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Diebesgut im Museum

Vergangene Woche begann der spektakuläre Raubkunst-Prozess in Rom, bei dem das Getty-Museum Los Angeles auf der Anklagebank saß, morgen trifft sich der Direktor des Metropolitain Museums New York aus ähnlichem Grund nicht mit der Staatsanwaltschaft, aber immerhin mit Experten des italienischen Kulturministeriums - er soll darlegen, wie das Museum in den Besitz von kostbaren Vasen, Amphoren, Schalen und anderen Schätzen aus der römischen Antike gekommen ist, darunter ein kostbarer Silberschatz.

Sonja Zekri im Gespräch |
    Karin Fischer: Die Italiener wollen "ausreichend Beweismaterial" zusammen getragen haben, um auch das Metropolitain vor den Kadi zu ziehen. Frage an meine Kollegin Sonja Zekri, heißt das, die Recherchen der italienischen Experten in Sachen Raubgrabungen lösen jetzt eine Lawine aus?

    Sonja Zekri: Was sehr interessant ist an der ganzen Geschichte ist, dass die Italiener überhaupt in der Lage sind diese Beweise beizubringen. In Italien gibt es eine eigene Abteilung, die 800 Männer und Frauen umfasst, die sich mit nichts anderem beschäftigen außer mit der Suche nach Kunst und Antiken, die außer Landes gebracht worden sind. Das ist eine riesige Manpower, wenn man so will.

    Karin Fischer: Und was haben diese italienischen Fahnder in der Hand?

    Sonja Zekri: Sie haben gegen das Metropolitan offenbar die Fotos in der Hand, und die Fotoalben, die sie schon benutzt haben, um auch gegen Marion True vorzugehen, die ehemalige Kuratorin des Getty-Museums, die ja nun in Italien vor Gericht steht. Und das ist schon ungeheuerlich, wenn man sich überlegt, dass sie bei einer Razzia 1995 Fotoalben gefunden haben, mit Aufnahmen von eben antiken Schätzen, rotfigurigen Vasen, Amphoren, an denen zum Teil noch Erde klebt, die aufgenommen wurden, direkt dort, wo sie offenbar auch ausgegraben wurden. Und man muss sich das offenbar wie so eine Art Katalog vorstellen, wo dann die Sammler sich die Dinge ausgesucht haben, und dann auch bekommen haben.

    Karin Fischer: Bedeutet das, dass wir heute davon ausgehen müssen, dass wesentliche Bestandteile auch der großen Museum in Sachen Archäologie aus illegalen Raubgrabungen kommen?

    Sonja Zekri: Also, dieser Begriff der illegalen Raubgrabung ist ja einer der noch gar nicht so sehr alt ist. Es hat ja früher tatsächlich so etwas gegeben lange Zeit, also in einigen Ländern sogar noch bis in die Nachkriegszeit, wie die Fundteilung, das bedeutete diejenigen Archäologen, die Dinge aus dem Boden holen, können einen Teil der Schätze mitnehmen und ein Teil bleibt im Land, da haben die Länder sich dann überlegt, was sie nehmen und was sie außer Landes gehen lassen. In der Zeit sind Dinger tatsächlich legal außer Landes gelangt, es sind in vielen Museen der Welt davon muss man ausgehen, nachdem die Fundteilung längst aufgehoben war und die Länder längst Anspruch auf alle ihre Schätze erhoben haben, die in ihren Ländern entdeckt worden sind, sind immer noch Dinger außer Landes gegangen. Ja, und die stehen auch in Museen, in den Museen dieser Welt. Insofern geht da im Moment eine Bombe hoch, deren Lunte eigentlich schon ziemlich lange gebrannt hat.

    Karin Fischer: Wenn man die aktuellen Berichte aus dem Irak liest, zuletzt hat Berlin ja wieder Alarm geschlagen wegen kratergroßer Raubgrabungslöcher, die sogar über Satellit erkennbar seien und über Stätten, die halt nicht geschützt werden können. Wenn man diesen Berichten glaubt, dann kann man sich ja vorstellen, wie Raubgrabung im großen Stil auch funktioniert. Das Problem dabei sind aber heute ja die Zwischenhändler, die die Ware sozusagen sauber stempeln.

    Sonja Zekri: Wenn man das Ganze sozusagen wirklich auf einer rein ökonomischen Ebene betrachtet, muss man natürlich ganz klar sagen: Ohne Markt keine Raubgrabungen. Also ohne Nachfrage würde es auch kein Angebot geben. Die Bauern da unten, die da die Dinger aus dem Boden holen und den ganzen Irak, die archäologischen Stätten in Mondlandschaften verwandeln, tun das, weil sie damit ein bisschen Geld verdienen können, nicht viel, und weil es im Westen den Markt dafür gibt. Und insofern sind natürlich die Zwischenhändler, die die Dinge sauber stempeln, nur ein Teil der Kette. Gäbe es nicht die privaten Sammler, die sich die Sachen ins Regal stellen und gäbe es nicht am Ende Möglichkeiten sie denn über Leihgaben oder über Schenkungen dann ganz am Ende auch irgendwann mal in den Museen auszustellen, dann würden die möglicherweise dort unten gar nicht in dem Stil aus dem Boden geholt.

    Karin Fischer: Wäre eine Lösung den Handel mit antiquarischen Kunstgegenständen ganz zu verbieten, ähnlich wie beim Elfenbein?

    Sonja Zekri: Das ist eine Position. Die Kunsthändler sagen natürlich: das ist ein großer Markt, das ist ein großes nobles Gewerbe, was immer auch getragen wird vom Interesse an der Kunst, warum sollen denn die Sachen da unten im Boden vergammeln, oder irgendwo stehen, die stehen doch bei uns viel schöner. Und die andere Seite ist tatsächlich, dass man sagt, der Handel mit Elfenbein oder die Jagd auf Elefanten hat fast aufgehört in dem Moment, wo man einfach die Beweispflicht umgekehrt hat und gesagt hat: Wir stellen den gesamten Handel mit Elfenbein - das wäre in diesem Fall den Handel mit Antiken - unter Strafe, die Beweislast liegt bei dem, der Antiken einführen will und der muss beweisen, wo er das her hat. Und da heutzutage kein Land mehr Antiken außer Landes gehen lässt, ist die Beweisführung praktisch nicht möglich und damit käme der Antikenhandel zum erliegen. Ob das praktikabel ist, steht noch auf einem anderen Blatt. Aber das ist eine Position und zumindest was den Elfenbeinvergleich angeht muss man sagen, da hat es funktioniert.