Gerd Breker: Die Gesundheitsminister der Bundesländer wollen nur die Hälfte der 50 Millionen bestellten Dosen des Schweinegrippe-Impfstoffs abnehmen. Bei einer einmaligen Schutzimpfung pro Person reiche diese Menge aus, erklärte das Thüringer Gesundheitsministerium gestern. Am 7. Januar wollen die Länder dann mit dem Pharmakonzern die Mengen neu aushandeln. Bei der Bestellung von 50 Millionen Impfdosen sei man noch von einer Zweifachimpfung ausgegangen; angesichts der milden Verläufe der Krankheit sei dies jedoch nicht notwendig. Thüringen sitzt bis zum Jahreswechsel der Gesundheitsministerkonferenz vor, danach wird Niedersachsen übernehmen.
Am Telefon begrüße ich den hessischen Gesundheitsminister Jürgen Banzer von der CDU. Guten Tag, Herr Banzer.
Jürgen Banzer: Guten Tag!
Breker: Herr Banzer, sind auch Sie dabei? Braucht Hessen auch nur die Hälfte der bestellten Impfdosen?
Banzer: Unser Ziel war wie bei jeder Pandemie, dass man Impfstoff für 30 Prozent der Bevölkerung vorrätig hat. Es gibt Erfahrungswerte bei großen Seuchen, dass dann interessanterweise, auch wenn es eine ganz gefährliche und leicht ansteckende Seuche ist, immer nur so zirka 30 Prozent der Bevölkerung ergriffen werden. Die anderen sind entweder immun, oder werden eben nicht angesteckt. Deswegen ist diese Zielgröße 30 Prozent immer unsere Zielgröße gewesen.
Wir hatten zu Anfang gedacht, dass wir für diese 30 Prozent Durchimpfung der Bevölkerung zwei Impfungen brauchen. Nun hat sich herausgestellt, dass eine Impfung reicht, weil die ausreichend immunisiert. Und da wir ja nicht das Ziel hatten, eine Menge von Impfstoff zu bestellen, sondern das Ziel hatten, Impfstoff für 30 Prozent der Bevölkerung zu haben, haben wir Gespräche mit der Herstellerfirma aufgenommen, um mit dieser Begründung und diesen Argumenten dafür Verständnis zu erwerben, dass wir auch nur die 30 Prozent brauchen. Das ist die Hälfte der bisher diskutierten Impfdosen.
Breker: Genau die Hälfte. Und am 7. Januar werden Sie dabei sein, werden mit dem Pharmakonzern verhandeln. Kommen Sie denn aus den Lieferverträgen so ohne Weiteres heraus, Herr Banzer?
Banzer: Diese Frage, das ist halt typisch für Verträge, die eine juristische Grundlage hatten. Die hatten nämlich die Grundlage, 30 Prozent zu impfen. Nachdem sich nun die Grundlage verändert hat, sind die Verträge anzupassen. Das wird schon eine interessante, auch juristische Diskussion sein. Es geht dabei natürlich auch um dauerhafte Vertragsbeziehungen. Ich will diesen Gesprächen nicht vorgreifen.
Breker: Aber es könnte den Steuerzahler mehr Geld kosten als die einfache Impfdosis für 30 Prozent der Bürger in Hessen?
Banzer: Wie das finanziell ausgeht, müssen wir abwarten. Aber wenn ich eine Autoversicherung abschließe – und eine Impfung ist wie eine Versicherung -, dann ärgere ich mich nachher auch nicht, wenn ich keinen Unfall hatte, und genauso ist das auch hier. Diese Sicherheit der Bevölkerung hat uns Geld gekostet, wird uns Geld kosten. Wenn am Ende der gesamten Erkrankungswelle wir Ergebnisse haben, wie wir sie heute haben, dann nehme ich gerne die Kosten dafür in Kauf.
Breker: Werden denn überhaupt die 30 Prozent, die Sie als Zielgröße zu Beginn der Pandemie, von der angedachten Pandemie angenommen haben, erreicht? Sind in Hessen 30 Prozent der Menschen geimpft?
Banzer: Nein, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicher nicht. Wir hätten auch noch nicht genug Impfstoff, um die 30 Prozent zu impfen. Wir haben noch nicht eine Gesamtabrechnung der Hausärzte, noch nicht die Gesamtabwicklung und Abrechnung der Gesundheitsämter. Wir gehen davon aus, dass wir gegenwärtig irgendwo zwischen 6 bis 10 Prozent der hessischen Bevölkerung geimpft haben.
Breker: Das ist das Gleiche, was derzeit in Hamburg zu beobachten ist. Knapp 100.000 Hamburger haben sich impfen lassen. Der Impfstoff, den Hamburg hat, der ist schon vorhanden und der wird wahrscheinlich verlustig gehen.
Banzer: Die Haltbarkeit des Impfstoffs ist ja erheblich länger. Die Hoffnung, dass die Schweinegrippe schon hinter uns liegt, ist eine, die ich gerne mithege, aber daran kann ich nicht glauben, weil nach allen Erfahrungen, die wir bisher mit diesen Grippewellen hatten, müssen wir damit rechnen, dass Ende Januar, Anfang Februar es zu einer weiteren, eigentlich der eigentlichen Spitze im Bereich dieser Erkrankung kommt, und es ist nicht einmal sichergestellt, ob nicht einmal rund um den Globus es uns nicht noch mal zum dritten Male ereilt. Deswegen bin ich auch mit einem Gesamtbilanzieren noch etwas zurückhaltend. Ich sage es noch mal: Wenn 12.000 vor allem jüngere Menschen sterben und wir in Deutschland bisher so glimpflich weggekommen sind, dann gehöre ich nicht zu denen, die das bedauern und sagen, da haben wir uns halt getäuscht, sondern dann muss ich sagen, ich habe nicht das Recht als Gesundheitsminister, darauf zu wetten, dass es schon gut geht, sondern als Gesundheitsminister habe ich die Verantwortung, auf Nummer sicher zu gehen, und das sind wir gegangen. Ich nehme da gerne nachher Kritik entgegen. Wenn das Ergebnis aber so ist wie jetzt, bin ich trotzdem zufrieden.
Breker: Um das noch mal festzuhalten, Herr Banzer: Das Robert-Koch-Institut in Berlin gibt die Zahl der bundesweiten Schweinegrippefälle mit 210.000 an und 132 Menschen, die an dieser Grippe gestorben sind. Das ist bei einer 80-Millionen-Bevölkerung wahrlich wenig.
Banzer: Ja, Gott sei Dank wenig. Jeder Einzelne ist natürlich einer zu viel. Angesichts der Zahlen, die wir weltweit sehen, muss ich auch sagen, sind wir bisher ganz gut weggekommen.
Breker: Herr Banzer, nun ist es so, dass es die Kritik an der Politik ja schon gibt. Etwa Transparency sagt, Politik und auch Öffentlichkeit seien den Pharmakonzernen bei der Schweinegrippe auf den Leim gegangen, die Gefahr wurde heillos überschätzt. Was sagen Sie den Kritikern?
Banzer: Ich bin Politiker und nicht Wissenschaftler. Wir haben die Weltgesundheitsorganisation, wir haben das Robert-Koch-Institut, wir haben das Paul-Ehrlich-Institut, alles Professoren, Wissenschaftler, die sich intensiv mit dieser Frage beschäftigen. Die haben uns diesen dringenden Rat gegeben. Ich halte es für unverantwortlich zu behaupten, dass ich als Politiker schlauer bin als die, die sich damit ihr Leben lang beschäftigt haben. Die Ärzte, die jetzt tote Schweinegrippe-Erkrankte obduzieren, berichten auch, wie aggressiv dieser Virus ist, dass er eben nicht vergleichbar ist mit dem normalen saisonalen Grippevirus. Ich sage es in aller Gelassenheit: Ich habe von Anfang an davor gewarnt, das zu dramatisieren, aber ich gehöre schon zu denen, die das nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern es weiterhin ernst nehmen, auch nicht sagen, es ist schon Grund zur Entwarnung. Deswegen glaube ich auch, dass es nicht berechtigt ist zu sagen, Politiker sind auf den Leim gegangen, weil ich habe doch gar nicht das Recht zu entscheiden und zu wägen, wer denn jetzt recht haben könnte, sondern im Zweifel muss ich doch für die Gesundheit und für die Sicherheit agieren. Bei einer so schwierigen Station, die wir hatten, bei einer klaren, eindeutigen Informationslage, war es einfach verantwortlich und notwendig, dass wir diese Impfaktion ausgerufen haben, und ich sage es noch einmal: Andere Staaten, bei denen es deutlich mehr Tote gegeben hat, diskutieren dieses Thema sehr viel kritischer, aber mit fürchterlicherem und schlechterem Ergebnis als wir. Das war mir eigentlich von Anfang an klar. Wenn wir es gut hinkriegen, bekommen wir eine Diskussion, wir hätten vielleicht zu laut Alarm geschlagen, aber die Alternative wäre gewesen, Politik hat es verschlafen, hat die Sache nicht ernst genug genommen, und wir haben nachher ein großes Problem oder große menschliche Schäden, und da glaube ich, von den beiden Wegen – einer von beiden musste sich ergeben – ist mir dieser Weg, wie er jetzt eingeschlagen werden muss und wie er jetzt diskutiert wird, der liebere.
Breker: Der hessische Gesundheitsminister Jürgen Banzer war das in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Herr Banzer, danke für dieses Gespräch.
Banzer: Bitte sehr!
Am Telefon begrüße ich den hessischen Gesundheitsminister Jürgen Banzer von der CDU. Guten Tag, Herr Banzer.
Jürgen Banzer: Guten Tag!
Breker: Herr Banzer, sind auch Sie dabei? Braucht Hessen auch nur die Hälfte der bestellten Impfdosen?
Banzer: Unser Ziel war wie bei jeder Pandemie, dass man Impfstoff für 30 Prozent der Bevölkerung vorrätig hat. Es gibt Erfahrungswerte bei großen Seuchen, dass dann interessanterweise, auch wenn es eine ganz gefährliche und leicht ansteckende Seuche ist, immer nur so zirka 30 Prozent der Bevölkerung ergriffen werden. Die anderen sind entweder immun, oder werden eben nicht angesteckt. Deswegen ist diese Zielgröße 30 Prozent immer unsere Zielgröße gewesen.
Wir hatten zu Anfang gedacht, dass wir für diese 30 Prozent Durchimpfung der Bevölkerung zwei Impfungen brauchen. Nun hat sich herausgestellt, dass eine Impfung reicht, weil die ausreichend immunisiert. Und da wir ja nicht das Ziel hatten, eine Menge von Impfstoff zu bestellen, sondern das Ziel hatten, Impfstoff für 30 Prozent der Bevölkerung zu haben, haben wir Gespräche mit der Herstellerfirma aufgenommen, um mit dieser Begründung und diesen Argumenten dafür Verständnis zu erwerben, dass wir auch nur die 30 Prozent brauchen. Das ist die Hälfte der bisher diskutierten Impfdosen.
Breker: Genau die Hälfte. Und am 7. Januar werden Sie dabei sein, werden mit dem Pharmakonzern verhandeln. Kommen Sie denn aus den Lieferverträgen so ohne Weiteres heraus, Herr Banzer?
Banzer: Diese Frage, das ist halt typisch für Verträge, die eine juristische Grundlage hatten. Die hatten nämlich die Grundlage, 30 Prozent zu impfen. Nachdem sich nun die Grundlage verändert hat, sind die Verträge anzupassen. Das wird schon eine interessante, auch juristische Diskussion sein. Es geht dabei natürlich auch um dauerhafte Vertragsbeziehungen. Ich will diesen Gesprächen nicht vorgreifen.
Breker: Aber es könnte den Steuerzahler mehr Geld kosten als die einfache Impfdosis für 30 Prozent der Bürger in Hessen?
Banzer: Wie das finanziell ausgeht, müssen wir abwarten. Aber wenn ich eine Autoversicherung abschließe – und eine Impfung ist wie eine Versicherung -, dann ärgere ich mich nachher auch nicht, wenn ich keinen Unfall hatte, und genauso ist das auch hier. Diese Sicherheit der Bevölkerung hat uns Geld gekostet, wird uns Geld kosten. Wenn am Ende der gesamten Erkrankungswelle wir Ergebnisse haben, wie wir sie heute haben, dann nehme ich gerne die Kosten dafür in Kauf.
Breker: Werden denn überhaupt die 30 Prozent, die Sie als Zielgröße zu Beginn der Pandemie, von der angedachten Pandemie angenommen haben, erreicht? Sind in Hessen 30 Prozent der Menschen geimpft?
Banzer: Nein, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicher nicht. Wir hätten auch noch nicht genug Impfstoff, um die 30 Prozent zu impfen. Wir haben noch nicht eine Gesamtabrechnung der Hausärzte, noch nicht die Gesamtabwicklung und Abrechnung der Gesundheitsämter. Wir gehen davon aus, dass wir gegenwärtig irgendwo zwischen 6 bis 10 Prozent der hessischen Bevölkerung geimpft haben.
Breker: Das ist das Gleiche, was derzeit in Hamburg zu beobachten ist. Knapp 100.000 Hamburger haben sich impfen lassen. Der Impfstoff, den Hamburg hat, der ist schon vorhanden und der wird wahrscheinlich verlustig gehen.
Banzer: Die Haltbarkeit des Impfstoffs ist ja erheblich länger. Die Hoffnung, dass die Schweinegrippe schon hinter uns liegt, ist eine, die ich gerne mithege, aber daran kann ich nicht glauben, weil nach allen Erfahrungen, die wir bisher mit diesen Grippewellen hatten, müssen wir damit rechnen, dass Ende Januar, Anfang Februar es zu einer weiteren, eigentlich der eigentlichen Spitze im Bereich dieser Erkrankung kommt, und es ist nicht einmal sichergestellt, ob nicht einmal rund um den Globus es uns nicht noch mal zum dritten Male ereilt. Deswegen bin ich auch mit einem Gesamtbilanzieren noch etwas zurückhaltend. Ich sage es noch mal: Wenn 12.000 vor allem jüngere Menschen sterben und wir in Deutschland bisher so glimpflich weggekommen sind, dann gehöre ich nicht zu denen, die das bedauern und sagen, da haben wir uns halt getäuscht, sondern dann muss ich sagen, ich habe nicht das Recht als Gesundheitsminister, darauf zu wetten, dass es schon gut geht, sondern als Gesundheitsminister habe ich die Verantwortung, auf Nummer sicher zu gehen, und das sind wir gegangen. Ich nehme da gerne nachher Kritik entgegen. Wenn das Ergebnis aber so ist wie jetzt, bin ich trotzdem zufrieden.
Breker: Um das noch mal festzuhalten, Herr Banzer: Das Robert-Koch-Institut in Berlin gibt die Zahl der bundesweiten Schweinegrippefälle mit 210.000 an und 132 Menschen, die an dieser Grippe gestorben sind. Das ist bei einer 80-Millionen-Bevölkerung wahrlich wenig.
Banzer: Ja, Gott sei Dank wenig. Jeder Einzelne ist natürlich einer zu viel. Angesichts der Zahlen, die wir weltweit sehen, muss ich auch sagen, sind wir bisher ganz gut weggekommen.
Breker: Herr Banzer, nun ist es so, dass es die Kritik an der Politik ja schon gibt. Etwa Transparency sagt, Politik und auch Öffentlichkeit seien den Pharmakonzernen bei der Schweinegrippe auf den Leim gegangen, die Gefahr wurde heillos überschätzt. Was sagen Sie den Kritikern?
Banzer: Ich bin Politiker und nicht Wissenschaftler. Wir haben die Weltgesundheitsorganisation, wir haben das Robert-Koch-Institut, wir haben das Paul-Ehrlich-Institut, alles Professoren, Wissenschaftler, die sich intensiv mit dieser Frage beschäftigen. Die haben uns diesen dringenden Rat gegeben. Ich halte es für unverantwortlich zu behaupten, dass ich als Politiker schlauer bin als die, die sich damit ihr Leben lang beschäftigt haben. Die Ärzte, die jetzt tote Schweinegrippe-Erkrankte obduzieren, berichten auch, wie aggressiv dieser Virus ist, dass er eben nicht vergleichbar ist mit dem normalen saisonalen Grippevirus. Ich sage es in aller Gelassenheit: Ich habe von Anfang an davor gewarnt, das zu dramatisieren, aber ich gehöre schon zu denen, die das nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern es weiterhin ernst nehmen, auch nicht sagen, es ist schon Grund zur Entwarnung. Deswegen glaube ich auch, dass es nicht berechtigt ist zu sagen, Politiker sind auf den Leim gegangen, weil ich habe doch gar nicht das Recht zu entscheiden und zu wägen, wer denn jetzt recht haben könnte, sondern im Zweifel muss ich doch für die Gesundheit und für die Sicherheit agieren. Bei einer so schwierigen Station, die wir hatten, bei einer klaren, eindeutigen Informationslage, war es einfach verantwortlich und notwendig, dass wir diese Impfaktion ausgerufen haben, und ich sage es noch einmal: Andere Staaten, bei denen es deutlich mehr Tote gegeben hat, diskutieren dieses Thema sehr viel kritischer, aber mit fürchterlicherem und schlechterem Ergebnis als wir. Das war mir eigentlich von Anfang an klar. Wenn wir es gut hinkriegen, bekommen wir eine Diskussion, wir hätten vielleicht zu laut Alarm geschlagen, aber die Alternative wäre gewesen, Politik hat es verschlafen, hat die Sache nicht ernst genug genommen, und wir haben nachher ein großes Problem oder große menschliche Schäden, und da glaube ich, von den beiden Wegen – einer von beiden musste sich ergeben – ist mir dieser Weg, wie er jetzt eingeschlagen werden muss und wie er jetzt diskutiert wird, der liebere.
Breker: Der hessische Gesundheitsminister Jürgen Banzer war das in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Herr Banzer, danke für dieses Gespräch.
Banzer: Bitte sehr!