Friedbert Meurer: Knapp fünf Wochen noch, dann sind Bundestagswahlen. Bundeskanzlerin Angela Merkel will vier weitere Jahre im Amt bleiben. Ihr Herausforderer ist ihr eigener Außenminister, Frank-Walter Steinmeier von der SPD. Das Problem: anscheinend interessieren sich die Deutschen nicht für die Bundestagswahl. Laut einer Umfrage weiß die Hälfte aller Deutschen nicht, in welchem Monat die Bundestagswahl stattfindet. Frank-Walter Steinmeier kämpft, sein Rückstand in den Umfragen ist groß, aber vor vier Jahren dachte man auch schon einmal, der Kanzlerkandidat der SPD sei fast chancenlos. Am Wochenende lieferten sich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier nun ein Duell, ein Fernduell in den Medien.
Michael Spreng war 2002 Kanzlerkandidatenberater, mittlerweile ist er unter die Blogger gegangen und da schreibt er: "Frau Dr. Angela Merkel, Chefärztin für politische Anästhesie, und ihr Assistenzarzt Frank-Walter Steinmeier haben es geschafft: sie haben ein ganzes Land eingeschläfert." - Guten Morgen, Herr Spreng.
Michael Spreng: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Haben Sie gestern Abend gut geschlafen?
Spreng: Ja, sehr gut geschlafen, dank der Kanzlerin und des Vizekanzlers.
Meurer: Ist das die Schuld der Kandidaten, dass das alles so langweilig ist?
Spreng: Ja, gut, es hat mehrere Gründe. Sie kommen ja beide aus der Großen Koalition, sie sind Kanzler und Vizekanzler und haben vier Jahre zusammen regiert. Dadurch gehen sie nicht in die Konfrontation. Sie sind sehr ähnliche Typen, nüchterne, pragmatische, eher emotionslose Politiker, und Frau Merkel hat eine Strategie, an der die SPD ziemlich verzweifelt, nämlich ihr Hauptziel ist die Demobilisierung der SPD-Wähler. Das heißt, nichts tun, damit SPD-Wähler aufwachen und zur Wahl gehen. Das ist ihr bisher recht erfolgreich gelungen - daraus erklären sich ja auch die Umfragen - und Steinmeier ist es bisher nicht gelungen, diese Blockade aufzubrechen.
Meurer: Um mal ganz hoch anzusetzen, Herr Spreng. Was bedeutet das eigentlich für unsere Demokratie, wenn der wichtigste demokratische Akt die Deutschen langweilt?
Spreng: Langeweile ist schlimm in diesem Zusammenhang, denn eigentlich sollte ja der Wahlkampf doch schon ein Feuer für die Demokratie entzünden, der Leidenschaft und der Begeisterung, damit die Leute auch ihr wichtigstes Recht wahrnehmen, und dieses Feuer wird in diesem Jahr nicht entzündet. Es hängt auch damit zusammen, dass beide große Parteien die entscheidenden Fragen im Wahlkampf ausklammern. Keine sagt konkret, wie die riesigen Schulden abgebaut werden sollen, keine der Parteien lässt sich auf das Thema ein, über die Zukunft der Sozialversicherungssysteme: Drohen jetzt Beitragserhöhungen, wie lange hält der Generationenvertrag, kommen Steuererhöhungen, müssen Sozialleistungen gekürzt werden. All diese Fragen, die aus der Krise erwachsen, werden im Wahlkampf ausgeklammert und die Menschen merken, dass über ihre eigenen existenziellen Probleme nicht gesprochen wird.
Meurer: Sehnen Sie sich die ideologischen Schlachten von früher zurück in Deutschland?
Spreng: Ideologisch? Ich meine, auf jeden Fall war es mehr Polarisierung. Es war größere Konfrontation und Polarisierung ist nicht negativ, sondern die Unterscheidbarkeit der Parteien ist ein Wesen der Demokratie, damit die Leute wirklich sich entscheiden können, wen sie wählen. Da denke ich natürlich an Schlachten wie Schmidt gegen Strauß oder auch Brandt gegen Barzel oder auch Schröder gegen Kohl und auch Schröder gegen Stoiber. Das waren noch andere Wahlschlachten und diesmal fehlen die Typen dafür, weil die eine, Frau Merkel, keinen Wahlkampf machen will und weil der andere, Herr Steinmeier, keinen Wahlkampf kann.
Meurer: Freiheit statt Sozialismus beispielsweise geht ja nicht mehr, wenn beide Seiten fast fünf Milliarden Euro für Opel ausgeben oder garantieren wollen, nicht ausgeben.
Spreng: Nein, aber bei den existenziellen Fragen, die ich gerade angesprochen habe, die im Wahlkampf ausgeklammert werden, gäbe es genug zu streiten über den richtigen Weg und dieser Streit wird bis nach der Bundestagswahl vertagt und insofern würde es mich nicht überraschen, wenn die Wahlbeteiligung weiter sinkt, denn die Begeisterung für diese Art von Wahlkampf bleibt aus.
Meurer: Nun gibt es ja noch ein wichtiges Datum vor der Bundestagswahl, und zwar ist das der nächste Sonntag, 30. August, mit drei Landtagswahlen, Thüringen, Sachsen, Saarland. Können die Ergebnisse, Herr Spreng, vielleicht noch eine ungeahnte Dynamik entfesseln?
Spreng: Na gut, sie bringen ein neues Thema in die Schlussphase des Wahlkampfes, nämlich das Thema rot-rot oder rot-rot-grün. Nur es ist ja ein altes Thema. Es ist ja nicht so, dass das ganz frisch käme und hat auch schon gewisse Abnutzungserscheinungen. Ich bin nicht so sicher, ob das Kalkül der CDU aufgeht, damit ein massives Schlussthema zu setzen und ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren, was Frau Merkel wahrscheinlich bisher im ausreichenden Maß nicht gelungen ist. Das Thema "rote Socken" und rot-rot-grün scheint sich mir etwas abgenutzt.
Meurer: Dann umgekehrt: Wenn am Sonntag zwei CDU-Ministerpräsidenten stürzen sollten, kann das der SPD Rückenwind geben?
Spreng: Ja, wenn sie adäquate Ergebnisse hat, also wenn sie selbst zulegen kann und sagen kann, wir können siegen. Wenn beide große Parteien aber Verlierer dieser Wahl wären, dann wäre der Rückenwind für die SPD sehr gering.
Meurer: Was geschieht eigentlich - blicken wir auf den 27. September, die Bundestagswahl -, wenn es mit schwarz-gelb dann nicht klappt, was ja die große Frage ist?
Spreng: Das ist ja das, was viele Menschen befürchten und was auch zu einer gewissen Lähmung des Wahlkampfes führt, dass dann erneut die Große Koalition kommt. Das ist ja auch einer der Gründe, warum die beiden sich so mit Samthandschuhen anfassen. Am Ende entscheiden ja nur noch ein oder zwei Prozent, ob es so oder so ausgeht, und wenn man wieder in einer Großen Koalition landen kann, dann will man vorher das Klima nicht völlig vergiften.
Meurer: Wenn es für schwarz-gelb nicht reicht, was kommt dann? Sie sagen, die Große Koalition. An die Ampel glauben Sie nicht?
Spreng: Nein. Die sehe ich nicht, denn die FDP wird sich kurz vor der Wahl definitiv auf die CDU festlegen und wenn sie dieses Wahlversprechen brechen würde, würde sie bei der nächsten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen halbiert und dieses Risiko kann die FDP nicht eingehen.
Meurer: Wieso soll das Westerwelle machen, sich da definitiv festlegen? So ein ganz kleines Schlupfloch lässt er ja noch offen.
Spreng: Wir werden es beobachten. Natürlich gibt es dann immer diese Argumentation, um das schlimmste zu verhindern und aus Staatsräson muss man das doch machen, aber für die FDP wäre dann der Traum zweistelliger Wahlergebnisse wieder vorbei. Die Wähler in Nordrhein-Westfalen würden die FDP bei einem solchen Umfall gnadenlos bestrafen.
Meurer: Michael Spreng sagt, wir leben im Moment in einem eingeschläferten Land, kurz vor der Bundestagswahl. Herr Spreng, besten Dank und auf Wiederhören.
Spreng: Danke, Herr Meurer. Auf Wiederhören!
Michael Spreng war 2002 Kanzlerkandidatenberater, mittlerweile ist er unter die Blogger gegangen und da schreibt er: "Frau Dr. Angela Merkel, Chefärztin für politische Anästhesie, und ihr Assistenzarzt Frank-Walter Steinmeier haben es geschafft: sie haben ein ganzes Land eingeschläfert." - Guten Morgen, Herr Spreng.
Michael Spreng: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Haben Sie gestern Abend gut geschlafen?
Spreng: Ja, sehr gut geschlafen, dank der Kanzlerin und des Vizekanzlers.
Meurer: Ist das die Schuld der Kandidaten, dass das alles so langweilig ist?
Spreng: Ja, gut, es hat mehrere Gründe. Sie kommen ja beide aus der Großen Koalition, sie sind Kanzler und Vizekanzler und haben vier Jahre zusammen regiert. Dadurch gehen sie nicht in die Konfrontation. Sie sind sehr ähnliche Typen, nüchterne, pragmatische, eher emotionslose Politiker, und Frau Merkel hat eine Strategie, an der die SPD ziemlich verzweifelt, nämlich ihr Hauptziel ist die Demobilisierung der SPD-Wähler. Das heißt, nichts tun, damit SPD-Wähler aufwachen und zur Wahl gehen. Das ist ihr bisher recht erfolgreich gelungen - daraus erklären sich ja auch die Umfragen - und Steinmeier ist es bisher nicht gelungen, diese Blockade aufzubrechen.
Meurer: Um mal ganz hoch anzusetzen, Herr Spreng. Was bedeutet das eigentlich für unsere Demokratie, wenn der wichtigste demokratische Akt die Deutschen langweilt?
Spreng: Langeweile ist schlimm in diesem Zusammenhang, denn eigentlich sollte ja der Wahlkampf doch schon ein Feuer für die Demokratie entzünden, der Leidenschaft und der Begeisterung, damit die Leute auch ihr wichtigstes Recht wahrnehmen, und dieses Feuer wird in diesem Jahr nicht entzündet. Es hängt auch damit zusammen, dass beide große Parteien die entscheidenden Fragen im Wahlkampf ausklammern. Keine sagt konkret, wie die riesigen Schulden abgebaut werden sollen, keine der Parteien lässt sich auf das Thema ein, über die Zukunft der Sozialversicherungssysteme: Drohen jetzt Beitragserhöhungen, wie lange hält der Generationenvertrag, kommen Steuererhöhungen, müssen Sozialleistungen gekürzt werden. All diese Fragen, die aus der Krise erwachsen, werden im Wahlkampf ausgeklammert und die Menschen merken, dass über ihre eigenen existenziellen Probleme nicht gesprochen wird.
Meurer: Sehnen Sie sich die ideologischen Schlachten von früher zurück in Deutschland?
Spreng: Ideologisch? Ich meine, auf jeden Fall war es mehr Polarisierung. Es war größere Konfrontation und Polarisierung ist nicht negativ, sondern die Unterscheidbarkeit der Parteien ist ein Wesen der Demokratie, damit die Leute wirklich sich entscheiden können, wen sie wählen. Da denke ich natürlich an Schlachten wie Schmidt gegen Strauß oder auch Brandt gegen Barzel oder auch Schröder gegen Kohl und auch Schröder gegen Stoiber. Das waren noch andere Wahlschlachten und diesmal fehlen die Typen dafür, weil die eine, Frau Merkel, keinen Wahlkampf machen will und weil der andere, Herr Steinmeier, keinen Wahlkampf kann.
Meurer: Freiheit statt Sozialismus beispielsweise geht ja nicht mehr, wenn beide Seiten fast fünf Milliarden Euro für Opel ausgeben oder garantieren wollen, nicht ausgeben.
Spreng: Nein, aber bei den existenziellen Fragen, die ich gerade angesprochen habe, die im Wahlkampf ausgeklammert werden, gäbe es genug zu streiten über den richtigen Weg und dieser Streit wird bis nach der Bundestagswahl vertagt und insofern würde es mich nicht überraschen, wenn die Wahlbeteiligung weiter sinkt, denn die Begeisterung für diese Art von Wahlkampf bleibt aus.
Meurer: Nun gibt es ja noch ein wichtiges Datum vor der Bundestagswahl, und zwar ist das der nächste Sonntag, 30. August, mit drei Landtagswahlen, Thüringen, Sachsen, Saarland. Können die Ergebnisse, Herr Spreng, vielleicht noch eine ungeahnte Dynamik entfesseln?
Spreng: Na gut, sie bringen ein neues Thema in die Schlussphase des Wahlkampfes, nämlich das Thema rot-rot oder rot-rot-grün. Nur es ist ja ein altes Thema. Es ist ja nicht so, dass das ganz frisch käme und hat auch schon gewisse Abnutzungserscheinungen. Ich bin nicht so sicher, ob das Kalkül der CDU aufgeht, damit ein massives Schlussthema zu setzen und ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren, was Frau Merkel wahrscheinlich bisher im ausreichenden Maß nicht gelungen ist. Das Thema "rote Socken" und rot-rot-grün scheint sich mir etwas abgenutzt.
Meurer: Dann umgekehrt: Wenn am Sonntag zwei CDU-Ministerpräsidenten stürzen sollten, kann das der SPD Rückenwind geben?
Spreng: Ja, wenn sie adäquate Ergebnisse hat, also wenn sie selbst zulegen kann und sagen kann, wir können siegen. Wenn beide große Parteien aber Verlierer dieser Wahl wären, dann wäre der Rückenwind für die SPD sehr gering.
Meurer: Was geschieht eigentlich - blicken wir auf den 27. September, die Bundestagswahl -, wenn es mit schwarz-gelb dann nicht klappt, was ja die große Frage ist?
Spreng: Das ist ja das, was viele Menschen befürchten und was auch zu einer gewissen Lähmung des Wahlkampfes führt, dass dann erneut die Große Koalition kommt. Das ist ja auch einer der Gründe, warum die beiden sich so mit Samthandschuhen anfassen. Am Ende entscheiden ja nur noch ein oder zwei Prozent, ob es so oder so ausgeht, und wenn man wieder in einer Großen Koalition landen kann, dann will man vorher das Klima nicht völlig vergiften.
Meurer: Wenn es für schwarz-gelb nicht reicht, was kommt dann? Sie sagen, die Große Koalition. An die Ampel glauben Sie nicht?
Spreng: Nein. Die sehe ich nicht, denn die FDP wird sich kurz vor der Wahl definitiv auf die CDU festlegen und wenn sie dieses Wahlversprechen brechen würde, würde sie bei der nächsten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen halbiert und dieses Risiko kann die FDP nicht eingehen.
Meurer: Wieso soll das Westerwelle machen, sich da definitiv festlegen? So ein ganz kleines Schlupfloch lässt er ja noch offen.
Spreng: Wir werden es beobachten. Natürlich gibt es dann immer diese Argumentation, um das schlimmste zu verhindern und aus Staatsräson muss man das doch machen, aber für die FDP wäre dann der Traum zweistelliger Wahlergebnisse wieder vorbei. Die Wähler in Nordrhein-Westfalen würden die FDP bei einem solchen Umfall gnadenlos bestrafen.
Meurer: Michael Spreng sagt, wir leben im Moment in einem eingeschläferten Land, kurz vor der Bundestagswahl. Herr Spreng, besten Dank und auf Wiederhören.
Spreng: Danke, Herr Meurer. Auf Wiederhören!