. In der Zwischenzeit liegt die Nachrüstung bei etwa zwei Milliarden Dollar. Ein Gaskraftwerk liegt bei etwa 800 Millionen bis einer Milliarde Dollar, also deutlich preisgünstiger. Dort ist auch sicherlich der richtige Weg zu sehen.
Müller, DLF: Hat Gerhard Schröder schon die Zusage an Kiew gegeben oder nicht?
Müller: Es hat Gespräche gegeben am Rande, beispielsweise der Vereinten Nationen, wo die Ukraine auf eine Einlösung ihrer Zusage drängt. Nur wie gesagt, die kann man unterschiedlich auslegen. Die wirtschaftlichste Lösung ist Atomkraft zweifellos nicht. Ich verstehe das Grundproblem der Ukraine. Das ist ja auch angesprochen worden. Man will nicht von Russland abhängig sein. Deshalb muß man gucken, ob es nicht andere Wege gibt, auch vom Westen her der Ukraine energiepolitisch mehr zu helfen.
Müller, DLF: Was machen Sie, wenn Herr Schröder von seiner Position nicht abrückt?
Müller: Dann haben wir in dieser Frage halt einen Dissens, wie das immer mal passiert, woraus ich auch kein Drama machen würde. Nur Tatbestand ist, die Fraktion hat einstimmig vor geraumer Zeit sich der Haltung angeschlossen, daß ein solches Atomkraftwerk zu fördern beziehungsweise die Atomkraftwerke zu fördern, denn es stehen weitere an in anderen osteuropäischen Ländern, daß dies nicht der richtige Weg ist.
Müller, DLF: Und das ist auch das letzte Wort aus Sicht der Fraktion?
Müller: Die Fraktion hat das erst einmal beschlossen, und warum sollten wir davon heruntergehen. Wir verstehen die außenpolitischen Zwänge der Regierung. Wir akzeptieren, daß es hier eine Altlast gibt, und wir bedauern insbesondere - das ist ja der eigentliche Kern des Konfliktes -, daß es lange Zeit in der Bundesrepublik Bestrebungen gegeben hat, die Atomkraftwerke vor allem über Osteuropa wieder nach vorne zu bringen, also sozusagen den Ausstieg übers Ausland auch in die Bundesrepublik rückgängig zu machen. Das ist aber nicht unser Weg. Es war klar, daß wir den Ausstieg wollen, und das ist auch politisch so festgelegt.
Müller, DLF: Nun gibt es ja die Vereinbarung mit der Ukraine von 1995. Da hat es die Zusage gegeben.
Müller: Aber nicht für Atomkraft!
Müller, DLF: Es waren ja die G-7-Staaten beteiligt. Dahin zielt meine Frage. Sehen Sie denn eine Chance, einen Konsens innerhalb der G-7 zu erreichen, daß man jetzt umsteuert und auf Gaskraftwerke beispielsweise setzt?
Müller: Zumindest muß man es sehr ernsthaft und mit Nachdruck versuchen. In Wahrheit ist es ja auch zum Teil eine Auseinandersetzung unterschiedlicher Firmeninteressen. Es ist ja eine der beteiligten Firmen genannt worden; im Ausland sind es wiederum andere. Was ich einfach nicht verstehe ist, daß sehr viele sehr renomierte und sicherlich auch nicht dem Atomausstieg verdächtige Institutionen wie beispielsweise die Weltbank nachdrücklich darauf hinweisen, daß dies sowohl aus sicherheitstechnischen Gründen als auch aus wirtschaftlichen Gründen der falsche Weg ist. Darüber muß man doch einmal ernsthaft reden, besonders diejenigen, die doch sonst immer das ökonomische Prinzip so hochstellen.
Müller, DLF: Sie setzen auf Überzeugungsarbeit. Wieviel Zeit haben Sie denn?
Müller: Wenn es so ist, daß wir schnell ein Gaskraftwerk bauen können und uns darauf verständigen, würde es keine zeitliche Verzögerung geben, wenn die Entscheidung innerhalb des nächsten halben Jahres getroffen würde.
Müller, DLF: Welche Signale haben Sie oder auch die Fraktion ja möglicherweise aus der Ukraine erhalten?
Müller: Wir haben mit sehr vielen Gruppen gesprochen. Wir wissen beispielsweise, daß in der Ukraine auch das Atomkraftwerk sehr kritisch gesehen wird. Sie müssen wissen, die Ukraine hat ungefähr 50 Prozent der Stromversorgung auf atomarer Basis. Viele sehen das sehr kritisch, zumal die meisten dieser Kraftwerke in einem sehr kritischen Zustand sind. Viele Menschen in der Ukraine sind immer noch vom Reaktorunfall von Tschernobyl schwer geschädigt. Dort besteht eine breite Distanz auch zur Atomkraft, und man will gerne dort heraus. Wir haben beispielsweise auch Signale bekommen - das ist ja auch in dem Beitrag am Rande angesprochen worden -, daß das eigentliche Problem für die Ukraine ist, daß der Westen stärker mit der Ukraine zusammenarbeitet. Die Regierung sieht gerade in der Nachrüstung oder beziehungsweise in dem Bau dieser beiden Reaktoren eine Chance, dies zu verbessern. Wenn man es hinbekommt über die G-7-Staaten - und ich glaube, das ist übrigens auch eine der Konsequenzen aus dem Kosovo-Krieg -, daß man sehr viel enger mit den Staaten mittel- und osteuropas zusammenarbeitet, dann muß man sehr viel stärker die wirtschaftliche, kulturelle, soziale Zusammenarbeit intensivieren. Und im übrigen, wenn die Ukraine langfristig auch Mitglied in der Europäischen Union werden will, dann kann sie kaum diesen Weg, den sie heute geht, weitermachen.
Müller, DLF: Der SPD-Umweltpolitiker Michael Müller war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Düsseldorf!