"Vom Notentext, von der Komplexität, werden sie visuell nie komplexer sein als Ravels "Gaspard de la nuit"."
Sagt der Dirigent Boian Videnoff. Mit seinen Mitstreitern beim Startup Enote ist er angetreten, die digitale Notenwelt zu revolutionieren. Die Aufgabe ist riesig.
"Wenn sie sich das mal rein visuell anschauen, da sind drei Bindebögen, die kreuzen sich mit den Notenlinien. Es liegt ein Crescendo und es kreuzen sich Balken von Sechzehntel- und Achtelnoten. Es ist im Prinzip ein Wirrwarr an Zeichen, alle überschneiden sich. Wenn sie das erkennen können, und das können wir perfekt, und rekonstruieren, dann habe sie es eigentlich, was das Notenbild angeht, geschafft. Nicht mal eine Mahler-Symphonie oder Strawinsky oder was auch immer, was danach kommt, wird nicht so komplex sein können, dadurch dass jedes andere Instrument gar nicht so komplex notiert werden kann."
"Wenn sie sich das mal rein visuell anschauen, da sind drei Bindebögen, die kreuzen sich mit den Notenlinien. Es liegt ein Crescendo und es kreuzen sich Balken von Sechzehntel- und Achtelnoten. Es ist im Prinzip ein Wirrwarr an Zeichen, alle überschneiden sich. Wenn sie das erkennen können, und das können wir perfekt, und rekonstruieren, dann habe sie es eigentlich, was das Notenbild angeht, geschafft. Nicht mal eine Mahler-Symphonie oder Strawinsky oder was auch immer, was danach kommt, wird nicht so komplex sein können, dadurch dass jedes andere Instrument gar nicht so komplex notiert werden kann."
Großer Rechenaufwand der KI
Der oberflächliche Betrachter könnte meinen, dass die Darstellung eines Notentextes auch nicht viel komplizierter sein kann als die eines Buchs auf dem eBook-Reader. Aber da schon die korrekte Worttrennung manche Texterfassung an ihre Grenzen bringt, kann man sich vorstellen, dass die Erfassung einer komplexen Partitur großen Rechenaufwand erfordert. Schließlich hat das Alphabet nur 26 Buchstaben, während ein gewöhnlicher Notentext etwa 1.500 Elemente aufweisen kann. Was bisher an digitalen Noten auf dem Markt erhältlich ist, beschränkt sich in der Regel auf starre Abbildungen des Notentextes, die sich gerade mal vergrößern und verkleinern lassen, schon Markierungen und Notizen bringen manche Programme an den Rand der Leistungsfähigkeit. Um den Sprung zu einer wirklichen Digitalversion zu schaffen, war großer Rechenaufwand der Künstlichen Intelligenz nötig.
"Wir Musiker erwarten ja Perfektion im Material, und diese zwei Welten miteinander zu vereinbaren ist nicht einfach. Die Künstliche Intelligenz beruht auf Statistik, und alles, was auf Statistik basiert, ist nie perfekt. Dann haben Sie den Anspruch der Musiker, dass alles unter perfekt nicht gut genug ist. Das zusammenzubringen, zu verheiraten, das war so ein bisschen die Kunst."
"Wir Musiker erwarten ja Perfektion im Material, und diese zwei Welten miteinander zu vereinbaren ist nicht einfach. Die Künstliche Intelligenz beruht auf Statistik, und alles, was auf Statistik basiert, ist nie perfekt. Dann haben Sie den Anspruch der Musiker, dass alles unter perfekt nicht gut genug ist. Das zusammenzubringen, zu verheiraten, das war so ein bisschen die Kunst."
Weltweit gefragte Spezialisten arbeiten nun in einem Büro am Berliner Alexanderplatz daran, möglichst viel Material zu erfassen und die Einzelteile dann zu nutzbaren Ausgaben zusammenzufügen. Entscheidend ist die Qualität der Metadaten, also der Hintergrundinformationen, die zur brauchbaren Darstellung des Notentextes, vor allem aber zur Detailsuche in der virtuellen Bibliothek nötig sind.
"Wir haben alle Quellen vom Autographen bis zum Erstdruck, alle kritischen Ausgaben gesichtet. Was wir gemacht haben, ist im Prinzip eine volldigitale Urtextausgabe erstellt. Die ganze Bibliothek ist digitalisiert mit Metadaten, und da würde ich auch sagen, dass wir tatsächlich eine der umfangreichsten Metadatenbibliotheken überhaupt haben. Vor allem standardisiert. Sie können solche Suchanfragen stellen wie, ich suche ein Werk für Violine und Klavier, es darf nicht länger als 20 Minuten sein, der Komponist muss ein Jubiläumsjahr im Jahr 2025 haben und am besten soll es russische Musik der Spätromantik sein. Dann kriegen sie alle möglichen Resultate, die zu dieser Suchanfrage kommen."
"Wir haben alle Quellen vom Autographen bis zum Erstdruck, alle kritischen Ausgaben gesichtet. Was wir gemacht haben, ist im Prinzip eine volldigitale Urtextausgabe erstellt. Die ganze Bibliothek ist digitalisiert mit Metadaten, und da würde ich auch sagen, dass wir tatsächlich eine der umfangreichsten Metadatenbibliotheken überhaupt haben. Vor allem standardisiert. Sie können solche Suchanfragen stellen wie, ich suche ein Werk für Violine und Klavier, es darf nicht länger als 20 Minuten sein, der Komponist muss ein Jubiläumsjahr im Jahr 2025 haben und am besten soll es russische Musik der Spätromantik sein. Dann kriegen sie alle möglichen Resultate, die zu dieser Suchanfrage kommen."
Die Zukunft: Digitale Partitur steuert eine gesamte Aufführung
Fünf Jahre Entwicklungszeit sind vergangen seit der ersten Idee an Videnoffs Küchentisch, wo er mit einem Studienkollegen darüber nachdachte, wie man die schweren Partituren überflüssig machen könnte, die der Dirigent auf Reisen immer mit sich schleppen musste. Nur die Noten auf dem Tabletcomputer darzustellen wäre zu wenig, das war schnell klar.
"Für mich war es extrem wichtig, dass wir dieses Gefühl des Blätterns erhalten, und ich finde, dass genau dieses Gefühl gegeben ist. Wenn ich mit Papier arbeite, wünsche ich mir inzwischen, dass ich diesen Slider da unten hätte, wo man einfach mit dem Finger die richtige Seite findet. Dann tippt man drauf und dann ist man auf der Seite. Es gibt noch die einfachen Tools wie ein Metronom, kann man einfach tippen. Da kann man das Tempo ermitteln und kann das so spielen. Oder wir haben auch ein Stimmgerät, das die Tonhöhe erkennt, dann kann hoffentlich sauber spielen bzw. das Instrument stimmen. Wir haben ein Aufnahmegerät, das dann ermöglicht, dass man beim Üben auch aufnahmen kann. Praktisch alles."
Zunächst werden die Macher von Enote sich auf Solo- und Kammermusikwerke konzentrieren. Aber das soll nicht so bleiben. Schon jetzt haben nicht nur namhafte Musiker und Musikerinnen ihr Interesse bekundet, in Gesprächen mit Daniel Barenboim von der Berliner Staatsoper wurde bereits über integrierte Systeme nachgedacht, in denen die gesamte logistische Steuerung einer Opernaufführung aus einer digitalen Partitur entworfen wurde. Der Computer weiß dann noch ein bisschen besser als der Inspizient, an welcher Stelle die Ausführenden gerade sind und kann beispielsweise automatisch die nächste Solistin rechtzeitig zu Bühne rufen. Klingt fast ein bisschen gruselig, ist aber noch Zukunftsmusik. Schon jetzt können die Musiker aber den bevorzugten Notensatzstil frei wählen.
"Es gibt Glaubenskriege unter den Musikern, die einen mögen ein Schriftbild, die anderen mögen ein anderes Schriftbild. Dafür kaufen sie dann bewusst bestimmte Ausgaben, einfach weil es so schön aussieht, obwohl sie sogar den Notentext einer anderen Ausgabe dann doch lieber vorziehen, und dann schreiben sie die Unterschiede mit der Hand rein, aber Hauptsache, sie spielen aus dem Notenbild, das ihnen gefällt."
"Für mich war es extrem wichtig, dass wir dieses Gefühl des Blätterns erhalten, und ich finde, dass genau dieses Gefühl gegeben ist. Wenn ich mit Papier arbeite, wünsche ich mir inzwischen, dass ich diesen Slider da unten hätte, wo man einfach mit dem Finger die richtige Seite findet. Dann tippt man drauf und dann ist man auf der Seite. Es gibt noch die einfachen Tools wie ein Metronom, kann man einfach tippen. Da kann man das Tempo ermitteln und kann das so spielen. Oder wir haben auch ein Stimmgerät, das die Tonhöhe erkennt, dann kann hoffentlich sauber spielen bzw. das Instrument stimmen. Wir haben ein Aufnahmegerät, das dann ermöglicht, dass man beim Üben auch aufnahmen kann. Praktisch alles."
Zunächst werden die Macher von Enote sich auf Solo- und Kammermusikwerke konzentrieren. Aber das soll nicht so bleiben. Schon jetzt haben nicht nur namhafte Musiker und Musikerinnen ihr Interesse bekundet, in Gesprächen mit Daniel Barenboim von der Berliner Staatsoper wurde bereits über integrierte Systeme nachgedacht, in denen die gesamte logistische Steuerung einer Opernaufführung aus einer digitalen Partitur entworfen wurde. Der Computer weiß dann noch ein bisschen besser als der Inspizient, an welcher Stelle die Ausführenden gerade sind und kann beispielsweise automatisch die nächste Solistin rechtzeitig zu Bühne rufen. Klingt fast ein bisschen gruselig, ist aber noch Zukunftsmusik. Schon jetzt können die Musiker aber den bevorzugten Notensatzstil frei wählen.
"Es gibt Glaubenskriege unter den Musikern, die einen mögen ein Schriftbild, die anderen mögen ein anderes Schriftbild. Dafür kaufen sie dann bewusst bestimmte Ausgaben, einfach weil es so schön aussieht, obwohl sie sogar den Notentext einer anderen Ausgabe dann doch lieber vorziehen, und dann schreiben sie die Unterschiede mit der Hand rein, aber Hauptsache, sie spielen aus dem Notenbild, das ihnen gefällt."
Interessenten können Betaversion schon testen
Jeder Sänger, jede Sängerin kennt die Strafarbeit, den jeweiligen Part in einem Klavierauszug mit Textmarker anzustreichen. Und wer dann noch eine andere Partie in derselben Oper lernt, streicht die dann in einer anderen Farbe an. Das ist bald nicht mehr nötig.
"Ich kann ganze Stimmen einfach markieren in einer bestimmten Farbe und dann ist das durch markiert. Das ist hochpraktisch für Sänger. Sänger haben zum Teil eine Wagneroper müssen sie hundert Seiten mit einem Marker markieren. Das ist stupide Arbeit, nicht wirklich, dass man das als wertvoll bezeichnen könnte. Das ist mit zwei Klicks erledigt, ist das durchmarkiert. Oder für Dirigenten, die viel anmalen."
Etwa vier Millionen Euro hat der Hauptinvestor für Enote bereitgestellt, die Macher peilen einen Nutzungsbeitrag von etwa zehn Euro monatlich an. Wegen Corona wurde der offizielle Start verschoben, aber schon jetzt können sich Interessenten als Tester der kostenlosen Betaversion auf der Website registrieren und das Programm ausprobieren, sagt Boian Videnoff.
"Es wird auch eine Stufe geben später für Amateure, die einfach nicht so viel Material benötigen und deshalb auch weniger aufrufen und dementsprechend auch nicht so viel bezahlen müssen. Da denken wir, das wird fünf bis sechs Euro im Monat kosten, gerade für Kinder und Menschen, die nicht so viel spielen."
"Ich kann ganze Stimmen einfach markieren in einer bestimmten Farbe und dann ist das durch markiert. Das ist hochpraktisch für Sänger. Sänger haben zum Teil eine Wagneroper müssen sie hundert Seiten mit einem Marker markieren. Das ist stupide Arbeit, nicht wirklich, dass man das als wertvoll bezeichnen könnte. Das ist mit zwei Klicks erledigt, ist das durchmarkiert. Oder für Dirigenten, die viel anmalen."
Etwa vier Millionen Euro hat der Hauptinvestor für Enote bereitgestellt, die Macher peilen einen Nutzungsbeitrag von etwa zehn Euro monatlich an. Wegen Corona wurde der offizielle Start verschoben, aber schon jetzt können sich Interessenten als Tester der kostenlosen Betaversion auf der Website registrieren und das Programm ausprobieren, sagt Boian Videnoff.
"Es wird auch eine Stufe geben später für Amateure, die einfach nicht so viel Material benötigen und deshalb auch weniger aufrufen und dementsprechend auch nicht so viel bezahlen müssen. Da denken wir, das wird fünf bis sechs Euro im Monat kosten, gerade für Kinder und Menschen, die nicht so viel spielen."
Bislang sind nur rechtefreie Werke in der App abrufbar, also keine zeitgenössischen Kompositionen. Die Verhandlungen über Urheberrechte und Bezahlmodelle werden sicher kompliziert, als nächster Schritt muss auch erstmal die Vollversion auf dem Markt etabliert werden, aber Boian Videnoffs Pläne gehen weit darüber hinaus.
"Danach wollen wir gerne mit Verlagen zusammenarbeiten, die die Rechteinhaber von zeitgenössischer Musik sind und auch von anderen Genres, die auch letztendlich zeitgenössische Musik sind. Das würden wir gerne als nächstes angehen in einem weiteren Subscription Tear, der dann natürlich ein bisschen mehr kostet, damit eben auch die Rechteinhaber dann ihre Lizenzen bekommen."
"Danach wollen wir gerne mit Verlagen zusammenarbeiten, die die Rechteinhaber von zeitgenössischer Musik sind und auch von anderen Genres, die auch letztendlich zeitgenössische Musik sind. Das würden wir gerne als nächstes angehen in einem weiteren Subscription Tear, der dann natürlich ein bisschen mehr kostet, damit eben auch die Rechteinhaber dann ihre Lizenzen bekommen."