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Digitale Landwirtschaft
Apps helfen Landwirten in Afrika

Auch Bauern in Entwicklungsländern könnten von Digitalisierung und "Farming 4.0" profitieren, sagte Marc Cotter von der Universität Hohenheim im Dlf. In Afrika nutzten bereits viele Landwirte Apps - die Kosten seien gering, die Effekte, beispielsweise bei den Felderträgen, aber relativ groß.

Marc Cotter im Gespräch mit Manfred Kloiber | 22.09.2018
    Reis fließt durch die Hand eines Reisbauern im Kongo.
    Apps können beispielsweise durch das Feintuning von Düngemittelgaben die Erträge im Feld steuern (dpa / picture alliance / Mika Schmidt)
    Manfred Kloiber: Sicherheitsprobleme werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch beim Farming 4.0 zum ernsten Thema werden. Dann nämlich, wenn sich Landwirte voll und ganz auf eine digital gesteuerte und optimierte Land- und Viehwirtschaft verlassen und darauf angewiesen sind, dass die Systeme stabil und fehlerfrei laufen und jede Angriff auf die Integrität zum Versorgungsproblem wird. Trotzdem - das Potential digitaler Landwirtschaft ist hoch - und gerade im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit erhoffen sich Wissenschaftler und Politiker viel von digitalen Tools, die den Landwirten unter klimatisch und ökonomischen schwierigen Bedingungen wertvolle Unterstützung leisten. Dazu fand Ende dieser Woche an der Universität Hohenheim die Tagung Statcrops statt, auf der sich Agrarwissenschaftler mit eben solchen Tools und Apps für Bauern zum Beispiel in Afrika beschäftigten. Marc Cotter vom Institut für Tropische Agrarwissenschaften habe ich gefragt, welche Rolle das Farming 4.0 in Entwicklungsländern spielt.
    Marc Cotter: Eine relativ große und das auch auf verschiedenen Ebenen. Wenn wir uns "Precision Farming" vorstellen, also mit Hightech und vielen Steuergeräten, dann sieht man das auch in Afrika, oftmals dann durch internationale Investoren gesponsert. Aber auch Drohnen zum Beispiel sind ein großes Thema; zur Erntekontrolle oder zum Beobachten von Viehherden. Und Handys und Apps sind ein großes Feld, das dort Interesse hat und wo sehr viel gemacht wird zu dem Thema.
    App erspart den Besuch des Beratungsdienstes
    Kloiber: Das Smartphone ist ja besonders wichtig, weil es oftmals der einzige Zugang zum Internet ist. Können Sie Beispiele für Apps geben, die Bauern in Entwicklungsländern bei ihrer Arbeit unterstützen?
    Cotter: Es gibt sehr viele Apps, die schon seit Jahren genutzt werden, hauptsächlich dann aus dem Bereich der mobilen Zahlung, also wenn es um Bargeldtransfers geht - einfach weil in vielen Gegenden keine Banken vorhanden sind, um das zu organisieren. Deswegen sind viele Landwirte oder große Teile der Bevölkerung mit dem Thema schon ganz gut vertraut. Und speziell in unserem Fall arbeiten wir sehr viel mit Beratungs-Apps, die in der Lage sind, den Bauern bei Ernteentscheidungen oder pflanzenbaulichen Fragestellungen zu unterstützen und ihnen den Besuch des Beratungsdienstes zu ersparen.
    Kloiber: Welche Art von Beratung bekommen denn die Bauern mit diesen Apps?
    Cotter: Da geht es darum, welche Art von Düngemittel gegeben werden kann, wann am besten das Düngemittel gegeben werden soll, welche Futtermittelzusammensetzung für Milchvieh besonders interessant ist. Aber es geht auch sehr viel darum, dass an Wertschöpfungsketten gearbeitet wird, dass den Landwirten Kontakte hergestellt werden zu Händlern, die dann auch in der Lage sind, ihre Waren möglichst gewinnbringend weiter zu vermitteln. Das ist ein sehr großes Thema, wo Apps im Kommen sind und schon sehr viel genutzt werden.
    Farming 4.0 ohne Riesen-Investitionen
    Kloiber: Digitalisierte Landwirtschaft bedeutet ja auch den Einsatz eines hochgezüchteten Maschinenparks mit vielen IT-Schnittstellen sowie Äcker, die mit Sensoren gespickt sind. Kann sich das eine afrikanische Bäuerin oder ein Bauer überhaupt leisten?
    Cotter: Nein, normalerweise nicht. Solcher Aufwand wird geleistet dann, wenn - meistens internationale - Investoren mitbeteiligt sind. In unserem Fall ist der Aufwand allerdings für den Farmer überhaupt gar nicht so hoch. Die Apps werden von unseren Partnern, den internationalen Agrarforschungszentren, kostenlos bereitgestellt. Und für den Farmer selber ist alles was er braucht ein Mobiltelefon, mit dem er in der Lage ist, seine Daten einzugeben. Damit die dann von den Serverparks der Forschungszentren aufgearbeitet werden können und dann in Beratungsdienstleistungen umgesetzt werden.
    Kloiber: Gehen denn die Apps auf beschränkte Ressourcen ein, mit denen viele Betriebe in wirtschaftlich und klimatisch schwierigen Verhältnissen zu kämpfen haben?
    Cotter: Auf jeden Fall. Die Landwirte geben am Anfang ihre verfügbaren Ressourcen ein. Also sagen, wie viel Geld haben sie, wieviel Düngemittel haben sie zur Verfügung, wieviel Kühe haben sie, die dann eben auch Dung produzieren können, der als Dünger benutzt werden kann. Aber auch wie viel Arbeitskraft haben sie oder auch finanzielle Möglichkeiten haben sie, um sich Düngemittel dazu zu kaufen. Wenn sich diese Situation verändern sollte über die Saison hinweg, dann kann auch das berücksichtigt werden, genauso wie aber auch Veränderungen in der Wetterlage, die am Anfang dieser Beratungstätigkeit eventuell noch nicht abzusehen waren. Dürren zum Beispiel oder später einsetzende Regenzeiten können dann direkt als Feedback an die Farmer ausgegeben werden und entsprechend werden dann die Ratschläge angepasst.
    "Sehr positive Rückmeldungen von den Landwirten"
    Kloiber: Nun haben ja die Landwirte gerade in klimatisch schwierigen Gebieten extrem hohes Erfahrungswissen. Das, was die Apps aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse an Ratschlägen gibt, könnten das die Bauern nicht selbst wissen?
    Cotter: Der Bauer könnte das auch wissen. Oftmals ist es aber so, dass es hier um Feintuning von Düngemittelgaben geht, wo es dann um eine Woche hin oder her relativ große Unterschiede bei den Erträgen im Feld macht. Und da können die Apps relativ gute Vorhersagen machen, wie die Pflanzen darauf reagieren werden. Im Fall unserer Partner ist es so, dass sie von über 90 Prozent der Landwirte, die an den Versuchsreihen mitgemacht haben, sehr positive Rückmeldungen gekriegt haben. Und die würden auch, also über 90 Prozent würden auch weitermachen wollen oder benutzen diese Apps auch weiterhin, um ihre Entscheidungsfindung im Feld zu unterstützen.
    Kloiber: Einen Teil der Daten müssen die Bauern ja selbst eingeben. Welche Daten aus welchen Quellen werden denn darüber hinaus verwendet?
    Cotter: Wenn wir jetzt hier mit Ratgebern arbeiten, wo es hauptsächlich um Pflanzenwachstum geht, also die Entscheidung, wann Bauern am ehesten Düngemittel ausgeben sollen, dann geht es hauptsächlich um Daten ihrer Aufenthaltsorte, also wo befinden sie sich. Weil die sind grundlegend wichtig, um Wettervorhersagen anzupassen an die jeweiligen Standorte. Es ist aber auch so, dass es andere Apps gibt, die dann vor allem wenn es darum geht, dass man passende Handelspartner findet, die nötige Sicherheit entlang einer Wertschöpfungskette geben können.