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"Dieses bizarre Spiel muss aufhören"

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hat den scheidenden Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) als Opfer der "Krawallstrategie" von CSU-Chef Horst Seehofer bezeichnet. Glos fühle sich offenbar von Seehofer weggemobbt und von Kanzlerin Angela Merkel hängengelassen, sagte Heil. Bayerns Ministerpräsident Seehofer gehe es nicht darum, die Koalition zum Erfolg zu führen, vielmehr versuche er krampfhaft seine Partei ohne Rücksicht auf Verluste zu profilieren.

Hubertus Heil im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Es kommt schon hin und wieder mal vor, dass ein CSU-Politiker dem Deutschlandfunk von sich aus ein Interview geben möchte. Ich kann Ihnen versichern, meine Damen und Herren, das war gestern nicht der Fall und auch all unsere Anfragen in den Führungsetagen der CSU wurden abschlägig beschieden. Man hatte zu tun, denn heute wird der neue Wirtschaftsminister bekannt gegeben. Zwei Namen werden gehandelt, zwei Namen, die in Bayern bestens bekannt sind.

    Ich darf Ihnen noch sagen, dass die Personalie Guttenberg sich nach Agenturmeldungen verdichtet. Bestätigt ist das natürlich noch nicht. - Wir sind jetzt am Telefon mit Hubertus Heil verbunden, Generalsekretär der SPD. Guten Morgen, Herr Heil.

    Hubertus Heil: Schönen guten Morgen. Ich grüße Sie.

    Klein: Im Superwahljahr geht der Union der Wirtschaftsminister von der Fahne. Besser hätte es für sie nicht laufen können?

    Heil: Na ja, ich finde das schon ein ziemlich würdeloses Spiel, was da stattfindet, eine bizarre Situation. Da ist Michael Glos, der sich offensichtlich von Herrn Seehofer weggemobbt fühlt, von der Kanzlerin hängengelassen. Also insofern ist das nichts, was uns erfreut in der Wirtschaftskrise, dass wir da diese Turbolenzen erleben. Umso mehr muss das zügig geklärt werden, weil wir in der Wirtschaftskrise eine handlungsfähige Bundesregierung haben müssen, und das darf nicht durch das Chaos in der Union gebremst werden.

    Klein: Und nach einer schnellen Lösung sieht es ja nun aus. Es sieht so aus, als würden aus zwei Kandidaten nun einer werden. Was erwarten Sie von einem neuen CSU-Wirtschaftsminister im Kabinett?

    Heil: Das muss man abwarten, wen die da benennen. Tatsache ist, dass in der Union insgesamt wir eine politische Orientierungslosigkeit gerade in wirtschaftspolitischen Fragen erleben und dass die Krawallstrategie von Herrn Seehofer jetzt ein Opfer gefordert hat, nämlich Herrn Glos, der das offensichtlich nicht mitmachen wollte. Wir müssen darauf achten, dass diese Bundesregierung handlungsfähig ist, und deshalb bin ich froh, dass Peer Steinbrück wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz in dieser Bundesregierung wahrnimmt. Sonst müsste man noch weniger schlafen in dieser Krise.

    Klein: Dann nehmen wir doch mal das Stichwort Peer Steinbrück direkt auf, denn die SPD-Fraktion in Eigenschaft des parlamentarischen Geschäftsführers Thomas Oppermann hat vorgeschlagen, Steinbrück könne doch das Bundeswirtschaftsministerium mit übernehmen. Wir hören mal kurz rein: die Reaktion der Union, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach vor einer Stunde hier.

    O-Ton Wolfgang Bosbach: Ja gut. Wir haben Karnevalszeit und der Kollege Oppermann will sich daran beteiligen. Ich glaube, er ist Niedersachse, also es ist ihm nicht besonders gut gelungen.

    Klein: Herr Heil, Herr Oppermann macht Karnevalsscherze?

    Heil: Nein. Es wäre natürlich konsequent, jetzt ein paar Monate vor der Bundestagswahl und da Peer Steinbrück sowieso schon eine ganze Menge an Arbeit mit übernommen hat in den letzten Monaten bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Ich rechne allerdings, dass die CSU natürlich von ihrem Recht als Koalitionspartner Gebrauch macht, jemanden zu benennen. Die Berufung muss dann anders erfolgen. Es ist ja nicht so, dass Parteien Minister berufen. Auch das ein Teil Würdelosigkeit in diesem Spiel am Wochenende. Da ist nicht mehr mal auf die Form geachtet worden. Deshalb noch mal: Ich halte das für ein Symptom einer Unionskrise. Frau Merkel hat CDU und CSU programmatisch in den Nebel geführt. Das führt jetzt zu diesen Auseinandersetzungen. Jetzt muss man das in der Union rasch klären. Da ist Führungsverantwortung gefragt, bei Seehofer und bei Merkel. Wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit in der Bundesregierung. Das Wachstumspaket, das wir auf den Weg gebracht haben, trägt sozialdemokratische Handschrift. Das muss jetzt auch durchgesetzt werden. Wir dürfen uns da keinen Aussetzer leisten.

    Klein: Aber Herr Heil, wenn der parlamentarische Geschäftsführer einen Vorschlag macht, den man eigentlich nicht ernst nehmen kann, dann ist das auch nicht wirklich seriös.

    Heil: Nein, das sage ich nicht. Noch mal: das wäre in der Sache schon richtig und konsequent, denn wer immer jetzt kommt, das sind nur noch ein paar Monate bis zur Bundestagswahl, da muss man sich einarbeiten, da darf es keinen Aussetzer geben. Egal wie es kommt, der Bundesfinanzminister wird weiterhin Wirtschafts- und Finanzpolitik in dieser Bundesregierung beeinflussen, maßgeblich prägen, und das ist auch gut so. Aber noch mal: Das ist das eine, dass das richtig wäre, was Thomas Oppermann vorgeschlagen hat. Aber noch mal: Man muss damit rechnen, dass die CSU heute einen Vorschlag macht. Den sehen wir uns an. Dazu hat sie ein Recht. Aber noch mal: die Bundesregierung muss arbeiten und dieses bizarre Spiel muss aufhören und Seehofer sollte in sich gehen, Merkel übrigens auch, die nicht die Kraft hatte, diese Krawallstrategie (ob beim Umweltgesetzbuch, in der Steuerpolitik, in der Gesundheitspolitik) zu stoppen, die Seehofer da an den Tag gelegt hat. Das muss aufhören.

    Klein: Herr Heil, Herr Glos war ja insofern ein bequemer Partner für sie, als er nicht so wirklich in Erscheinung getreten ist, und er ist ja jemand gewesen, der die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition als zu sozialdemokratisch kritisiert hat. Das könnte jetzt etwas unbequemer werden mit jemandem aus der CSU, der sehr lautstark diese Kritik vertritt.

    Heil: Abwarten, wer da kommt. Noch mal: Der braucht Einarbeitungszeit. Wer immer es wird jetzt muss darauf achten, dass er wirklich Wirtschaftsminister ist und nicht Wahlkampfminister. Das darf die Koalition wie gesagt nicht aufhalten.

    Es geht um was anderes. Es geht darum, dass wir uns in der Wirtschaftskrise darauf konzentrieren, Arbeitsplätze zu sichern. Diese Woche ist das im Bundestag ein wichtiger Punkt, in den nächsten Wochen auch im Bundesrat. Wir müssen das Konjunkturpaket nach vorne bringen. Darauf konzentrieren wir uns und wir lassen uns von der Krise der Union dabei auch nicht aufhalten.

    Klein: Wie bewerten Sie denn das Agieren von Horst Seehofer, der als CSU-Chef ja Teil der Koalition ist? Wird er zunehmend zu einem Unsicherheitsfaktor:

    Heil: Er ist es schon seit Wochen und Monaten, jemand, dem es nicht darum geht, diese Koalition zum Erfolg zu führen, sondern der nach der Wahlschlappe der CSU in Bayern, die denen offensichtlich in den Knochen steckt, krampfhaft versucht, sich und seine Partei zu profilieren, ohne Rücksicht auf Verluste. Wir müssen darauf achten, dass uns das nicht weiter aufhält, und es ist an Frau Merkel, dort auch mal Tacheles zu reden. Sie ist immer wieder vor innerparteilichem Druck da eingeknickt. Sie ist aufgerufen, Seehofer in den Griff zu bekommen.

    Klein: Da wir gerade über Personalien sprechen, Herr Heil. Bahnchef Hartmut Mehdorn ist gestern Abend vom Außenminister und Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier ausdrücklich gestützt worden. Die Signale aus der SPD, namentlich von Herrn Tiefensee, ließen doch eigentlich eher den Schluss zu, dass man unzufrieden mit dem bisherigen Agieren Mehdorns sei. Er hat die Antworten des Bahnchefs mehrfach als unzureichend bezeichnet und umfassende Aufklärung verlangt. Wie viel Geduld haben Sie denn jetzt noch mit Herrn Mehdorn?

    Heil: Wir haben deutlich gemacht, dass wir Aufklärung verlangen. Das hat auch Frank-Walter Steinmeier deutlich gemacht. Man muss sehen, was da passiert ist. Da ist offensichtlich über das vertretbare Maß hinaus unverhältnismäßig mit dem Sinn von Korruptionsbekämpfung - das ist ja ein guter Zweck - umgegangen worden. Es hat eine ganze Menge an Durchleuchtung auch stattgefunden bei Mitarbeitern. Hartmut Mehdorn hat das Recht, aber auch die Pflicht, jetzt aufzuklären. Danach muss man den Vorgang bewerten.

    Klein: Und er wird im Amt bleiben, egal wie er sich in der nächsten Zeit auch im Bemühen um Aufklärung präsentiert, oder gibt es Bedingungen aus Ihrer Ansicht?

    Heil: Nein, es gibt keine Blankoschecks. Es geht immer auch um Verhalten. Aber noch mal: jeder muss das Recht haben, auch Vorgänge darzulegen und aufzuklären. Das wollen wir uns anschauen, danach wird bewertet.

    Klein: Wovon machen Sie einen möglichen Rücktritt abhängig?

    Heil: Das ist keine Diskussion, die ich jetzt übers Radio führen will. Ich möchte erst mal sehen, was da stattgefunden hat. Dann müssen die Ausschüsse des Bundestages informiert werden, und zwar umfassend. Dann muss man schauen, was da noch alles kommt. Danach muss man Bewertungen vornehmen.

    Klein: Hubertus Heil, Generalsekretär der SPD. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Heil.

    Heil: Ich danke Ihnen.