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Diesel-Fahrverbote in Innenstädten
"Ein Problem, das uns die Politiker eingebrockt haben"

Fahrverbote für Dieselfahrzeuge seien angesichts der Luftbelastung in deutschen Innenstädten sehr wahrscheinlich, sagte der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer im Dlf. "Wer in einer Großstadt lebt, sollte überlegen, den Diesel zu verkaufen". Die Politik habe es zu lange versäumt, aktiv zu werden.

Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit Sarah Zerback | 28.06.2017
    Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
    Auf der ganzen Welt boomt die Elektromobilität und wir "fahren wirklich hinterher", urteilt Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Sarah Zerback: Ein mögliches Fahrverbot für Diesel, das verunsichert und verärgert die Münchner. Darüber wollen wir sprechen mit Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. Guten Morgen, Herr Dudenhöffer.
    Ferdinand Dudenhöffer: Schönen guten Morgen!
    Zerback: Erst Stuttgart, jetzt München - da sind viele Autofahrer durch die aktuelle Diskussion verunsichert. Was raten Sie denen denn?
    Dudenhöffer: Es ist jetzt schwer, einen guten Rat zu geben. Wer wirklich in einer Großstadt wie München, Stuttgart oder vielleicht auch Düsseldorf lebt - dort muss ja auch ein Luftreinhalteplan vorgelegt werden, dort drohen auch Diesel-Fahrverbote in Belastungsgebieten - und wer wirklich jeden Tag sein Auto braucht, der sollte sich wirklich überlegen, ob er aus dem Diesel rausgeht, den Diesel verkauft. Die Preise bröckeln ja. Wenn Preise bröckeln, wenn die Aktienkurse zurückgehen, ist es immer gut, wenn man am Anfang aussteigt und nicht am Ende. Der, der es wirklich jeden Tag braucht, genau überlegen, ob er sich jetzt vom Diesel trennen will. Und derjenige, der auf dem flachen Land lebt, oder der ab und zu mal in die Stadt muss, ich glaube, der findet Alternativen. Der kann weiter fahren. Also, es kommt auf den Menschen drauf an.
    "Die Politiker haben ja gar nichts mehr zu sagen"
    Zerback: Dabei ist es ja auch noch so, dass überhaupt erst entschieden werden muss, ob Fahrverbote zulässig sind. Das hängt jetzt alles am Verwaltungsgericht Leipzig, die urteilen im Herbst. Wie wahrscheinlich sind denn solche Verbote?
    Dudenhöffer: Nach meiner Einschätzung 99,9 Prozent. Schauen Sie, es gibt im Grundgesetz das Recht des Menschen auf seine Gesundheit bei den Lebensverhältnissen. Auf der anderen Seite wissen wir, das ist ja nicht neu, in Berlin die Regierungskoalition, die weiß das, seit dem Jahr 2010 wird Deutschland abgemahnt bei Ballungszentren, dass zu hohe Stickoxid-Werte vorhanden sind. Jetzt klagt jemand und jetzt fängt man an, Aktionen zu machen und nervös zu werden. Die Luft, die kriegt man in der kurzen Zeit nicht in Ordnung, auch mit den Maßnahmen, die genannt worden sind, neue Verkehrskonzepte, Taxen umrüsten, grüne Welle, Nachrüstung. Das sind alles so Teilproblemchen. Die werden diese Sache nicht in den nächsten zwei, drei Jahren lösen. Also gehe ich davon aus, dass die Gerichte - die Politiker haben ja gar nichts mehr zu sagen, weil sie es verschlafen haben, weil sie seit sechs Jahren oder sieben Jahren nichts gemacht haben, inaktiv waren -, dass die Gerichte jetzt im Sinne des Grundgesetzes entscheiden. Das heißt, die Stadt hat den schwarzen Peter, und sie wird, weil 70 Prozent der Belastungen von Pkw-Dieseln kommen, nicht um Fahrverbote herumkommen.
    "1500 bis 2000 Euro für die Umrüstung"
    Zerback: Trotzdem ist die Lösung, die Sie jetzt gerade für wenig vielversprechend halten, die Umrüstung. Diese Ansage kommt ja unter anderem aus der Politik auch an viele Hersteller. Die Hersteller hätten das am liebsten. Wird es denn dazu kommen, dass diese wahrscheinlich auch teuren Umrüstungen gestartet werden?
    Dudenhöffer: Bei der Umrüstung wird man wieder sehen, erstens ob sie kommt, zweitens welcher Art sie sind. Dann spricht man schon wieder von Software-Updates. Ein Software-Update können Sie so machen, dass das in bestimmten Fahrzyklen dann ein bisschen besser ist, aber Sie kriegen die Stickoxide natürlich nicht raus. Wenn Sie eine komplette Umrüstung machen, dann ist das gar nicht möglich an jedem Fahrzeug, so wie es eben im Bericht genannt worden ist. Und wenn Sie es dann machen, dann müssen Sie mit 1.500 bis 2.000 Euro rechnen pro Umrüstung. Da kann man einen gebrauchten Diesel dann eher weiterverkaufen, als das Geld reinzustecken.
    Zerback: Wer zahlt die denn, die Hersteller oder dann auch wieder der Autofahrer?
    Dudenhöffer: Das ist völlig unentschieden bis jetzt. Wenn er Pech hat, landet der schwarze Peter beim Verbraucher, ein Problem, das uns die Politiker eingebrockt haben, weil sie das seit über sieben Jahren kennen, weil sie es ausgesessen haben, weil man glaubte, man kann die Industrie damit schützen. Und so, wie es schon mal war: Auf der Landsberger Straße in München hatten wir ja schon mal vor zehn Jahren oder 15 Jahren das gleiche Problem mit Feinstaub. Und dann guckt immer der in die Röhre, der die Politiker gewählt hat. Das ist der Verbraucher.
    "Es hängt von den Gesetzen ab"
    Zerback: Jetzt ist es ja tatsächlich so, dass dem Verbraucher noch vor ein paar Jahren gesagt wurde, kauft moderne Euro-V-Diesel. Da konnte ja keiner damit rechnen, dass er in ein paar Jahren nicht mehr mit dem Auto nach Stuttgart oder nach München wird fahren können. Wann gibt es denn da eine Rechtssicherheit für die Autofahrer?
    Dudenhöffer: Ich glaube, das ist sehr schwer. Es hängt wirklich von den Gesetzen ab, die wir machen, wie die dann einklagbar sind. Die Gesetze sind so, dass die Diesel, auch Euro VI, ein Großteil von diesen neuen Euro-VI-Dieseln sind ja Mogelpackungen, dass diese Euro-VI-Diesel auf einem Prüfstand bestimmte Grenzwerte erfüllen, aber sobald sie den Prüfstand verlassen, sind sie deutlich schlechter als das, was vorgeschrieben ist. Bis zum 17-fachen, hat man gemessen, überschreiten diese neuen Euro-VI-Diesel jetzt die Grenzwerte. Die Gefahr ist groß, dass auch ein neuer Euro-VI-Diesel Ihnen da nicht weiterhilft. Das Problem lag wirklich an den Politikern. Die Politiker wissen seit mehr als sieben, acht Jahren, wie schlecht dieser Prüfzyklus ist. Sie kennen die Nachteile. Sie haben alle Abmahnungen von der EU-Kommission bei Seite geschoben. Und jetzt ist die Rechtssituation so, dass der Autobauer keine Pflicht hat, irgendwas nachzubessern, die Stadt aber das Problem hat, die Luft in der Stadt sauber zu machen. Also bleibt, wenn sich die Autobauer und andere nicht freiwillig dazu einigen, oder der Staat Subventionen gibt, der schwarze Peter beim Verbraucher. Das ist oft so. Schlechte Gesetze führen dazu, dass der Verbraucher, der Wähler den schwarzen Peter hat.
    Zerback: Jetzt haben Sie gerade noch einen wichtigen Punkt angesprochen, die Diesel-Subventionen. Die werden ja weiterhin vom Steuerzahler auch subventioniert, die Diesel-Fahrzeuge. Das klingt jetzt erst mal ziemlich inkonsequent. Wie ist denn da Ihre Prognose? Natürlich sind wir jetzt am Ende einer Legislatur. Aber wie geht es da weiter?
    "Der Verbrennungsmotor, wie wir ihn kennen, ist tot"
    Dudenhöffer: Man kann nur hoffen, dass in der nächsten Legislaturperiode der Kraftstoffpreis vom Diesel dem beim Benziner angeglichen wird. Das heißt, dass die Steuervorteile herauskommen. Denn man stürzt ja die Leute bei jeder Tankstelle, wenn Sie vorbeifahren, auf den Diesel mit der Nase, weil der Kraftstoff angeblich billiger ist, was ja nicht stimmt, dass sich das dann ein bisschen beruhigt. Und zum zweiten wie gesagt: Wir hoffen dann mit einer neuen Regierung, dass endlich, wirklich endlich Deutschland aus dem Schlaf aufwacht und ein bisschen mehr in Elektromobilität tut. Wenn wir nach Holland gucken, wenn wir nach Frankreich gehen, wenn wir nach England gehen, nach Norwegen ganz zu schweigen, in China ganz zu schweigen, boomt die Elektromobilität, und wir fahren wirklich hinterher. Mit reinen Elektroautos könnten wir diese Straßen und diese Probleme in den Städten sehr schnell lösen. Aber auch da hat man in Berlin, wenn man ehrlich ist, alles ausgesessen.
    Zerback: Nun muss man natürlich die Einschränkung machen: Die Grünen, die wollen den Verbrennungsmotor ja am liebsten gleich ganz abschaffen bis 2030. Ist das Auto, wie wir es kennen, Herr Dudenhöffer, tot?
    Dudenhöffer: Der Verbrennungsmotor ja. Ich glaube, das, was die Grünen fordern, ist ja nicht nur Deutschland, sondern Norwegen hat es schon beschlossen, in Kalifornien wird es kommen und in China hat man jetzt schon die Diskussion mit Quoten für Elektroautos für nächstes Jahr, die mit acht Prozent anfangen, aller zugelassenen Neuwagen, und dann weiter hochgehen. Der Verbrennungsmotor - wir müssen da aussteigen. Wir haben keine Zukunft. Die Lokomotiven fahren ja auch nicht mehr mit Dampflokomotiven durch die Gegend, sondern mit Elektrolokomotiven. Wir müssen aussteigen und ich sage, vernünftig und machbar auszusteigen. Nur wir müssen dann auch mal damit anfangen und die Berliner müssen endlich ein paar Weichen stellen.
    Zerback: … sagt der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer hier bei uns im Deutschlandfunk. Besten Dank für das Gespräch!
    Dudenhöffer: Ich bedanke mich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.