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Digitalisierungsstrategie der EU
Kommission will Künstliche Intelligenz regulieren

Von einem Daten-Binnenmarkt bis zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz – die EU-Kommission hat ambitionierte Vorhaben, um Europa fit für die digitale Zukunft zu machen. Das Problem: Die Vorhaben werden teuer und es ist fraglich, ob die Gesetze überhaupt durchgebracht werden können.

Von Paul Vorreiter | 19.02.2020
Ein Mann wird von einer Kamera erfasst und eine Gesichtserkennung durchgeführt.
Gesichtserkennung wird von der EU-Kommission als riskante Künstliche Intelligenz gesehen (imago images | Hans Lucas)
Es ist das zweite große Schlüsselprojekt für die neue EU-Kommission neben dem Europäischen Grünen Deal. Wie kann verhindert werden, dass Europa bei der Digitalisierung abgehängt wird? Drei Papiere dazu wird die Kommission am Mittag vorstellen. Die Brüsseler Behörde wird erläutern, wie sie sich Europas digitale Zukunft vorstellt, wie "Künstliche Intelligenz" gefördert und reguliert werden soll und wie in Europa Daten geschützt, aber auch genutzt werden können, um wirtschaftlich anschlussfähig zu bleiben:
"Letztlich stellt sich das als Überlebensfrage Europas in der digitalen Welt dar, wenn wir noch eine Bedeutung haben wollen, müssen wir sehr ambitioniert vorangehen", sagt der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss, der Hoffnungen in die Digitalstrategie setzt.
Ein Daten-Binnenmarkt
Die neue Kommission will unter anderem Pläne vorlegen, wie ein Daten-Binnenmarkt geschaffen werden kann: Eine der zu lösenden Fragen ist, wie kann dafür gesorgt werden, dass attraktive Industriedaten von europäischen Firmen wie Volkswagen oder Airbus nicht im Ausland, sondern in der EU gespeichert werden.
IT-Experte: "Europa sitzt auf einem Datenschatz"
"Wir müssen unsere Daten besser nutzen", sagte Boris Otto, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik, im Dlf. Ein sogenannter Datenpool, wie ihn die EU-Kommission vorgeschlagen habe, sei aber nicht notwendig. Es gehe darum, Daten nutzbar zu machen und miteinander zu verknüpfen, ohne die Kontrolle über sie zu verlieren. Dies sei beispielsweise bei Autos wichtig, jedes von ihnen sei "ein fahrendes Rechenzentrum". Solche Daten müssten vernünftig zusammenführt werden, "damit Bürger und Unternehmen einfach Dienste beziehen können, die unser Leben leichter machen, etwa intermodale Verkehrsketten."
Die neue Datenstrategie der EU umfasse ein Maßnahmenbündel aus Technik, Regulation und der Befähigung der Akteure. Er halte sie für "ganz gelungen", weil sie Datennutzung und Datensicherheit in Einklang bringe. Nun gelte es, sie umzusetzen.
An der Wand eine blaue Grafik mit Hochhäusern, darüber stehen mit weißer Schrift Huawei und 5G sowie chinesische Schriftzeichen. Vor der Wand links ein Mann, der im Laufen telefoniert, von rechts kommt ein Uniformierter.
5G-Ausbau / EU will Huawei nicht ausschließen
Großbritannien erlaubt die Beteiligung Huaweis am Aufbau des 5G-Netzes, wenn auch eingeschränkt, die Bundesregierung hat sich noch nicht entschieden. Die EU empfiehlt nun, Huawei nicht von vornherein auszuschließen.
Aus Brüsseler Kreisen ist zu hören, dass die Kommission Anreize schaffen will, damit europäische Firmen oder Behörden untereinander Daten austauschen, um damit zum Beispiel Produkte zu verbessern, ihre Arbeitsweise effizienter zu gestalten, oder auf Grundlage der getauschten Daten Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Gerade in diesem Bereich hätten Firmen oft Hemmungen auf Daten zuzugreifen oder sie wüssten über die bestehenden Möglichkeiten kaum Bescheid. Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei, sieht diese Pläne ambivalent: "Wenn der Austausch anonymisierter Daten kommt, zwischen verschiedenen Unternehmen kommt, dann ist das eine gute Sache. Was z.B. Künstliche Intelligenz angeht, sehe ich nicht, dass man da wirklich ethische Grundsätze durchsetzen und rote Linien ziehen will und das wäre notwendig, weil wir mit der Gesichtserkennung auch an der Schwelle zu einer Massenüberwachung stehen."
Im Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz will die EU als erste Region weltweit den Umgang mit solchen selbstlernenden, technischen Systemen regulieren. Dabei stellt sich die Frage, wie zwischen riskanter Künstlicher Intelligenz – also solche die Grundrechte betrifft oder die potenziell Menschen diskriminiert und risikoarmer KI unterschieden werden kann.
Ein Roboter streckt seine Hand aus, im Hintergrund eine Anmutung vom Universum.
Auf der Suche nach klaren Regeln für KI
Für die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz fordern Datenschützer in der "Hambacher Erklärung" klare Regeln. Der zentrale Gedanke dahinter: Der Mensch darf nicht zum Objekt technischer Vorgänge werden. Doch bislang wird die KI-Entwicklung politisch weder reguliert noch sinnvoll gesteuert.
Riskante Künstliche Intelligenz soll offenbar von nationalen Behörden vorgeprüft werden, ist aus Brüsseler Kreisen zu hören. Hingegen könnte unbedenkliche Künstliche Intelligenz, die hilft, den Klimaschutz zu optimieren, den Verkehrsbereich flott zu machen oder medizinische Forschung voranzubringen, schneller an den Start gebracht werden.
Digital-Vorreiter Finnland: Künstliche Intelligenz fürs Volk
Nationale KI-Strategie, KI in Behörden und Unternehmen: Finnland will aufsteigen zu Europas Testlabor in Sachen Künstliche Intelligenz. Vor allem die Bürger sollen von den Vorteilen des Maschinellen Lernens profitieren – sich erst einmal aber informieren. Mit einem KI-Kurs.
Eine Frage des Geldes
Die EU-Kommission will offenbar auch den europaweiten Austausch von Gesundheitsdaten erleichtern. Dass die EU den Bereich der Künstlichen Intelligenz reglementieren will, findet die Grünen-Europaabgeordnete Alexandra Geese gut, sieht aber auch Schwierigkeiten, zum Beispiel weil es schwierig sei, Experten für Künstliche Intelligenz anzuwerben, und die nationalen Behörden oft personell unterbesetzt seien.
"Außerdem ist es ist es so, dass die großen Anbieter von Künstlicher Intelligenz wirklich sehr groß sind in erster Linie aus den USA kommen in der Zukunft auch aus China und ein enormes Ungleichgewicht gegenüber nationalen Behörden insbesondere kleiner Länder besteht. Beim Datenschutz haben wir auch schon das Problem, dass sich viele Fälle in Irland anhäufen und die Datenschutzbehörde gar nicht hinterherkommt. Das würde dazu führen, dass wir ein gutes Gesetz haben, aber das europaweit nicht eingesetzt werden kann."
Wie viel dieser Ideen umgesetzt werden können, ist schließlich auch eine Frage des Geldes. Gerade diskutiert Brüssel unter Hochdruck den neuen Vorschlag von Ratspräsident Charles Michel für den kommenden Finanzrahmen 2021 bis 2027. Und der sieht eine deutlich abgespeckte Version des künftigen "Digital Europe Programms" vor, mit dem Geld unter anderem locker gemacht werden soll, um Supercomputer zu kaufen, Künstliche Intelligenz an die Unternehmen zu bringen und Cybersicherheit zu gewährleisten.
Die EU-Kommission hatte dafür 9,2 Milliarden Euro vorgeschlagen. Ratspräsident Michel plant dafür nur noch 6,8 Milliarden Euro ein. Wie so oft, entscheidet sich auch Europas digitale Zukunft, mitunter auch am Willen der Mitgliedsstaaten.