Birgid Becker: Neuer Höhepunkt im Dieselskandal des VW-Konzerns: Die Münchner Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen Audi-Chef Rupert Stadler eingeleitet. Stadler ist seit elf Jahren Audi-Chef. Zur Sicherung von Beweismaterial seien die Privatwohnungen von Stadler und dem nicht genannten Vorstandsmitglied durchsucht worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Was konkret wird Stadler denn vorgeworfen?
Silke Hahne: Stadler sowie einem weiteren Audi-Vorstand wird einerseits Betrug vorgeworfen, andererseits die sogenannten "mittelbare Falschbeurkundung". Das bedeutet, dass jemand eine falsche Erklärung gegenüber einer öffentlichen Behörde abgegeben hat, in deren Konsequenz dann eine behördliche Urkunde ausgestellt wurde. Bei diesem zweiten Punkt könnte es um die Ausstellung der Typengenehmigung für Audi-Pkw durch das Kraftfahrtbundesamt gehen. Das KBA ist für die Zulassung von Autos zuständig und hat auch einige Autos zugelassen, die eine illegale Software verbaut hatten. So konkret hat die Staatsanwaltschaft das zwar nicht gesagt, aber immerhin so viel: Es gehe um den Vorwurf, dass Dieselfahrzeuge mit manipulierter Software zur Abgassteuerung auf den europäischen Markt gebracht wurden. Es gab in den vergangenen Monaten schon Medienberichte, laut denen Rupert Stadler durch Zeugenaussagen belastet wurde, es aber keine ausreichenden Beweise gebe, um offiziell gegen ihn zu ermitteln. Das scheint sich nun also geändert zu haben.
Becker: Was spricht dafür, Stadler im Amt zu lassen?
Hahne: Loyalität. Stadler ist seit 2007 Audi-Chef und gilt als Schützling der Eigentümer-Familien Porsche und Piëch. Aber im Abgasskandal hat er bisher wirklich eine extrem unglückliche Figur gemacht: Erst hatte Audi beteuert, keine illegale Software verbaut zu haben – dann musste der Konzern zurück rudern. Und im Laufe der Ermittlungen hat sich dann sogar herausgestellt, dass Audi gewissermaßen die Keimzelle für den Skandal ist: Die VW-Tochter hat nämlich auch andere Marken – Volkswagen und Porsche – mit Dieselmotoren beliefert, in deren Steuerung Abschalteinrichtungen installiert waren. Es gab mehrere Razzien, die Ermittlungen wurden ausgeweitet, im Februar etwa schon auf zwei ehemalige Vorstände – also frühere Kollegen von Stadler.
Natürlich gilt auch für Stadler die Unschuldsvermutung. Es kann sein, dass die von den Ermittlern vorgebrachten Beweise gegen Stadler nicht haltbar sind oder nicht ausreichend, um eine eventuelle juristische Mitschuld nachzuweisen. Aber selbst wenn Stadler diesen massiven Betrug nicht aktiv befördert hat, fragt man sich natürlich, warum er diese Regelverstöße im eigenen Konzern nicht mitbekommen hat. Das spricht nicht gerade für ihn – dennoch haben ihm die VW-Mehrheitseigner der Familien Porsche und Piëch bisher die Stange gehalten. Die Holding Porsche SE, über die die Familien die Anteile an VW halten, wollte sich heute denn auch nicht zu den Ermittlungen äußern.