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"Dieser Dialog hat eigentlich viel zu spät begonnen"

Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) hat auf die Bedeutung der Islamkonferenz zur Integration der Muslime in Deutschland hingewiesen. Die Politik habe zu spät

Moderation: Christian Schütte |
    damit begonnen klarzumachen, dass Migranten willkommen seien, sagte Laschet vor Beginn der nächsten Runde. Es mache nachdenklich, wenn sich viele tausend Menschen eher durch den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan vertreten fühlten als durch deutsche Politiker.

    Christian Schütte: Deutsche Politiker und Repräsentanten von Muslimen sitzen heute in Berlin an einem Tisch, denn zum dritten Mal treffen sich heute die Vertreter der Islamkonferenz. Reden werden sie über Integration und wie sie in Deutschland gelingen oder besser gelingen kann. Am Telefon ist nun Armin Laschet (CDU), Minister für Integration in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen Herr Laschet!

    Armin Laschet: Guten Morgen Herr Schütte.

    Schütte: Eine große Mehrheit der türkischstämmigen Bürger fühlt sich nicht von der Bundeskanzlerin vertreten. Herr Laschet, wollen oder können Türken keine Deutsche werden?

    Laschet: Ich glaube so einfach ist das nicht, denn ob man sich von jemandem vertreten fühlt, ist natürlich auch eine Frage: Findet man, dass dort seine Sorgen ernst genommen werden? Das ist glaube ich eine Frage, die nach der Rede des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in Köln deutlich geworden ist, und es muss uns nachdenklich machen, wenn viele Tausend Menschen sich eher durch Herrn Erdogan vertreten fühlen als durch deutsche Politiker. Das betrifft sicher nicht nur die Bundeskanzlerin, sondern das betrifft alle Parteien und ich glaube das zeigt, dass wir sehr spät erst damit begonnen haben auszustrahlen: Ihr seit hier willkommen. Jeder Mensch, der hier auch in Deutschland geboren ist, soll jede Chance haben, sich auch auf dieses Land einzulassen. Das ist eine Aufforderung sowohl an die türkische Gemeinde in Deutschland, dass sie sich stärker integriert, aber auch an uns als Politik, dass wir stärker das Gefühl auch ausstrahlen, wir sind für euch zuständig, wir nehmen euere Sorgen ernst. Das tut die deutsche Politik intensiv seit zwei, drei Jahren, seit dem nationalen Integrationsplan der Bundeskanzlerin, seit der Islamkonferenz in Zusammenarbeit mit den Bundesländern.

    Schütte: Aber Herr Laschet ist denn die Islamkonferenz nicht mehr als politische Kosmetik?

    Laschet: Nein, das glaube ich nicht. Denn wir haben seit 1961, seit die ersten türkischen Einwanderer nach Deutschland kamen, Muslime im Land. Aber es hat bis zum Jahre 2006 gedauert, bis ein deutscher Innenminister gesagt hat, der Islam ist Teil der deutschen Gesellschaft. Wir wollen jetzt darüber sprechen, wie das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaft zu klären ist, was wir erwarten an Prinzipien, die durch die Verfassung garantiert sind, aber was wir auch dieser Religionsgemeinschaft zugestehen, so wie wir es auch anderen Gemeinschaften zugestehen. Dieser Dialog hat eigentlich viel zu spät begonnen, aber dass er stattfindet, dass er heute zum dritten Mal stattfindet, dass man an konkreten Ergebnissen arbeitet wie dem Religionsunterricht und anderen Fragen, das ist nicht Kosmetik, sondern das ist schon etwas sehr ernsthaftes.

    Schütte: Sie sprechen von konkreten Ergebnissen. Wie viele Menschen sind denn durch den Dialog in der Islamkonferenz jetzt besser integriert in Deutschland?

    Laschet: Ich glaube man muss zum einen unterscheiden zwischen der Anerkennung der Religionsgemeinschaft und der Integrationspolitik. Nicht jeder Türkischstämmige, der in Deutschland lebt, ist ein gläubiger Muslim. Viele gehen auch nicht in die Moschee, so wie viele Deutsche auch nicht in die Kirchen gehen. Das ist hier noch mal eine sehr persönliche Entscheidung, ob man ein religiöser Mensch ist, und für den, für den Religion wichtig ist, ist diese Islamkonferenz wichtig. Aber Integrationspolitik ist mehr! Die beginnt bei Bildung, die beginnt bei Sprachkenntnissen. Das sind die harten Fakten der Integrationspolitik und da habe ich den Eindruck, dass sich einiges tut. Wir haben beispielsweise in Nordrhein-Westfalen für jedes vierjährige Kind verpflichtende Sprachtests eingeführt, fördern jetzt schon im Kindergarten Sprache, damit man in der Schule gleich starten kann wie die anderen Kinder, die Deutsch als Muttersprache haben. Dadurch entstehen Bildungschancen, Karrierechancen und das ist glaube ich ein ganz wichtiger Bestandteil, der aber nicht auf der Islamkonferenz verhandelt wird.

    Schütte: Auf der Islamkonferenz, um noch mal auf der bundespolitischen Ebene zu bleiben, ist der Dialog im Vordergrund, das miteinander reden. Das tut man jetzt schon seit rund eineinhalb Jahren. Das hat aber nicht verhindern können, dass nach dem Brand in Ludwigshafen im Februar viele Türkischstämmige aufgebracht waren und in den türkischen Medien tagelang von einem ausländerfeindlichen Anschlag die Rede war.

    Laschet: Ja, das stimmt. Wir erleben im Moment eine Phase, wo das Verhältnis eher wieder angespannt ist. In vielen türkischen Medien, auch in Fernsehsendungen - ich habe selbst schon an solchen teilgenommen - hat man den Eindruck, tagtäglich brennt es irgendwo in Deutschland.

    Schütte: Wie erklären Sie sich das?

    Laschet: Objektiv ist es nicht wahr, aber das Misstrauen, das besteht, das ist da. Es gibt natürlich immer wieder Brandstiftungen. Es gibt übrigens auch in deutschen Häusern ständig Brandstiftungen. Ich habe mir diese Zahlen mal geben lassen. Aber subjektiv nehmen die Menschen wahr: Wir sind hier nicht willkommen und es gibt solche Vorfälle. Wenn man dieses Gefühl hat und jede Nacht ins Bett geht und Angst hat, dass das eigene Haus brennt, dann entsteht daraus ein starkes Klima des Misstrauens. Das kann man nicht von einem Tag auf den anderen abbauen. Das kann man auch nur gemeinsam mit denen, die hier leben, versuchen abzubauen. Das ist ein mühsamer Prozess und die Islamkonferenz ist nur ein kleiner Bestandteil darin, denn der sendet das Signal aus "ihr müsst euch nicht assimilieren, wenn ihr Teil dieses Landes sein wollt; ihr dürft euere Kultur, euere Religion leben und wir erkennen das auch an". Das ist das wichtige an dieser Konferenz, die auch heute wieder sich diesen Fragen widmen wird.

    Schütte: In dieser Konferenz sind Gruppierungen vertreten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Damit werden möglicherweise islamistische Strömungen in Deutschland zementiert. Zeigen wir, zeigt Herr Schäuble, der sie ja eingeladen hat, zu viel Toleranz gegenüber Muslimen?

    Laschet: Ich glaube, dass man nun vielen Blauäugigkeit unterstellen kann, aber sicher nicht Wolfgang Schäuble, der ja in der Innen- und Sicherheitspolitik, auch in der Terrorismusbekämpfung, auch im Umgang mit Islamisten eine sehr harte Linie fährt. Aber man muss halt da differenzieren. Diese Konferenz dient dem Ziel, jeden darauf zu verpflichten, die Werte des Grundgesetzes und die Gesetze, die in Deutschland gelten, einzuhalten. Darüber wird auch auf der Islamkonferenz nicht verhandelt. Deshalb ist es wichtig, dies deutlich zu machen und gegenüber Islamisten, die das Grundgesetz missbrauchen, die ihre eigenen politischen Zwecke verfolgen, dann auch mit aller Schärfe vorzugehen. Deshalb wird heute beispielsweise auf der Islamkonferenz ein weiteres wichtiges Dokument verabschiedet, wo man sich genau zu diesen Werten des Grundgesetzes durch die großen islamischen Verbände bekennt. Es gibt da immer Distanz auch zu Terrorismus und zu Extremismus und dies muss man festschreiben und festlegen und dann auch die, die dagegen verstoßen, ausgrenzen aus diesen Politikfeldern.

    Schütte: Nun sitzt in Berlin heute einer weniger am Tisch: der afghanischstämmige Publizist Walid Nakschbandi hat sein Mandat niedergelegt. Hat er erkannt, dass es nichts bringt, mit konservativen Kräften zu reden?

    Laschet: Nein. Ich finde das bedauerlich. Das erinnert mich auch sehr an manche, die vor dem letzten Integrationsgipfel der Kanzlerin boykottiert haben. Wer zwei, drei Tage vorher absagt, sucht den öffentlichen Konflikt. Man muss mit den Verbänden sprechen, die da sind und wenn das die gewählten Vertreter der Muslime sind, kann man sich keine anderen stricken. Wolfgang Schäuble hat ja bei dieser Konferenz bewusst auch Islamkritiker mit an den Tisch geladen wie beispielsweise Frau Kelek und andere. Die werden auch da ihre Sorgen artikulieren. Ich hätte mir gewünscht, er wäre da hingegangen, er hätte das dort thematisiert, was er an Problemen mit diesen Verbänden hat. Und wer glaubt, dass man liberalere Verbände braucht, der muss sie gründen. Nur dass jemand religiös auch konservativ sein kann, das kann einem gefallen oder nicht - das kann einem in der Katholischen Kirche nebenbei auch gefallen oder nicht -, aber das ist Sache der Menschen, die sich selbst dort engagieren. Deshalb ist das eine etwas zu einfache Kritik zu sagen, die Verbände sind zu religiös oder zu konservativ. Dafür sind sie ja nun Religionsverbände.

    Schütte: Herr Laschet, der türkische Ministerpräsident Erdogan wünscht sich gewissermaßen vertrauensbildende Maßnahmen von der Kanzlerin, beispielsweise einen Auftritt auf einer Großveranstaltung vor türkischstämmigen Bürgern. So sein Vorschlag, den er in einem Interview mit der FAZ gemacht hat. Sollte Angela Merkel wie vor kurzem Erdogan selbst die Köln-Arena anmieten?

    Laschet: Mich wundert immer, wie ein Regierungschef aus einem Land, das viele Tausend Kilometer entfernt ist, uns hier Ratschläge gibt, wie man in der deutschen Innenpolitik mit auch religiösen und ethnischen Minderheiten umgehen soll. Ich glaube da hat er im eigenen Lande auch einiges zu tun gegenüber Kurden oder Christen oder Aleviten, das dort zu leisten. Ob es mal klug wäre, dass auch die Bundeskanzlerin vielleicht mit ihm zusammen auf eine solche Veranstaltung ginge, das kann man sicher überlegen, aber Großveranstaltungen in der Köln-Arena ersetzen nicht die tägliche Integrationspolitik und ich habe den Eindruck, dass da sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Bundesinnenminister sehr engagiert sind. Am nationalen Integrationsplan mit 400 Selbstverpflichtungen arbeiten Bund, Länder, Kommunen, die Wirtschaft. Es gibt ja eine große gesellschaftliche Bewegung, die sich in Deutschland im Moment dort engagiert. Eine Veranstaltung in der Köln-Arena ist nett, kann man auch mal machen, aber ich glaube Integrationspolitik ist mehr.

    Schütte: Armin Laschet von der CDU, Minister für Integration in Nordrhein-Westfalen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.