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"Diese Operation dient der Verteidigung"

Israel hat das Ziel bekräftigt, mit der Militäroffensive im Gazastreifen die Hamas entscheidend zu schwächen. Es müsse sichergestellt werden, dass die Hamas nach dem aktuellen Konflikt nicht durch den Iran wiederbewaffnet werden könne, sagte der israelische Regierungssprecher Mark Regev. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an den Libanon-Krieg im Jahr 2006. Trotz aller Kritik herrsche seither an der Nordgrenze Israels Ruhe. Ebenso versuche man nun im Süden, eine ruhige Grenze zum Gazastreifen zu erreichen.

Mark Regev im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Der israelische Unterhändler Amos Gilad reist heute abermals zu Beratungen über einen Waffenstillstand im Gaza-Streifen nach Ägypten. Dies teilte die Regierung nach einem Treffen von Ministerpräsident Olmert mit mehreren Ministern mit. Die im Gaza-Streifen herrschende radikal-islamische Hamas hat einen einjährigen Waffenstillstand vorgeschlagen, der verlängert werden kann. Gestern wurden im Gaza-Streifen das "el Kuz Krankenhaus" und das Hauptquartier der Vereinten Nationen bombardiert. Die Hamas feuerte abermals Raketen auf Israel ab. Diplomaten gaben sich in Jerusalem und in den letzten Tagen und Stunden die Klinken in die Hände. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier war in der Region unterwegs.

    " "Wir hören von Angriffen auf Einrichtungen der Vereinten Nationen. Sogar ein Hospital sei getroffen. Das sind Angriffe, die inakzeptabel sind und die zeigen, dass wir spätestens jetzt einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt finden müssen", "

    sagt der Bundesaußenminister. Ob es bald einen Waffenstillstand geben wird, vermochte uns auch der israelische Regierungssprecher vor dieser Sendung nicht zu sagen. Aber Mark Regev hat die israelischen Ziele beschrieben.

    Mark Regev: Wir möchten aus dieser Operation mit einer geschwächten Hamas herauskommen, einer Hamas, deren militärische Maschinerie demontiert ist. In Zukunft soll es sich die Hamas zweimal oder sogar dreimal überlegen müssen, bevor sie noch einmal Raketen auf israelische Zivilisten abfeuert. Und natürlich arbeiten wir mit der internationalen Gemeinschaft, mit Ägypten und anderen daran, dass die Hamas nach dieser Operation nicht wieder durch den Iran bewaffnet werden kann, der immer mehr Waffen und Raketen schicken will. Wir benötigen an Ort und Stelle Mechanismen, die verhindern, dass die Hamas wieder bewaffnet wird.

    Heinemann: Herr Regev, kann Frieden in der Region ohne die Hamas und ihre Unterstützer hergestellt werden?

    Regev: Ich hoffe, dass wenn wir in dieser Operation erfolgreich sein werden und die Gefahr ausschalten, welche die Hamas für den Süden darstellt, dass wir dann energisch mit der palästinensischen Regierung im Sinne des Annapolis-Prozesses voranschreiten können. Wir wissen, dass eine wirkliche Lösung eine politische sein muss und dass diese Lösung Zugeständnisse von beiden Seiten erfordern wird. Die Hamas ist der gewalttätigste und extremistischste Gegner des politischen Prozesses. Sie sind gegen Verhandlungen und gegen eine Zwei-Staaten-Lösung. Deshalb hoffe ich, dass wenn dies alles vorbei sein wird und wir die Hamas - ich will es so ausdrücken - "in einen Karton" gepackt haben werden, ihre Fähigkeit, den politischen Prozess zu zerstören, deutlich beschränkter sein werden.

    Heinemann: Ist diese Offensive in Gaza auch als Warnung an denn Iran gedacht?

    Regev: Das ist keine Warnung an irgendjemanden, diese Operation dient der Verteidigung. Wenn Sie diese mit der Operation im Libanon 2006 vergleichen, die in Israel sehr kritisiert wurde, werden Sie sehen: Seit 2006 herrscht an unserer Nordgrenze Ruhe - vielleicht wie niemals zuvor. Wenn wir diese Operation im Süden mit einer ruhigen Grenze zwischen Israel und Gaza beenden können, dann haben wir gesiegt. Das versuchen wir zu erreichen.

    Heinemann: Navi Pillay, die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, hat gesagt, die Behinderung von Hilfslieferungen durch Israel könne Elemente von Kriegsverbrechen beinhalten. Wird Israel eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen zulassen?

    Regev: Zum UN-Menschenrechtskommissariat möchte ich eines sagen: Dieses ist leider sehr einseitig, ineffizient, und es hat international Glaubwürdigkeit verloren. Zur jüngsten anti-israelischen Erklärung möchte ich nur sagen: Nicht eine westliche Demokratie, nicht ein demokratisches europäisches Land hat diese Erklärung unterstützt. Welche Länder haben das getan, wer hat Israel wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert: Syrien und Kuba, also echte Vorreiter! Der Menschenrechtsapparat der Vereinten Nationen ist vom gegenwärtigen Generalsekretär, Herrn Ban, ebenso kritisiert worden, wie von seinem Vorgänger Kofi Annan. Und selbst eine Nicht-Regierungsorganisation wie Amnesty International hat sich dazu sehr dezidiert geäußert: völlig unprofessionell und politisch instrumentalisiert.

    Heinemann: Lassen Sie mich dennoch auf die Frage zurückkommen: Wird Israel einer Untersuchung zustimmen?

    Regev: Klingt nett, wenn es heißt: Lasst uns eine offene Untersuchung durchführen. Aber wie soll das geschehen, solange die Hamas den Gaza-Streifen kontrolliert? Wenn die Hamas an Ort und Stelle die Kontrolle ausübt, was werden die mit der Untersuchung Beauftragten dann von den Leuten wohl zu hören bekommen?

    Heinemann: Herr Regev, in der vergangenen Woche kritisierte ein Fatah-Mitglied in diesem Sender, hier im Deutschlandfunk, es gebe keine Friedensdividende - die Verhandlungen mit Israel zahlten sich nicht aus. Besteht die Gefahr, dass die gemäßigten Palästinenser nun radikaler werden?

    Regev: Ich glaube, genau das Gegenteil passiert. Die Kritik am Extremismus, den die Hamas vertritt, nimmt sowohl in der arabischen Welt als auch unter den Palästinensern zu. Die Palästinenser verstehen nicht, warum diese Eskalation in ihrem Interesse gewesen sein sollte und warum der durch Ägypten vermittelte Waffenstillstand ausgelaufen ist. Warum hat die Hamas diese Eskalation ausgelöst? Ministerpräsident Olmert hat an Weihnachten in einem Interview mit dem Fernsehsender "Al Arabija" gesagt: Wenn Ruhe herrscht, antworten wir mit Ruhe. Aber wenn die weiterhin Raketen auf unsere Leute feuern, müssen wir reagieren. Viele Palästinenser, und ich vermute vor allem auch in Gaza, fragen sich: Wieso hat sich die Hamas für diese Selbstzerstörungsstrategie entschieden? Ich vermute, wenn der Staub sich gelegt hat, wird das vorrangige Problem der Hamas das mit den Menschen in Gaza sein, die ganz einfach nicht verstehen, warum diese Krise nötig war.

    Heinemann: Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass die künftige US-Regierung Israel nicht in gleicher Weise unterstützen könnte, wie dies der scheidende Präsident Bush getan hat?

    Regev: Barack Obama hat den Süden Israels im vergangenen Jahr besucht, und er hat gesagt, wenn er in einer der südisraelischen Städte lebte und seine Familie würde mit Raketen angegriffen, würde er alles in seiner Macht stehende unternehmen, um seine Familie zu schützen.