Friedbert Meurer: Früher gab es das vorwiegend nur in den USA, inzwischen blicken wir hier in Deutschland auch schon auf eine traurige Serie von Amokläufen zurück. Heute wird das Urteil in einem weiteren Fall erwartet, nämlich dem von Ansbach im September 2009, nicht allzu lange her. Tote gab es glücklicherweise nicht, aber mehrere Verletzte. Der Amokläufer hat überlebt, er war mit Axt, Messern und Brandsätzen gegen Schüler und Lehrer vorgegangen und hat sie teilweise schwer verletzt. Das Besondere an dem Prozess heute: Der 18-jährige Amokläufer Georg R. hat überlebt und damit ist das der erste Prozess gegen einen Schulamokläufer in Deutschland überhaupt. – Britta Bannenberg ist Kriminologin an der Universität Gießen. Guten Morgen, Frau Bannenberg.
Britta Bannenberg: Guten Morgen.
Meurer: Der Täter hat vor Gericht ausgesagt, die Öffentlichkeit war nicht zugelassen. Was er gesagt hat, wissen wir durch eine Gerichtssprecherin. Was haben Sie bisher aus diesem Fall an Erkenntnissen über Amokläufer gewinnen können?
Bannenberg: Ich muss Sie zunächst sanft korrigieren. Es ist nicht der erste Fall eines Täters, der überlebt hat. Die bisherigen Verhandlungen waren Jugendverfahren und die waren alle nicht öffentlich. Als Forscher hat man zu diesen Akten Zugang und deshalb sind mir diese Dinge natürlich sehr vertraut und wir sehen Parallelen, natürlich Hass auf die Mitschüler, Hass auf die Lehrer, der sich steigert zum Hass auf die gesamte Institution Schule und damit auf die Gesellschaft, eine extreme Empfindsamkeit, was eigene Kränkungen angeht, und ein nicht verständlicher Hass, der sich da dann langsam, aber sicher aufgestaut hat, über lange Zeit angesammelt hat, Waffenarsenale, die dann gehortet werden. Wenn diese Täter nicht auf Schusswaffen zugreifen können, dann greifen sie auf Sprengmittel zurück, oder sie benutzen eben Hieb- und Stichwaffen. Das ist auch in anderen Fällen schon vorgekommen.
Meurer: Der Täter in Ansbach hat vorher drei Suizidversuche unternommen. Ist das üblich, dass es vorher schon Selbstmordversuche gab?
Bannenberg: Typisch ist zumindest diese Kombination von Suizidgedanken und der Vorstellung, dass man dann noch sehr viele Menschen mitnimmt, töten wird und diese Mehrfachtötung in Verbindung mit einem Suizid ausübt. Es handelt sich dabei höchst wahrscheinlich nicht um die Krankheit Depression mit anschließendem Suizid, sondern meistens um narzisstisch gestörte Persönlichkeiten, die durchaus Phasen der Trauer und tiefen Verzweiflung haben, wo sie ja dann auch ihr eigenes Leben selbst wegwerfen wollen, aber eben auch diese Fremdaggressionen entwickeln und sagen, und ihr seid alle Schuld daran, dass es mir so schlecht geht.
Meurer: Der Amokläufer Georg R. hat gesagt, er bewundere andere Amokläufer für ihren "geraden, klaren Weg". Welche Rolle spielt das Vorbild anderer Amokläufer für junge Männer?
Bannenberg: Leider eine ganz große, denn das ist genau der Grund, weshalb wir wahrscheinlich diese Häufungen natürlich relativen Maßstabs sehen. Es sind ja seltene Taten, aber es gibt gewisse Häufungen, die mit Nachahmungseffekten zu tun haben. Diese Täter wollen auch mit der Tat berühmt werden, selbst wenn sie danach sterben, und sie nehmen durchaus in Kauf, dass letztlich diese schreckliche Tat ihnen zu dieser Berühmtheit verhilft. Sie recherchieren im Internet über vergangene Taten, Amoktaten sehr speziell, aber auch über Attentate und andere Serien- und Massenmorde. Sie tauschen sich auch aus mit Gleichgesinnten. Es gibt natürlich Websites, die solche Dinge auch noch sehr positiv darstellen, und das sind alles Verstärker für diese ohnehin schon kruden Ideen dieser Täter.
Meurer: Diese Websites, werden die kontrolliert?
Bannenberg: Kontrollieren Sie einmal Websites. Das ist ein sehr uferloses Kapitel. Da kann man wenig tun!
Meurer: Der Täter hatte jetzt während des Verfahrens auch gesagt, er empfinde kein Mitleid, allenfalls manchmal Scham. Ist das eine Form von Selbstschutz, dass er das sagt?
Bannenberg: Nein. Das ist auch sehr typisch und Teil dieser Persönlichkeitsstörung. Diese Täter empfinden keine Empathie, kein Mitleid, haben aber auch überhaupt kein Gefühl für andere Menschen und damit auch nicht für die Opfer. Es interessiert sie im Grunde nur ein Mensch, und das sind sie selbst, und das ist eine langjährige Entwicklung hin zu dieser Sicht, hat natürlich mit familiären Aufwachsensbedingungen zu tun, aber eben auch ihrem Störungsbild, wo sie selbst im Vordergrund stehen.
Meurer: Der Amokläufer von Ansbach hatte, ich glaube, einer Deutschlehrerin vorgeschlagen, er wolle ein Referat über Amokläufe schreiben. Da hat die Lehrerin gesagt, das lasse ich nicht zu, ein anderer Kollege hat dem wohl zugestimmt. Hätten da alle Alarmglocken klingeln müssen?
Bannenberg: Es hätten zumindest Alarmglocken klingeln müssen, denn das ist wieder ein sehr typisches Anzeichen, dass wir sehen, da beschäftigt sich ein Mensch jetzt intensiv mit diesem Thema. Es kann natürlich Schüler geben, bei denen das nicht problematisch ist, die sich wirklich dafür interessieren, aber wenn man dieses Interesse als Lehrer bemerkt und zusätzlich einen sehr stark zurückgezogenen Lebensstil, eigentlich eine Persönlichkeit, die überhaupt nicht zugänglich ist, einen Schüler, zu dem man keinen Kontakt hat, dann sollten wirklich Alarmglocken schrillen. Man sollte auch heute möglichst frühzeitig entweder die Polizei einschalten, oder sich eben Rat suchen, denn viele Fachleute sind informiert über diese Anzeichen. Dann kann man den Einzelfall prüfen und klären und auch den Schüler intensiver konfrontieren mit diesen Wünschen.
Meurer: Das war die Kriminologin Britta Bannenberg von der Universität Gießen vor dem Urteil heute vor dem Landesgericht Ansbach. Danke schön, Frau Bannenberg. Auf Wiederhören!
Bannenberg: Ja, bitte. Tschüss!
Britta Bannenberg: Guten Morgen.
Meurer: Der Täter hat vor Gericht ausgesagt, die Öffentlichkeit war nicht zugelassen. Was er gesagt hat, wissen wir durch eine Gerichtssprecherin. Was haben Sie bisher aus diesem Fall an Erkenntnissen über Amokläufer gewinnen können?
Bannenberg: Ich muss Sie zunächst sanft korrigieren. Es ist nicht der erste Fall eines Täters, der überlebt hat. Die bisherigen Verhandlungen waren Jugendverfahren und die waren alle nicht öffentlich. Als Forscher hat man zu diesen Akten Zugang und deshalb sind mir diese Dinge natürlich sehr vertraut und wir sehen Parallelen, natürlich Hass auf die Mitschüler, Hass auf die Lehrer, der sich steigert zum Hass auf die gesamte Institution Schule und damit auf die Gesellschaft, eine extreme Empfindsamkeit, was eigene Kränkungen angeht, und ein nicht verständlicher Hass, der sich da dann langsam, aber sicher aufgestaut hat, über lange Zeit angesammelt hat, Waffenarsenale, die dann gehortet werden. Wenn diese Täter nicht auf Schusswaffen zugreifen können, dann greifen sie auf Sprengmittel zurück, oder sie benutzen eben Hieb- und Stichwaffen. Das ist auch in anderen Fällen schon vorgekommen.
Meurer: Der Täter in Ansbach hat vorher drei Suizidversuche unternommen. Ist das üblich, dass es vorher schon Selbstmordversuche gab?
Bannenberg: Typisch ist zumindest diese Kombination von Suizidgedanken und der Vorstellung, dass man dann noch sehr viele Menschen mitnimmt, töten wird und diese Mehrfachtötung in Verbindung mit einem Suizid ausübt. Es handelt sich dabei höchst wahrscheinlich nicht um die Krankheit Depression mit anschließendem Suizid, sondern meistens um narzisstisch gestörte Persönlichkeiten, die durchaus Phasen der Trauer und tiefen Verzweiflung haben, wo sie ja dann auch ihr eigenes Leben selbst wegwerfen wollen, aber eben auch diese Fremdaggressionen entwickeln und sagen, und ihr seid alle Schuld daran, dass es mir so schlecht geht.
Meurer: Der Amokläufer Georg R. hat gesagt, er bewundere andere Amokläufer für ihren "geraden, klaren Weg". Welche Rolle spielt das Vorbild anderer Amokläufer für junge Männer?
Bannenberg: Leider eine ganz große, denn das ist genau der Grund, weshalb wir wahrscheinlich diese Häufungen natürlich relativen Maßstabs sehen. Es sind ja seltene Taten, aber es gibt gewisse Häufungen, die mit Nachahmungseffekten zu tun haben. Diese Täter wollen auch mit der Tat berühmt werden, selbst wenn sie danach sterben, und sie nehmen durchaus in Kauf, dass letztlich diese schreckliche Tat ihnen zu dieser Berühmtheit verhilft. Sie recherchieren im Internet über vergangene Taten, Amoktaten sehr speziell, aber auch über Attentate und andere Serien- und Massenmorde. Sie tauschen sich auch aus mit Gleichgesinnten. Es gibt natürlich Websites, die solche Dinge auch noch sehr positiv darstellen, und das sind alles Verstärker für diese ohnehin schon kruden Ideen dieser Täter.
Meurer: Diese Websites, werden die kontrolliert?
Bannenberg: Kontrollieren Sie einmal Websites. Das ist ein sehr uferloses Kapitel. Da kann man wenig tun!
Meurer: Der Täter hatte jetzt während des Verfahrens auch gesagt, er empfinde kein Mitleid, allenfalls manchmal Scham. Ist das eine Form von Selbstschutz, dass er das sagt?
Bannenberg: Nein. Das ist auch sehr typisch und Teil dieser Persönlichkeitsstörung. Diese Täter empfinden keine Empathie, kein Mitleid, haben aber auch überhaupt kein Gefühl für andere Menschen und damit auch nicht für die Opfer. Es interessiert sie im Grunde nur ein Mensch, und das sind sie selbst, und das ist eine langjährige Entwicklung hin zu dieser Sicht, hat natürlich mit familiären Aufwachsensbedingungen zu tun, aber eben auch ihrem Störungsbild, wo sie selbst im Vordergrund stehen.
Meurer: Der Amokläufer von Ansbach hatte, ich glaube, einer Deutschlehrerin vorgeschlagen, er wolle ein Referat über Amokläufe schreiben. Da hat die Lehrerin gesagt, das lasse ich nicht zu, ein anderer Kollege hat dem wohl zugestimmt. Hätten da alle Alarmglocken klingeln müssen?
Bannenberg: Es hätten zumindest Alarmglocken klingeln müssen, denn das ist wieder ein sehr typisches Anzeichen, dass wir sehen, da beschäftigt sich ein Mensch jetzt intensiv mit diesem Thema. Es kann natürlich Schüler geben, bei denen das nicht problematisch ist, die sich wirklich dafür interessieren, aber wenn man dieses Interesse als Lehrer bemerkt und zusätzlich einen sehr stark zurückgezogenen Lebensstil, eigentlich eine Persönlichkeit, die überhaupt nicht zugänglich ist, einen Schüler, zu dem man keinen Kontakt hat, dann sollten wirklich Alarmglocken schrillen. Man sollte auch heute möglichst frühzeitig entweder die Polizei einschalten, oder sich eben Rat suchen, denn viele Fachleute sind informiert über diese Anzeichen. Dann kann man den Einzelfall prüfen und klären und auch den Schüler intensiver konfrontieren mit diesen Wünschen.
Meurer: Das war die Kriminologin Britta Bannenberg von der Universität Gießen vor dem Urteil heute vor dem Landesgericht Ansbach. Danke schön, Frau Bannenberg. Auf Wiederhören!
Bannenberg: Ja, bitte. Tschüss!