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Diesel-Autos
Umweltfreundlich, bezahlbar und Antrieb mit Zukunft?

Schon heute lässt sich mit Diesel-Autos feinstaubfrei und mit geringen CO2-Emissionen fahren, denn gesundheitsschädliche Stickoxide lassen sich mittlerweile relativ einfach aus den Abgasen herausfiltern. Ob die Diesel-Technologie langfristig eine Zukunft hat, ist dennoch fraglich.

Von Tobias Krone | 01.08.2017
    Anzeige einer Tankstelle in Hamburg
    Solange es Benzin-Autos gebe, mache auch Diesel-Antrieb Sinn, glauben Experten. (picture alliance / dpa / Foto: Daniel Reinhardt)
    Das Auto der Zukunft mit einem feinstaub- und stickoxidfreien Dieselmotor ist möglich. Denn auch schon manche Dieselautos der Gegenwart sind vergleichsweise sauber. Partikelfilter gegen den Feinstaub sind seit zehn Jahren die Norm, und auch der Ausstoß von gesundheitsschädlichem Stickoxid lässt sich mit der bisherigen Technik in den Griff bekommen.
    "Es geht natürlich, wir haben ja auch schon fünf Fahrzeuge gemessen, die auf der Straße den Grenzwert einhalten. Das heißt, die Technik ist vorhanden. Sie muss nur eingesetzt werden."
    Axel Friedrich war bis 2008 beim Umweltbundesamt für Verkehr zuständig. Die von ihm mitgegründete Umweltorganisation International Council on Clean Transportation, kurz ICCT, brachte mit ihren Messungen den VW-Dieselskandal in den USA ins Rollen. Und sie hat mittlerweile auch Dieselmotoren identifiziert, die kein Stickoxid in die Luft blasen. Sie alle haben einen SCR-Filter – das Kürzel für "selektiv katalysierende Reduktion". Zusätzlich zu Diesel tanken diese Autos eine Harnstofflösung mit dem Markennamen Ad Blue. Thomas Koch, Professor für Motorentechnik am Karlsruher Institut für Technologie erklärt, was dann im Filter passiert.
    "Und diese wässrige Harnstofflösung wird eingespritzt und bei Temperaturen oberhalb von etwa 200 Grad Celsius reagiert die zunächst zu Ammoniak, und die Ammoniak-Moleküle reagieren mit den Stickoxid-Molekülen zu Wasser und Stickstoff."
    Der SCR-Filter macht nicht nur das Stickoxid unschädlich, er verringert auch den Kohlenstoffdioxid-Anteil. Axel Friedrich vom ICCT.
    "Wir haben das untersucht damals, und es waren etwa fünf bis sieben Prozent weniger CO2-Emissionen mit SCR-Katalysatoren als ohne."
    Ein Vorteil wird zum Problem
    Doch diesen CO2-Vorteil haben nur die neuesten Automodelle, bei denen der Dieselmotor direkt mit dem SCR-Filter gekoppelt ist. Denn damit der Filterprozess in Gang kommt, braucht der Katalysator mehr als 200 Grad. Ein Vorteil des Diesels wird hier zum Problem. Thomas Koch.
    "Der Diesel ist wahnsinnig effizient, er benötigt also wenig Kraftstoff pro Verbrennung, dadurch hat er eine kältere Abgastemperatur als ein Ottomotor – oftmals unter 200 Grad Celsius, und dann darf man das AdBlue eben nicht einspritzen."
    Damit also der Katalysator immer arbeiten kann und es konstant warm hat, mussten die Motorenentwickler ihn direkt mit dem Motor koppeln. Und damit den Raum unter der Motorhaube neu konzipieren. Der Motorexperte Thomas Koch, der selbst früher für Daimler Motoren mitentwickelte, spricht von einer großen Leistung der Autoentwickler.
    "Das waren Mammutherausforderungen!"
    Die neuen Motoren haben einen Nachteil
    Doch die neuen Motoren haben einen Nachteil. Sie sind erheblich teurer als ohne Filter.
    "Es ist natürlich gerade für Kompaktklasse-Fahrzeuge in einem VW-Polo-Opel-Corsa-Segment ein teurer Extra-Kostenbaustein in der Größenordnung von einigen Hundert bis Tausend Euro. Und die sind natürlich in einem preissensiblen Segment schmerzhaft."
    Kritik an Förder-Ideen
    Was also tun, damit sich möglichst alle die neuen, sauberen Dieselmodelle kaufen können? Ein Vorschlag kam von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer: Der Staat könne den Mehrpreis übernehmen. Axel Friedrich lehnt diese Idee ab.
    "Wieso soll ich den Herstellern was fördern, was sie eigentlich vom Gesetz her machen müssen? Dieser Vorschlag, der gekommen ist, unter anderem von Herrn Seehofer, der ist ja absolut abstrus. Wenn ich als Radfahrer auf einmal die Autofahrer unterstützen soll – das kann ja wohl nicht wahr sein."
    Auch Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland, kurz VCD, ist nicht dafür, stickoxidarme Verbrennungsmotoren zu fördern. Auf dem freien Markt werde demnächst ein ganz anderer Motor rentabel.
    "Aus wirtschaftlicher Sicht muss man auch sehen: Was sind denn die Alternativen? Es wird ja immer mit dem Elektroauto verglichen. Und das ist derzeit noch deutlich teurer, aber es gibt verschiedene Untersuchungen, Studien, die zeigen, dass also bis Mitte der 2020er-Jahre die Preise für Elektroautos so weit runtergehen, dass sie konkurrenzfähig zum Verbrennungsmotor sind."
    Die Fakten in anderen Ländern sprechen gegen den Diesel
    Lohnt es sich also noch in den Verbrennungsmotor zu investieren? Als Verbraucher? Für den VCD sprechen die Fakten in anderen Ländern gegen den Diesel: Etwa die Elektro-Auto-Quote, die bald in China eingeführt wird. Motoren-Experte Thomas Koch aber ist überzeugt, dass gerade bei großen Fahrzeugen der Diesel bis über das Jahr 2050 hinaus Bestand haben wird. Wer den Diesel abschaffen wolle, müsse auch ein Problem bei der Herstellung von Benzin beachten.
    "Den Diesel brauchen wir auf jeden Fall auch deshalb, weil beim Raffinationsprozess in den Raffinerien nicht nur kurzkettige, sondern eben auch langkettige Kohlenwasserstoffe im Destillationsprozess anfallen, die wir eben auch nutzen müssen. Das heißt, wir haben in etwa zu gleichen Teilen ottomotorischen wie dieselmotorischen Kraftstoff, der anfällt. Mit dem wir natürlich auch was machen müssen."
    Zugespitzt formuliert: Solange es Benzin-Autos gibt, macht auch der Diesel-Antrieb Sinn. Doch Verbrennungsmotoren werden dieser Tage generell infrage gestellt. Großbritannien will es 2040 ganz verbieten – und auch in Deutschland werden die Stimmen nach einer radikalen Umstellung auf E-Mobilität lauter.