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Engagement für die Europawahl

Die Europawahl hat traditionell eine geringe Wahlbeteiligung, besonders unter jungen Wählern. Viele EU-Bürger wissen herzlich wenig mit der Idee der EU anzufangen. Das soll sich bei der kommenden Wahl ändern - durch eine groß angelegte Kampagne, bei der sich besonders junge Leute engagieren.

Von Manfred Götzke | 08.02.2019
    Ein Wähler gibt am 25.05.2014 in Berlin-Mitte seinen Stimmzettel für die Europawahl und den Volksentscheid für das Tempelhofer Feld ab. Insgesamt sind rund 400 Millionen Wahlberechtigte in 28 EU-Ländern aufgerufen, über die Zusammensetzung des künftigen Europaparlaments zu entscheiden. Foto: Kay Nietfeld/dpa. |
    Die Europawahl steht am 26. Mai 2019 an (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    diesmalwähleich.eu
    "Ich wollte ein bisschen zeigen, was ich so gemacht hab, für die Kampagne in den letzten Monaten."
    Mit dem Mikro in der Hand steht Jonas Spiegel vor 120 jungen Leuten im Konferenzsaal der Berliner EU-Vertretung. Noch nie hat der Leipziger vor so vielen Menschen frei gesprochen. Doch dass er ziemlich nervös ist, lässt er sich nicht anmerken.
    "Ich hab mich mit dem lokalen EU-Infocenter zusammengesetzt. Und dann das erste Treffen organisiert. Sieht man da auf dem Bild."
    Der schlaksige 22jährige Geografie-Student erzählt, wie er sich in den letzten zwei Monaten für die Europawahl engagiert hat. Genauer gesagt: Wie er dabei mithelfen will, dass wieder mehr Leute wählen gehen.
    "Da ist meine Instgram-Story, damit kann man super die Wahl promoten. Da schreiben Leute einen an, weil ich einfach den Hashtag einer Stadt reinschreibe, die gucken nach dem Hashtag und sehen, ah Europawahl, was ist das für eine Aktion. Und das ist ganz einfach, die Karten gibt es ja überall."
    Von Bürgern für Bürger
    Jonas hat sich wie alle jungen Leute hier auf diesmalwähleich.eu registriert. Eine europaweite Kampagne, die für das EU-Parlament, die EU an sich und die Wahl am 26. Mai begeistern soll. Das Besondere an der Kampagne: Sie kommt nicht wie sonst von einer Agentur, sondern wird von den Bürgern selbst geschmissen. Natürlich mit Unterstützung, Geld und Info-Material von der EU. Jill Knöper koordiniert die Kampagne in Deutschland.
    "Wenn die Kampagne von den Bürgern kommt und für die Bürger ist, dann werden sie ein bisschen mehr dadurch angesprochen. Was wir erreichen wollen, dass jeder seine Freunde, seine Familie, seine Nachbarn anspricht und sagt, hey, geht doch wählen. Das hat ganz bestimmt einen anderen Effekt, als wenn ich als Vertreterin des Europäischen Parlaments sage, geht doch bitte wählen."
    Besonders geringe Wahlbeteiligung bei den Jungen
    Dass das Parlament eine solche Kampagne für nötig hält, hängt mit der geringen Wahlbeteiligung zusammen.
    Vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung europaweit bei historisch niedrigen 42,6 Prozent. In Deutschland waren es fünf Punkte mehr. Schlusslicht waren die Slowaken mit 13 Prozent. In fast allen Ländern haben aber vor allem die jungen Leute, die Erstwähler besonders selten gewählt.
    "Ziel der Kampagne ist deshalb die Wahlbeteiligung zu steigern und natürlich auch das Bewusstsein für Europa und Europäische Themen zu wecken, vor allem bei jungen Leuten und deswegen sollen die auch aktiv werden – auf ihre ganz eigene Art und Weise."
    Wie die EU-Enthusiasten da vorgehen wollen, ist letztlich egal.
    "Das fängt an mit bei Social Media Sachen posten, Videos, Fotos, kreative Beiträge. Dann Flyer verteilen. An der Uni machen viele Studenten was, indem sie ihre Kommilitonen ansprechen, ihre Professoren fragen, ob sie das Thema mal aufgreifen. Viele Unterstützer machen solche Treffen wie heute, stellen sie selber auf die Beine, laden dazu ihre Freunde ein."
    Knöper und ihre Kollegen helfen aus, geben den Aktivisten Flyer und Karten mit, unterstützen sie, wenn sie Diskussionsrunden in ihrer Heimat machen wollen. Im Grunde gibt es nur eine Bedingung: parteipolitische Neutralität.
    "So, eine Aktion raussuchen, kurzes Brainstorming, was gibt es, und dann so ein bisschen aufarbeiten."
    Jonas Spiegel hat sich an einen der Gruppentische gesetzt. Gemeinsam mit Pablo, Luise, Fabian und Holger überlegt er sich Aktionen, die sich leicht und schnell umsetzen lassen.
    "Also ich finde Straßenaktionen immer gut, da erreicht man den Querschnitt der Gesellschaft, junge, alte, Leute die eher links oder rechts sind."
    Für viele die erste Europawahl
    Die meisten hier im Saal sind zwischen 18 und 25, in der Ausbildung, im Studium oder gerade mit der Uni fertig. Für viele wird es die erste Europawahl sein.
    Für den 22jährigen Jakob Skiwa zum Beispiel. Er hat vor ein paar Tagen zufällig von der Kampagne erfahren und ist einfach einmal hergekommen.
    "Weil ich glaube, dass es jetzt ziemlich entscheidend ist, weil es darum geht, Europa zu sichern, weil so viele Rechtspopulisten und EU-Skeptiker in ganz Europa am Erstarken sind. Wenn da die Mehrheit kipppt, wäre das ein Einschnitt und das müssen wir verhindern."
    Jonas und seine Mitstreiter an Tisch neun haben schon nach 20 Minuten einen Plan.
    "Also ich würde so leicht provozierende Fragen stellen, wissen Sie eigentlich wie frei Sie hier sein können? Fragen stellen, die etwas zünden in den Menschen."

    Sie wollen Bürgern in der Stadt provokante Fragen zu den Werten der EU stellen. Das ganze filmen und bei Facebook und Instagram posten.
    Zwei Stunden sitzen sie an diesem Abend zusammen, um dann auszuschwärmen, in ihrem Kiez, zuhause oder bei Twitter für Europa zu werben. Damit bei der Europawahl nicht das gleiche passiert, wie beim Brexit, sagt Kampagnen-Koordinatorin Jill Knöper.
    "Wir wollen nicht, dass sich das wiederholt bei der Europawahl, das gegen den Willen der jungen Leute gewählt wird, weil sie einfach nicht wählen gegangen sind. Deswegen ist unser Motto: Wenn alle wählen, gewinnen auch alle!"