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Die ZVS als Dienstleister

Die Kultusminister der Länder haben beschlossen, der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) eine neue, zusätzliche Aufgabe zu geben. Die ZVS soll künftig Hochschulen, die das wünschen, bei der Suche nach neuen Studierenden behilflich sein. Die Entscheidung über Aufnahme treffen aber die Hochschulen selber. Für Fächer mit bundesweitem Numerus clausus wie Medizin bleibt die ZVS weiterhin Vergabestelle.

Moderation: Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Gestern haben die Kultusminister der Länder beschlossen, künftig einiges anders zu machen an den Hochschulen. Zum einen soll es eine neue Institution geben, die die Studienplätze verteilt und die Hochschulzulassung regelt. Die Dortmunder Zentralstelle für die Studienplatzvergabe, die ZVS, soll dazu umgebaut werden. Am Telefon ist jetzt Josef Lange, Staatssekretär im niedersächsischen Wissenschaftsministerium. Guten Tag, Herr Lange!

    Josef Lange: Guten Tag nach Köln!

    Biesler: Sie haben die Entscheidung von gestern mit vorbereitet. Was heißt denn Umbau zu einer Beratungs- und Servicestelle, wie es im Beschluss steht, konkret für die ZVS? Dass sie künftig keine Studienplätze mehr vergibt?

    Lange: Nein, das heißt konkret für die umgestaltete ZVS, dass sie zwei Aufgaben wahrnimmt, auf der einen Seite weiterhin die Vergabe von Studienplätzen in den Studiengängen, in denen ein bundesweiter Numerus clausus besteht. Das sind derzeit und mittelfristig Humanmedizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin und Pharmazie, alles staatlich reglementierte Studiengänge, bei denen die Studiengänge bundesweit in den Hochschulen vergleichbar sind. Da geht es um die erschöpfende Ausnutzung der Kapazitäten entsprechend den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts von Anfang der 70er Jahre zur Wahrung des Rechts auf Berufswahlfreiheit der Studienbewerberinnen und Studienbewerber nach Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz. Daneben tritt neu eine zweite Aufgabe der umgestalteten ZVS, nämlich Dienstleistungen für die Hochschulen anzubieten, um diesen bei den Auswahlverfahren für Studierende zu helfen. Wir haben derzeit die Situation, dass durch die individuell strukturierten Studiengänge in den mehr als 300 Hochschulen in Deutschland wir dennoch Zulassungsbeschränkungen haben. Die Studienplätze sollen ausgelastet werden im Hinblick auf die Nachfrage der Studierenden. Die "ZVS neu" soll anbieten, dass die Bewerbungen unter Angabe des gewünschten Hochschulortes und des gewünschten Studiengangs an die ZVS gerichtet werden, dass die Hochschulen ihre Rahmenbedingungen für die Aufnahme - sprich: Welche Qualifikationen sollen die Studierenden mitbringen? - bei der ZVS einbringen, sodass das Bewerbungsverfahren online gestaltet vereinfacht wird, die Kommunikation zwischen ZVS und Hochschulen und zwischen ZVS als Vorbereitungsstelle für die Vergabe von Studienplätzen und Studienbewerbern vereinfacht wird und es deshalb dann nicht mehr dazu kommen soll, dass nach Abschluss von Einschreibungsverfahren trotz Numerus clausus Studienplätze frei bleiben.

    Biesler: Das Ziel - Sie haben es gerade angedeutet – ist ja, dieses Chaos zu vermeiden, das die Mehrfachbewerbungen verursacht, wo es also dazu kommt, dass manche Studierende erst Wochen nach Semesterbeginn einen Studienplatz bekommen, weil gar nicht klar ist, wie viel sind denn jetzt frei und wo eigentlich und wie verteilen wir die, die frei geworden sind, weil sich Studierende, die mehrere Studienplätze zugeteilt bekommen haben, dann für eine andere Hochschule entschieden haben.

    Lange: Oder sich einschreiben und nach vier Wochen wieder exmatrikulieren, um an die nächste zu gehen.

    Biesler: Genau. Wie soll das denn aber in Zukunft verhindert werden, wenn die Hochschulen, und so lese ich den Beschuss, ja künftig wählen können, ob sie mit der ZVS zusammenarbeiten wollen oder nicht?

    Lange: Wir gehen davon aus, dass sich die Mehrzahl der Hochschulen, möglichst alle Hochschulen daran beteiligen, weil damit auf der einen Seite die Bewerberfreundlichkeit deutlich erhöht wird, auf der anderen Seite die Kosten für die Hochschulen selbst, in den Hochschulen selbst deutlich reduziert werden. Denn derzeit bedeutet es bei angenommenen vier oder fünf Bewerbungen - und bei Online-Bewerbungen gehen Experten in den Immatrikulationsbüros der Hochschulen davon aus, dass es auch acht bis zehn Bewerbungen gibt -, dass diese alle jeweils individuell von den Hochschulen bearbeitet werden müssen. Dieses kann man zentralisieren und damit in erheblichem Umfang Mittel sparen.

    Biesler: Soweit zur ZVS, die dann so eine zentrale Drehscheibe wird, allerdings ohne tatsächlich dann die Qualifikation zu haben bzw. die Berechtigung, den Hochschulen auch vorzuschreiben, dass sie einen Bewerber nehmen oder nicht. Das ist ja jetzt Sache der Hochschulen, das dann konkret zu entscheiden. Die zweite wichtige Entscheidung gestern war die Veränderung der Akkreditierung von Studiengängen. Da sind in den letzten zwei Jahren ja für jedes Fach dicke Aktenordner produziert worden. Mancher Professor hat ein Semester lang nichts anderes gemacht, als das alles zu schreiben, was dann die Akkreditierungsagenturen abgeprüft haben. Jetzt soll in Zukunft gleich die ganze Hochschule bzw. das eigene System der Hochschulen zur Qualitätssicherung akkreditiert werden, also nicht mehr jeder einzelne Studiengang. War das bisherige Verfahren zu aufwendig?

    Lange: Das bisherige Verfahren ist aufwendig, es ist in Teilen von den Hochschulen und von den Agenturen aufwendiger gestaltet worden, als es notwendig wäre. Das ist jedenfalls meine persönliche Einschätzung in Kenntnis vieler Akkreditierungsunterlagen. Und dann gibt es bei diesen Akkreditierungsverfahren bei Gutachtern manchmal natürlich auch die Tendenz, sehr in die Details zu gehen, statt die Individualität und Unterschiedlichkeit der Hochschulen anzuerkennen. Letztlich ist die Sicherung der Qualität von Lehre und Studium und damit die Sicherung der Qualität von Abschlussprüfungen Aufgabe der Hochschulen selbst. Die Hochschulen selbst sind dafür verantwortlich. Wenn die Träger der Hochschulen, und das sind die Länder, dieses ihren Hochschulen zutrauen – und wir trauen es den Hochschulen zu -, dann müssen die Hochschulen nachweisen, dass sie durch interne Sicherungsmechanismen gewährleisten können, dass das, was über oder unter den Zeugnissen, den Abschlusszeugnissen steht, dass es sich nämlich um einen Bachelor-Studiengang der Universität X oder der Fachhochschule Y handelt, dass dieser die Qualifikation vermittelt, die auf dem Arbeitsmarkt von Bachelor- bzw. Master-Absolventinnen und -Absolventen erwartet wird. Und das bedeutet, dass intern die Mechanismen so gestaltet werden müssen, dass es beispielsweise nicht zu einer zu großen Kleinteiligkeit von Studiengängen kommt – ein Professor, ein Studiengang –, dass die Mechanismen der akademischen Selbstverwaltung so gestaltet werden, dass nicht jede Fakultät nach eigenem Gusto Studiengänge macht, sondern dass die Hochschulen durch die Gestaltung der Studiengänge in der Vorbereitung und in der tatsächlichen Durchführung auch die Qualität garantieren können. Das bedeutet, dass man die hochschulinternen Mechanismen umgestalten muss. Es muss klar definiert werden, wer tut was an welcher Stelle und wo gibt es die Möglichkeit einzuschreiten, wenn beispielsweise Studiengangsentwürfe vorgelegt werden, die in der Realität gar nicht studierbar sind, weil Präsenzstundenzeiten von 40 Stunden in der Woche von künftigen Studierenden erwartet werden, was unrealistisch ist.

    Biesler: Das funktioniert natürlich nicht. Also die Hochschulen dürfen in Zukunft mehr selbst machen, werden aber dabei insgesamt kontrolliert durch Akkreditierungsagenturen, so wie das auch in der Vergangenheit der Fall war für die einzelnen Studiengänge. Josef Lange war das, Staatssekretär im Wissenschaftsministerium Niedersachsens, zu den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz von gestern.