Archiv


"Dieses Sparpaket wird so nicht durch Bundestag und Bundesrat kommen"

Nutz: Am Telefon ist nun Friedrich Merz, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag. Guten Morgen!

    Merz: Guten Morgen Frau Nutz.

    Nutz: Herr Merz, der Bundesfinanzminister sieht von nun an den Ball im Spielfeld der Opposition. Das hat er gestern wörtlich gesagt. Nehmen Sie den Ball auf?

    Merz: Zunächst ist der Ball im Spielfeld des Parlaments, und dort gibt es eine rot/grüne Mehrheit. Der Ball ist darüber hinaus im Spielfeld des Bundesrates, und dort gibt es keine rot/grüne Mehrheit, aber auch nicht die Notwendigkeit der Zustimmung zu jedem Gesetz. Insofern ist die Sache etwas komplizierter. Richtig ist aber, dass die Opposition jetzt bei den parlamentarischen Beratungen selbstverständlich mit beteiligt ist am Verfahren. Wir werden dort ganz klar unsere Vorstellungen auch artikulieren.

    Nutz: Das heißt, Sie nehmen den Ball konstruktiv auf, so wie Hans Eichel sich das gestern auch gewünscht hat?

    Merz: Selbstverständlich. Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass die Art und Weise, wie die SPD in den letzten Jahren vor der letzten Bundestagswahl unter ihrem Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine Opposition betrieben hat, nicht das Vorbild ist für unsere Oppositionsarbeit. Wir werden konstruktiv herangehen. Wir werden allerdings auch klar und deutlich sagen, was wir für falsch halten.

    Nutz: Mit anderen Worten also keine Blockadepolitik?

    Merz: Nein, wir werden ganz sicher nicht blockieren, zumal die Union noch keine Mehrheit im Bundesrat hat. Das wird nach den kommenden Landtagswahlen vermutlich anders sein, möglicherweise anders sein. Aber selbst wenn das so wäre, wir blockieren nicht, sondern wir nehmen unsere Verantwortung wahr.

    Nutz: Bleiben wir einmal bei den augenblicklichen Mehrheitsverhältnissen. Immerhin hat die Union ja jetzt schon so weit die Macht, den Vermittlungsausschuss im Bundesrat anzurufen. Werden Sie von diesem Instrument Gebrauch machen?

    Merz: Frau Nutz, ich würde zum gegenwärtigen Zeitpunkt so weit in die Zukunft gar nicht blicken. Entscheidend ist jetzt, was bei den parlamentarischen Beratungen im deutschen Bundestag herauskommt. Da wird zunächst die Frage spannend sein, ob die Mehrheit der rot/grünen Bundesregierung im Bundestag ausreicht, um dieses sogenannte Sparpaket von Oskar Lafontaine und von Hans Eichel zu verabschieden. Wir werden uns an den Beratungen selbstverständlich beteiligen. Wir werden auch Vorschläge machen, was man besser machen könnte. Insofern ist jetzt der Bundestag am Zuge und nicht der Vermittlungsausschuss. Das wäre ein Verfahren, das frühestens zum Jahresende beginnen kann. Also lassen Sie uns jetzt mal darüber reden, was in dem Sparpaket selber richtig und was falsch ist.

    Nutz: Es geht dabei ja dennoch darum zu sehen, inwieweit sie als Opposition ihre Vorstellungen einbringen und wo sie möglicherweise - das können Sie jetzt auch inhaltlich andeuten - Kompromisslinien sehen und wo sie gar keine sehen.

    Merz: Zunächst einmal müssen wir darauf hinweisen, dass dieses Sparpaket von Hans Eichel grundsätzlich richtig ist. Es ist grundsätzlich richtig, dass gespart wird. Wir müssen in Deutschland sparen. Es ist aber keine neue Erfindung dieser Regierung. Auch die alte Regierung hat erhebliche Einsparziele erreicht, nicht nur angekündigt. Hans Eichel hat ein Problem. Das ist nämlich das, was ihm sein Amtsvorgänger Oskar Lafontaine hinterlassen hat. Lafontaine hat den Bundeshaushalt 1999 um 30 Milliarden D-Mark aufgebläht, und davon spart er jetzt 7,5 Milliarden D-Mark ein, verschiebt einen erheblichen Teil der Lasten auf die Länder, auf die Kommunen, auf die Sozialversicherungsträger. Das wird noch eine sehr harte Auseinandersetzung geben. Ich sage voraus: Dieses Sparpaket wird so nicht durch den Bundestag und auch so nicht durch den Bundesrat kommen.

    Nutz: Zumindest für die Sparpläne kommt immerhin Lob zum Beispiel von der Bundesbank, und es gibt Experten, die meinen zumindest, die Richtung stimme. Das ist nun eine Operation, die Einsparungen vorsieht, ohne die Steuern zu erhöhen, einmal abgesehen von der Ökosteuer. Das müsste doch auch Ihre Zustimmung finden?

    Merz: Noch einmal: Ganz grundsätzlich ist das richtig, aber das was Eichel jetzt machen muss, sind sozusagen die Erblasten seines unmittelbaren Vorgängers Oskar Lafontaine. Er muss einen Teil dessen wegräumen, was Lafontaine ihm hinterlassen hat. Dabei wollen wir ihm nicht im Wege stehen. Es muss allerdings dann auch an der richtigen Stelle gespart werden. Ich will zwei Punkte herausnehmen: Zum einen die Veränderung bei den Rentenzahlungen. Grundsätzlich waren wir immer der Auffassung, wir brauchen eine Reform der Rentenpolitik in Deutschland. Das was wir in der letzten Legislaturperiode gemacht haben, war im Prinzip richtig. Ich will allerdings auch darauf hinweisen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die zusätzlich notwendige Freistellung ist nach dem Regierungswechsel ergangen. Sie hätte auch uns vor die Frage gestellt, wie wir damit umgehen. Wir hätten darauf eine Antwort geben müssen. Wir hätten aber keine Antwort gegeben, die so manipulativ in das Rentensystem eingreift und die vor allen Dingen überhaupt nicht erkennen lässt, was denn nach dem Jahr 2001, nach dieser Manipulation kommen soll. Die Rente braucht Langfristigkeit, Stetigkeit, Verlässlichkeit, und davon kann keine Rede sein. Ich will sagen, was wir konstruktiv beitragen können zum Erreichen des Einsparziels. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit überdotiert ist. Dort gibt es eine erhebliche Reserve für Arbeitsmarktpolitik, die die Bundesregierung offensichtlich dort eingestellt hat, um zum Jahresende noch einmal durch den zweiten Arbeitsmarkt die Arbeitsmarktstatistik zu verbessern. Hier kann gespart werden, wenn die Bundesregierung bereit wäre, Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt aus dem Bundeshaushalt der Bundesanstalt für Arbeit herauszunehmen und zum Einsparen zu benutzen. Also es gibt durchaus Positionen, über die man reden kann, und das wird auch im parlamentarischen Verfahren der Fall sein.

    Nutz: Sie sind also gesprächsbereit. Sind Sie es denn auch beim Thema Rente? Da waren Sie es ja bislang eher nicht.

    Merz: Wir sind beim Rententhema immer gesprächsbereit gewesen. Wir haben nie Gespräche abgelehnt. Wir sind allerdings, genauso wie der Bundeskanzler es für sich in Anspruch genommen hat, der Meinung gewesen und bleiben dies auch, dass wir in solche Gespräche ohne Vorbedingungen gehen, auf beiden Seiten. Wenn von der Bundesregierung gesagt wird, an der Manipulation ändert sich nichts mehr, dann steht die Opposition als Komplize einer Manipulation nicht zur Verfügung. Wenn die Bundesregierung sagt, wir haben ein Problem, wir wollen dieses Problem lösen und wir fangen da an, wo wir bei der Regierungsübernahme die Rentenpolitik vorgefunden haben, dann sind wir sofort bereit zu Gesprächen mit der Bundesregierung, denn dies ist ein wichtiges Thema und bei diesem Thema wird sich die Opposition nicht aus der Diskussion verabschieden, im Gegenteil. Aber noch einmal: Wir machen keinen Wahlbetrug mit. Wir sind nicht die Komplizen des Rentenbetruges, den diese Bundesregierung begangen hat. Insofern Vorgespräche, Gespräche ohne Vorbedingungen ja, aber nicht mit dieser Rentenpolitik von Herrn Riester und von Herrn Schröder.

    Nutz: Die "Süddeutsche Zeitung" hat sich und uns in einem Kommentar mehr Eichel, weniger Riester gewünscht. Entspricht das auch Ihrem Wunsch?

    Merz: Ich habe diesen Kommentar gelesen. Richtig ist, dass wir eine langfristig sichere Finanzierungsgrundlage für die Renten brauchen. Es war immer unsere Überzeugung, dass wir die junge Generation nicht höher belasten dürfen und deswegen einen neuen Ausgleich zwischen den Generationen brauchen. Wir haben damit begonnen durch unsere Rentenreform. Die war geltendes Rentenrecht in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist ohne Not zurückgenommen worden, und jetzt haben wir ein sehr großes Problem. Diese Lösung des Problems muss die Bundesregierung zunächst einmal selbst vorschlagen, denn auf der Basis dessen, was jetzt Herr Riester vorgeschlagen hat, kann man langfristig die Rente nicht stabilisieren. Insofern hat die "Süddeutsche Zeitung" mit der Überschrift durchaus Recht.

    Nutz: Vielen Dank. - Das war in den "Informationen am Morgen" Friedrich Merz, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Auf Wiederhören!

    Link: (Sind Strucks Steuerpläne finanzierbar? (7.8.99)==>/cgi-bin/es/neu-interview/357.html)