Silvia Engels: Heute läuft die Frist ab, in der Branchen beantragen dürfen, ins sogenannte Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen zu werden. Das ist die Regelung, die bislang in der Bau-, Post- und Gebäudereinigerbranche für branchenspezifische Mindestlöhne sorgt. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hatte im Vorfeld Anträge von mehr als zehn Branchen erwartet. Dem Vernehmen nach sind es aber nur fünf. Neben der Zeitarbeit haben wohl nur kleinere Bereiche wie das Sicherheitsgewerbe, Großwäschereien, Forstdienstleister und Weiterbildung Anträge gestellt. Wirtschaftsminister Glos - bekannter Gegner von Mindestlöhnen - sprach am Wochenende zufrieden von einer Schlappe für die SPD.
Dieter Althaus, Ministerpräsident von Thüringen (CDU), gehörte auch schon immer zu denen, die Mindestlöhnen nicht viel abgewinnen können. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Althaus!
Dieter Althaus: Guten Morgen!
Engels: Haben Sie also auch so gute Laune wie Herr Glos?
Althaus: Ja. das ist ein wichtiges Ergebnis, denn es macht deutlich, dass wir als Union immer richtig gelegen haben, wenn wir deutlich gemacht haben, zum einen ist die Tarifpolitik Sache der Tarifpartner und nicht Sache der Politik, und zweitens, dass auch das Bedürfnis der Tarifpartner auf einen generellen Mindestlohn nicht besteht. Das Pferd ist also tot, das die SPD seit Monaten reiten möchte, und ich hoffe jetzt auch auf eine zügige Entscheidung.
Engels: Das Bedürfnis nach Mindestlohn sei nicht so in dem Maße da, sagen Sie. Auf der anderen Seite ist ja das Problem, dass es Arbeitnehmer gibt, die Dumpinglöhne bekommen, nicht aus der Welt.
Althaus: Wir haben auch als Union deutlich gemacht, der Staat hat dafür zu sorgen, dass ein Mindesteinkommen gesichert wird. Dort wo also die Tarifpartner keine ausreichenden Tariflöhne entwickeln können, hat das ja mit der Marktrealität etwas zu tun, und dort hilft der Staat auch. Wir haben auch heute Zuschuss-Systeme. Das ist sicher bürokratischer, aber richtig, denn die Wirtschaft muss sich ja am Arbeitsmarkt und in der konkreten Wettbewerbssituation erfolgreich entwickeln können. Da muss der Staat darauf achten, dass die Tarifpartner, die ja dieses Feld auch entsprechend einschätzen können, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, ihre Verantwortung übernehmen.
Engels: Kommen wir spezifisch auf eine Branche zu sprechen, die einen Antrag gestellt hat. Das ist die Zeitarbeitsbranche. Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schließt der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion, Norbert Röttgen, heute aus, dass die Union hier bereit ist, einem branchenspezifischen Mindestlohn zuzustimmen. Die SPD wird das dann aber wahrscheinlich wollen, weil ja der Antrag gestellt ist. Wird das der nächste große Konflikt?
Althaus: Bei der Zeitarbeit geht es ja auch sehr stark darum, die Flexibilität am Arbeitsmarkt in den einzelnen Branchen dadurch zu erhöhen, dass eben Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer zur Verfügung stehen. Sie werden sehr häufig heute dort eingesetzt, wo diese Schwankung, diese Flexibilität zwingend ist. Ich teile also die grundsätzliche Kritik von Norbert Röttgen, dass wir für die Zeitarbeit prinzipiell keinen Mindestlohn einführen dürfen, denn damit würde die notwendige Flexibilität für den Arbeitsmarkt wieder zerstört. Und ich kann in diesem Bereich auch keine Grundlage, die im Arbeitnehmerentsendegesetz für Europa gilt, entnehmen.
Engels: Das, heißt das wird der große Tarifkrach, denn die SPD argumentiert ja, die Anträge sind gestellt, dass eben ein Mindestlohn auf Branchenbasis in dieser Branche auch umgesetzt wird.
Althaus: Da muss man jetzt juristisch genau prüfen, wie die Grundlage sich darstellt. Ich selbst denke, wir sollten das also auch aus fachlicher Sicht bewerten. Und wenn Norbert Röttgen für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken formuliert, dann hat er sicherlich auch schon entsprechende Kenntnis. Insofern bleibt natürlich die Prüfung noch aus. Aber ich glaube, dass grundsätzlich die Auffassung von Norbert Röttgen zu bestätigen ist.
Engels: Die SPD und Experten argumentieren, dass durchaus ein Bedarf nach Mindestlohn besteht, aber viele große Branchen wie Friseurhandwerk, Hotel, Gaststätten und Einzelhandel einfach nicht die notwendige Grenze zur Tarifbindung, die ja bei 50 Prozent liegen soll, aufbringen. Heißt: der Bedarf ist da, aber der Organisationsgrad ist zu schlecht. Das kann Sie ja wohl nicht freuen, oder?
Althaus: Ja, aber auch hier sind die Tarifpartner gefragt und gerade in der Dienstleistungsbranche brauchen wir auch die Tarifpartner. Die müssen ihre Entscheidungskompetenz stärken. Hier ist die Politik nicht gefragt, sondern hier ist ein allgemeiner politischer Diskurs in der Gesellschaft notwendig. Gerade in der Dienstleistungsbranche würden wir auch durch einen generellen staatlichen Mindestlohn erhebliche Arbeitsplatzrisiken entwickeln und sicherlich auch Arbeitsplätze vernichten. Das kann also nicht der Weg der Politik sein.
Engels: Olaf Scholz, der Arbeitsminister, arbeitet am sogenannten Mindestarbeitsbedingungsgesetz. Da soll ein Expertenausschuss eingesetzt werden, der gerade in schwach organisierten Branchen künftig Mindestlöhne festsetzen kann. Können Sie diesem Konzept irgendetwas abgewinnen?
Althaus: Das ist ja ein Gesetz, das wiederbelebt werden soll. Es bestand schon seit den 50er Jahren, ist aber nie angewandt worden. Der Vorschlag stammt aus der Union, ein solches Mindestarbeitsbedingungsgesetz wieder zu aktualisieren. Damit besteht dann die Möglichkeit, von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, aber auch von der Politik einen Weg in den Branchen, in den Bereichen einzuschlagen, wo nach Auffassung einzelner Partner diese Mindestarbeitsbedingungen nicht gegeben sind. Ich halte das für eine untere Grenzziehung, für einen richtigen Weg, und jetzt kommt es auf die konkrete Gesetzesgestaltung an.
Engels: Sehen Sie denn eine Chance, dass in der Tat es einen Expertenausschuss geben wird, der dann diese Mindestlöhne festsetzen wird, denn dagegen gibt es ja auch Widerspruch von der CSU seitens von Herrn Glos?
Althaus: Nein. Wenn, dann muss es eine Mitsprache und auch eine Entscheidungskompetenz geben, sowohl aus der Wirtschaft heraus wie aus den Arbeitnehmervertretern und der Politik. Es darf also keine einseitige Dominanz zum Beispiel der Politik geben. Und wenn so ein Expertenausschuss gewährleistet wird, dann ist sicher auch Michael Glos als Bundeswirtschaftsminister dafür. Darüber muss jetzt noch gestritten werden, und das ist auch Aufgabe der Regierung, wenn sie ein solches Gesetz vorlegt, dass hier der Konsens zwischen dem Bundesarbeitsminister und dem Bundeswirtschaftsminister gefunden wird.
Engels: Herr Althaus, kommen wir noch auf ein anderes Thema zu sprechen. Innerhalb der Großen Koalition wird jetzt auch zunehmend die Rentenerhöhung diskutiert. Arbeitsminister Scholz hat ja angekündigt, in diesem Jahr die Renten um 1,1 Prozent und im nächsten Jahr um 2 Prozent anzuheben. Das wird durch das Aussetzen des sogenannten Riester-Faktors der Rentenformel bewerkstelligt. Ist das eine gute Idee?
Althaus: Als zum ersten: Für die Rentnerinnen und Rentner ist eine solche Festlegung natürlich eine sehr positive Nachricht, denn sie haben über längere Zeit keine Rentenerhöhung erhalten und durch die allgemeine Preisentwicklung haben viele Rentnerinnen und Rentner eher weniger im Portemonnaie. Das belastet nicht nur sie, sondern natürlich auch den Binnenkonsum.
Zweitens ist es ganz wichtig, dass wir am Grundsatz Rentenreform nach dem neuen Verfahren festhalten. Es hat viel zu lange gedauert, dass die SPD eingesehen hat, dass hier ein Reformschritt zu gehen ist, denn die Union hat ja schon in den 90er Jahren mit dem Demografiefaktor auf Zukunft gesetzt.
Drittens muss man jetzt auf eine saubere Finanzierung achten, denn es darf weder dazu kommen, dass die Rentenkassen übermäßig belastet werden und möglicherweise dann auch die Rentenversicherungsbeiträge später erhöht werden müssen, noch darf es dazu kommen, dass die Steuermehreinnahmen, die wir Gott sei Dank haben, erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Also da bleibt noch Arbeit zu tun, aber prinzipiell, glaube ich, ist es in der jetzigen konjunkturellen Situation richtig, dass man für eine gewisse Übergangsfrist diesen sogenannten Riester-Faktor aussetzt, aber wie gesagt nicht abschafft, sondern nur eine Delle überwinden hilft.
Engels: Herr Althaus, das klingt aber doch nach leiser Kritik. Wie viel darf denn zusätzlich draufbezahlt werden, denn die Kosten werden ja wohl mehr als die ursprünglich geplanten 2,5 Milliarden Euro betragen?
Althaus: Zurzeit gibt es ja unterschiedliche Zahlen, die genannt werden. Man muss das konkret rechnen. Das ist jetzt auch Aufgabe. Und die leise Kritik ist sicher auch deshalb berechtigt, weil das ganze Verfahren natürlich wenig transparent war. Es ist in keinem Gremium besprochen, weder in den Unionsführungsgremien noch sicher in anderen Gremien. Und eine so wichtige Entscheidung hat natürlich politische Relevanz, weit über den konkreten Sachverhalt hinaus, denn die Frage steht: Wenden wir wichtige Reformschritte auch für die Zukunft an, oder setzen wir sie für eine Weile aus, oder schaffen wir sie ganz ab? Die Union muss darauf achten, dass wir beim Sozialstaat unsere Reformideen und unsere Reformschritte beibehalten, denn es ist wichtig, dass nicht nur die Rentnerinnen und Rentner heute im Blick sind, sondern natürlich auch die zukünftigen Generationen. Bei denen würde es schwierig, wenn man diesen Reformschritt generell wieder aufgeben würde.
Engels: Dieter Althaus, Ministerpräsident von Thüringen (CDU). Besten Dank für das Gespräch.
Althaus: Vielen Dank.
Dieter Althaus, Ministerpräsident von Thüringen (CDU), gehörte auch schon immer zu denen, die Mindestlöhnen nicht viel abgewinnen können. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Althaus!
Dieter Althaus: Guten Morgen!
Engels: Haben Sie also auch so gute Laune wie Herr Glos?
Althaus: Ja. das ist ein wichtiges Ergebnis, denn es macht deutlich, dass wir als Union immer richtig gelegen haben, wenn wir deutlich gemacht haben, zum einen ist die Tarifpolitik Sache der Tarifpartner und nicht Sache der Politik, und zweitens, dass auch das Bedürfnis der Tarifpartner auf einen generellen Mindestlohn nicht besteht. Das Pferd ist also tot, das die SPD seit Monaten reiten möchte, und ich hoffe jetzt auch auf eine zügige Entscheidung.
Engels: Das Bedürfnis nach Mindestlohn sei nicht so in dem Maße da, sagen Sie. Auf der anderen Seite ist ja das Problem, dass es Arbeitnehmer gibt, die Dumpinglöhne bekommen, nicht aus der Welt.
Althaus: Wir haben auch als Union deutlich gemacht, der Staat hat dafür zu sorgen, dass ein Mindesteinkommen gesichert wird. Dort wo also die Tarifpartner keine ausreichenden Tariflöhne entwickeln können, hat das ja mit der Marktrealität etwas zu tun, und dort hilft der Staat auch. Wir haben auch heute Zuschuss-Systeme. Das ist sicher bürokratischer, aber richtig, denn die Wirtschaft muss sich ja am Arbeitsmarkt und in der konkreten Wettbewerbssituation erfolgreich entwickeln können. Da muss der Staat darauf achten, dass die Tarifpartner, die ja dieses Feld auch entsprechend einschätzen können, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, ihre Verantwortung übernehmen.
Engels: Kommen wir spezifisch auf eine Branche zu sprechen, die einen Antrag gestellt hat. Das ist die Zeitarbeitsbranche. Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schließt der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion, Norbert Röttgen, heute aus, dass die Union hier bereit ist, einem branchenspezifischen Mindestlohn zuzustimmen. Die SPD wird das dann aber wahrscheinlich wollen, weil ja der Antrag gestellt ist. Wird das der nächste große Konflikt?
Althaus: Bei der Zeitarbeit geht es ja auch sehr stark darum, die Flexibilität am Arbeitsmarkt in den einzelnen Branchen dadurch zu erhöhen, dass eben Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer zur Verfügung stehen. Sie werden sehr häufig heute dort eingesetzt, wo diese Schwankung, diese Flexibilität zwingend ist. Ich teile also die grundsätzliche Kritik von Norbert Röttgen, dass wir für die Zeitarbeit prinzipiell keinen Mindestlohn einführen dürfen, denn damit würde die notwendige Flexibilität für den Arbeitsmarkt wieder zerstört. Und ich kann in diesem Bereich auch keine Grundlage, die im Arbeitnehmerentsendegesetz für Europa gilt, entnehmen.
Engels: Das, heißt das wird der große Tarifkrach, denn die SPD argumentiert ja, die Anträge sind gestellt, dass eben ein Mindestlohn auf Branchenbasis in dieser Branche auch umgesetzt wird.
Althaus: Da muss man jetzt juristisch genau prüfen, wie die Grundlage sich darstellt. Ich selbst denke, wir sollten das also auch aus fachlicher Sicht bewerten. Und wenn Norbert Röttgen für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken formuliert, dann hat er sicherlich auch schon entsprechende Kenntnis. Insofern bleibt natürlich die Prüfung noch aus. Aber ich glaube, dass grundsätzlich die Auffassung von Norbert Röttgen zu bestätigen ist.
Engels: Die SPD und Experten argumentieren, dass durchaus ein Bedarf nach Mindestlohn besteht, aber viele große Branchen wie Friseurhandwerk, Hotel, Gaststätten und Einzelhandel einfach nicht die notwendige Grenze zur Tarifbindung, die ja bei 50 Prozent liegen soll, aufbringen. Heißt: der Bedarf ist da, aber der Organisationsgrad ist zu schlecht. Das kann Sie ja wohl nicht freuen, oder?
Althaus: Ja, aber auch hier sind die Tarifpartner gefragt und gerade in der Dienstleistungsbranche brauchen wir auch die Tarifpartner. Die müssen ihre Entscheidungskompetenz stärken. Hier ist die Politik nicht gefragt, sondern hier ist ein allgemeiner politischer Diskurs in der Gesellschaft notwendig. Gerade in der Dienstleistungsbranche würden wir auch durch einen generellen staatlichen Mindestlohn erhebliche Arbeitsplatzrisiken entwickeln und sicherlich auch Arbeitsplätze vernichten. Das kann also nicht der Weg der Politik sein.
Engels: Olaf Scholz, der Arbeitsminister, arbeitet am sogenannten Mindestarbeitsbedingungsgesetz. Da soll ein Expertenausschuss eingesetzt werden, der gerade in schwach organisierten Branchen künftig Mindestlöhne festsetzen kann. Können Sie diesem Konzept irgendetwas abgewinnen?
Althaus: Das ist ja ein Gesetz, das wiederbelebt werden soll. Es bestand schon seit den 50er Jahren, ist aber nie angewandt worden. Der Vorschlag stammt aus der Union, ein solches Mindestarbeitsbedingungsgesetz wieder zu aktualisieren. Damit besteht dann die Möglichkeit, von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, aber auch von der Politik einen Weg in den Branchen, in den Bereichen einzuschlagen, wo nach Auffassung einzelner Partner diese Mindestarbeitsbedingungen nicht gegeben sind. Ich halte das für eine untere Grenzziehung, für einen richtigen Weg, und jetzt kommt es auf die konkrete Gesetzesgestaltung an.
Engels: Sehen Sie denn eine Chance, dass in der Tat es einen Expertenausschuss geben wird, der dann diese Mindestlöhne festsetzen wird, denn dagegen gibt es ja auch Widerspruch von der CSU seitens von Herrn Glos?
Althaus: Nein. Wenn, dann muss es eine Mitsprache und auch eine Entscheidungskompetenz geben, sowohl aus der Wirtschaft heraus wie aus den Arbeitnehmervertretern und der Politik. Es darf also keine einseitige Dominanz zum Beispiel der Politik geben. Und wenn so ein Expertenausschuss gewährleistet wird, dann ist sicher auch Michael Glos als Bundeswirtschaftsminister dafür. Darüber muss jetzt noch gestritten werden, und das ist auch Aufgabe der Regierung, wenn sie ein solches Gesetz vorlegt, dass hier der Konsens zwischen dem Bundesarbeitsminister und dem Bundeswirtschaftsminister gefunden wird.
Engels: Herr Althaus, kommen wir noch auf ein anderes Thema zu sprechen. Innerhalb der Großen Koalition wird jetzt auch zunehmend die Rentenerhöhung diskutiert. Arbeitsminister Scholz hat ja angekündigt, in diesem Jahr die Renten um 1,1 Prozent und im nächsten Jahr um 2 Prozent anzuheben. Das wird durch das Aussetzen des sogenannten Riester-Faktors der Rentenformel bewerkstelligt. Ist das eine gute Idee?
Althaus: Als zum ersten: Für die Rentnerinnen und Rentner ist eine solche Festlegung natürlich eine sehr positive Nachricht, denn sie haben über längere Zeit keine Rentenerhöhung erhalten und durch die allgemeine Preisentwicklung haben viele Rentnerinnen und Rentner eher weniger im Portemonnaie. Das belastet nicht nur sie, sondern natürlich auch den Binnenkonsum.
Zweitens ist es ganz wichtig, dass wir am Grundsatz Rentenreform nach dem neuen Verfahren festhalten. Es hat viel zu lange gedauert, dass die SPD eingesehen hat, dass hier ein Reformschritt zu gehen ist, denn die Union hat ja schon in den 90er Jahren mit dem Demografiefaktor auf Zukunft gesetzt.
Drittens muss man jetzt auf eine saubere Finanzierung achten, denn es darf weder dazu kommen, dass die Rentenkassen übermäßig belastet werden und möglicherweise dann auch die Rentenversicherungsbeiträge später erhöht werden müssen, noch darf es dazu kommen, dass die Steuermehreinnahmen, die wir Gott sei Dank haben, erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Also da bleibt noch Arbeit zu tun, aber prinzipiell, glaube ich, ist es in der jetzigen konjunkturellen Situation richtig, dass man für eine gewisse Übergangsfrist diesen sogenannten Riester-Faktor aussetzt, aber wie gesagt nicht abschafft, sondern nur eine Delle überwinden hilft.
Engels: Herr Althaus, das klingt aber doch nach leiser Kritik. Wie viel darf denn zusätzlich draufbezahlt werden, denn die Kosten werden ja wohl mehr als die ursprünglich geplanten 2,5 Milliarden Euro betragen?
Althaus: Zurzeit gibt es ja unterschiedliche Zahlen, die genannt werden. Man muss das konkret rechnen. Das ist jetzt auch Aufgabe. Und die leise Kritik ist sicher auch deshalb berechtigt, weil das ganze Verfahren natürlich wenig transparent war. Es ist in keinem Gremium besprochen, weder in den Unionsführungsgremien noch sicher in anderen Gremien. Und eine so wichtige Entscheidung hat natürlich politische Relevanz, weit über den konkreten Sachverhalt hinaus, denn die Frage steht: Wenden wir wichtige Reformschritte auch für die Zukunft an, oder setzen wir sie für eine Weile aus, oder schaffen wir sie ganz ab? Die Union muss darauf achten, dass wir beim Sozialstaat unsere Reformideen und unsere Reformschritte beibehalten, denn es ist wichtig, dass nicht nur die Rentnerinnen und Rentner heute im Blick sind, sondern natürlich auch die zukünftigen Generationen. Bei denen würde es schwierig, wenn man diesen Reformschritt generell wieder aufgeben würde.
Engels: Dieter Althaus, Ministerpräsident von Thüringen (CDU). Besten Dank für das Gespräch.
Althaus: Vielen Dank.